Nach Konzert „Wir sind mehr“

Wie die Stadt Chemnitz für Toleranz werben will

Carl-Friedrich Höck05. September 2018
65.000 Menschen haben am Montag in Chemnitz ein Zeichen gegen rechts gesetzt. Nun kehrt der Alltag wieder ein. Stadt und Zivilgesellschaft planen bereits neue Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit.

Folgt auf die Party nun der Kater? Am Montag schaute ganz Deutschland auf Chemnitz. 65.000 Menschen feierten ein Konzert mit berühmten Künstlern: Casper und Marteria, Die toten Hosen, K.I.Z., Kraftklub und Feine Sahne Fischfilet. Gemeinsam setzten sie ein Zeichen für eine tolerante Gesellschaft. Doch nun sind die Stars wieder weg.

Die Stadt sucht das Gespräch mit den Bürgern

Wie geht es jetzt weiter? Auf einer Pressekonferenz hat die Stadt am Dienstag erklärt, welche Schritte sie als nächstes unternehmen will, um den Rechtspopulisten und Nazis etwas entgegenzusetzen. Auch zivilgesellschaftliche Initiativen gegen Fremdenfeindlichkeit wurden vorgestellt.

Barbara Ludwig
Die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig. Foto: Inga Kjer

Die Kommune verfährt nach dem Motto „Im Gespräch bleiben“. Gemeinsam mit der sächsischen Landesregierung will die Stadt mehrere Dialogveranstaltungen organisieren. Etwa unter dem Titel „Wie sicher ist Chemnitz?“ – dort sollen auch Vertreter der Polizei mitdiskutieren. Für den Oktober plant die Stadt einen Bürgerdialog zum Thema Zuwanderung. Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) hat hierzu auch die Bundeskanzlerin eingeladen – und Angela Merkel hat zugesagt. Ein Termin steht jedoch noch nicht fest.

Darüber hinaus soll es im November eine wissenschaftlich begleitete Veranstaltung zum Thema Rechtsextremismus geben. Gelegenheit zum Austausch mit der Stadtspitze bieten auch die regulären Einwohnerversammlungen, teilt die Stadt mit.

Mit Beethoven für Vielfalt werben

Eine weitere Maßnahme: In Chemnitz soll es erneut ein kostenloses Konzert geben – diesmal jedoch mit klassischer Musik. Die Theater der Stadt planen eine Aufführung von Ludwig van Beethovens neunter Sinfonie. Die Veranstaltung wird unter dem Titel „Gemeinsam stärker – Kultur für Offenheit und Vielfalt“ stehen.

„An den Chemnitzer Theatern sind Künstler vieler Nationalitäten beschäftigt, die besorgt auf die Entwicklung der vergangenen Tage schauen“, betont Christoph Dittrich, Generalintendant der Theater Chemnitz. Das Konzert soll auch ein Zeichen in Richtung Europa senden – Chemnitz bewirbt sich um den Titel der europäischen Kulturhauptstadt 2025. Bilder von rechten Demonstrationen, auf denen der Hitlergruß gezeigt wird, dürften dabei nicht hilfreich sein.

Appell: „weder grau noch braun”

Chemnitzer Bürger, Unternehmer und Wissenschaftler richten sich derweil mit einem Appell an die Zivilgesellschaft. „Chemnitz ist weder grau noch braun“ heißt ein Aufruf, der im Internet veröffentlicht wurde. Initiiert wurde er vom Industrieverein Sachsen gemeinsam mit dem Verein Kreatives Chemnitz.

Darin heißt es unter anderem: „In den letzten Jahren ist durch viele aktive und motivierte Menschen aus einer grauen Stadt ein buntes, lebenswertes Chemnitz geworden, fast schon eine Komfortzone. Aus der müssen wir jetzt wieder raus. Wir müssen und wollen uns wieder einschalten, damit aus bunt nicht braun wird. Wir wollen Diskriminierung in Respekt, Blindheit in Bildung und Gegeneinander in Miteinander verwandeln. Vor allem wollen wir zeigen, dass in unserer Stadt die Mehrheit demokratisch und offen denkt.“ Nach Angaben der Initiatoren hat der Aufruf bereits fast 200.000 Unterstützer.

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