Rezension „Das Zeitalter der Städte“

Warum Städte die Welt retten müssen

Carl-Friedrich Höck30. Dezember 2022
Cover „Das Zeitalter der Städte”
Damit die menschliche Zivilisation eine Zukunft hat, müsse eine sozial-ökologische Transformation gelingen. Davon sind die Herausgeber*innen des Buches „Das Zeitalter der Städte“ überzeugt. Die Metropolen sollen dabei eine Schlüsselrolle spielen.

Das „Jahrbuch Ökologie“ befasst sich seit 25 Jahren mit ökologischen Krisen – und damit, wie diese überwunden werden können. Im Jahr 2022 haben die Herausgeber*innen ihren Fokus auf die großen Metropolen gerichtet. Der Titel des Buches nimmt die zentrale These vorweg: „Das Zeitalter der Städte – die entscheidende Kraft im Anthropozän.“

Das Wort Anthropozän beschreibt die geologische Epoche, in welcher der Mensch einen entscheidenden Einfluss auf das Erdsystem ausübt. Den Beginn verorten viele Wissenschaftler*innen um das Jahr 1950. Seitdem seien Massenproduktion, Massenkonsum und Massenmobilität schnell angewachsen, erklären die Pierre Ibisch, Michael Müller und Jörg Sommer im Vorwort des Buches.

Niedergang oder Befreiung

Darin wird ein düsteres Zukunftsszenario gezeichnet. Das wirtschaftliche Wachstum gelange an ökologische Grenzen. „Der Niedergang der Zivilisation ist eine denkbare Seite des Anthropozän“, schreiben die Herausgeber*innen. Ebenso sei es aber möglich, dass der Mensch sich aus den selbst geschaffenen Zwängen befreie. So oder so komme den Städten eine zentrale Rolle zu. Denn sie seien Treiber des Anthropozän. Deshalb liege bei ihnen auch der Schlüssel für die notwendige sozial-ökologischen Transformation. Das gelte insbesondere in der globalisierten Welt. „Während die Bindekraft des Nationalstaates abnimmt, bildet sich weltweit eine ‚Metropolenkultur‘ heraus, die sich ihrer Kraft bewusst wird“, stellen die Autor*innen fest. Städte würden sich in wichtigen Fragen oft früher engagieren als nationale Regierungen: beim Klimaschutz, der Integration, dem Kampf für Demokratie und Populismus oder auch für Gesundheit, Bildung und nachhaltige Mobilität.

Auf diesen Grundgedanken fußt der Sammelband. Er vereint mehr als 30 Beiträge von Autor*innen aus Wissenschaft, Politik und Verbänden. Darunter auch prominente Namen wie die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) oder der ehemalige Fraktionschef der Grünen im Bundestag Anton Hofreiter. Das Buch bietet eine Bestandsaufnahme und geht der Frage nach, wie eine nachhaltige Stadtentwicklung aussehen kann.

Digitalisierung als Werkzeug

Auch die Bundes-SGK hat einen Text beigesteuert. Darin weisen Andrea Franz und Manfred Sternberg auf die Potenziale der Digitalisierung hin. Ein Digitalisierungsschub sei notwendig, zum Beispiel um ein dezentrales Energieerzeugungssystem zu errichten, in dem jedes Haus nicht nur Energie verbraucht, sondern auch erzeugt. Im letzten Kapitel kommen Akteur*innen aus Städten in Deutschland und der ganzen Welt zu Wort, die erklären, was ihre Kommune bereits unternimmt.

Trotz der kompetenten Autor*innen ist das Buch nicht durchweg ein Lesegenuss. Manche Beiträge sind aufschlussreich, andere verharren steckenweise in Allgemeinplätzen. Zudem sind die Texte teils redundant, weil immer wieder aufs Neue erklärt wird, warum mehr Nachhaltigkeit nötig ist. Eine klarere Struktur wäre wünschenswert gewesen. Ein wichtiges Buch ist es dennoch, weil es in der Nachhaltigkeitsdebatte die Aufmerksamkeit auf die Gestaltungskraft der kommunalen Ebene lenkt – und das zu Recht.

Heike Leitschuh, Achim Brunnengräber u. a. (Hrsg.)
Das Zeitalter der Städte.
Die entscheidende Kraft im Anthropozän
(Jahrbuch Ökologie 2022)
S. Hirzel-Verlag 2022, 344 Seiten, 24,00 Euro,
ISBN: 978-3-7776-3032-8

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