Folgen des Ukraine-Krieges

Städtetag zur Aufnahme von Geflüchteten: „Müssen uns besser abstimmen“

Uwe Roth30. März 2022
Willkommenszelt für Geflüchtete am Berliner Hauptbahnhof: Der Städtetag sieht Koordinierungsbedarf bei der Verteilung.
Der Deutsche Städtetag fordert verbindliche Absprachen mit Bund und Ländern für den Umgang mit Geflüchteten aus der Ukraine. Das betreffe die schnelle Verteilung und Registrierung der Geflüchteten, ihre Integration und die Kostenübernahme.

Der Deutsche Städtetag wird am Freitag im geplanten Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz einen Flüchtlingsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen einfordern. Städtetagpräsident Markus Lewe sagte nach einer Präsidiumssitzung am Mittwoch in einer Online-Pressekonferenz, es gebe „einen großen Koordinierungsbedarf“ bei der Verteilung der Menschen aus den ukrainischen Kriegsgebieten innerhalb Deutschlands. Weil die Flüchtlingsbewegung eine hohe Dynamik habe, „müssen wir uns aber in Deutschland auch besser abstimmen“, sagte er und erklärte weiter: „Wir brauchen verbindliche Absprachen für die schnelle Verteilung und Registrierung der Flüchtlinge, für die Integration und die Kostenübernahme.“

Bund, Länder und Kommunen sollten sich drauf verständigen, dass Ankommende auch in den ländlichen Räumen eine Bleibe finden und nicht nur in Großstädten mit einer guten Verkehrsinfrastruktur. Diese würden aktuell von den Heimatlosen als Ziel ihrer Flucht bevorzugt. Auch große Städte im Osten des Bundesgebiets seien stark belastet, sagte Lewe, weil die Menschen in relativer Nähe zu ihrer Heimat bleiben wollten. Solche Städte beherbergten schon jetzt mehr Menschen, als sie nach dem Königsteiner Schlüssel müssten.

Leerstehende Wohnungen schnell nutzbar machen

Werde kein Gleichgewicht zwischen Stadt und Land hergestellt, „stoßen wir an unsere Grenzen“, zeigte sich der Städtetag-Vertreter angesichts des schon bestehenden Mangels an Wohnraum überzeugt. Der Städtetag fordert „eine gemeinschaftliche Initiative, die verfügbaren Wohnraum schnell nutzbar macht und zusätzlich dauerhaften Wohnraum schafft.“ Kurzfristig geht es darum, den vorhandenen Leerstand zu nutzen und leerstehende Wohnungen wieder herzurichten. Bestehende Förderprogramme für den Wohnungsbau müssten dem angepasst werden. Ebenso das Baurecht: So solle eine Unterbringung der Geflüchteten in Gewerbegebieten möglich werden.

Schlüssel für eine gerechte Verteilung auf sämtliche Kommunen sei eine möglichst vollständige und unbürokratische Registrierung der Angekommenen. Ein erster positiver Schritt dazu sei, dass mobile Teams des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die Kommunen unterstützten. Doch aus Sicht von Lewe ist der Ablauf einer Registrierung längst nicht optimal. „45 Minuten pro Person ist für eine vereinfache Registrierung immer noch deutlich zu lang.“ Viele geflüchtete Menschen hätten bereits biometrische Pässe, so dass an ihrer Identität kein Zweifel bestehe. „Zumindest für diese Gruppe sollte die Registrierung weiter vereinfacht werden. Dann würde es viel schneller gehen", forderte Lewe.

Die Städtetags-Vertreter werden im Kanzler-Gespräch die Kostenfrage ansprechen. „Wir erwarten eine Vollentlastung der Städte“, sagte der Stellvertreter von Lewe, Oberbürgermeister Ulf Kämpfer aus Kiel. Dazu zähle nicht allein eine Entlastung von den Kosten für die Unterbringung, sondern ebenso für das zusätzlich benötigte Personal in den Schulen und im Kita-Bereich. Mindestens ein Drittel der Ankommenden seien Kinder und Jugendliche. Diese müssten umgehend durch die Aufnahme in einem Kindergarten oder in einer Schule integriert werden.

Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern

Kämpfer plädierte außerdem dafür, den geflüchteten Menschen Zugang zu den Sozialleistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch II zu verschaffen. Seine Begründung lautete: „Die Geflüchteten können von Anfang an in Deutschland arbeiten. Damit das gelingt, brauchen wir aber auch die üblichen arbeitsmarktpolitischen Instrumente, wie Sprachkurse und Qualifizierung.“ Deshalb wäre es ein guter Weg, wenn für die Geflüchteten aus der Ukraine das Sozialgesetzbuch II gelte. Damit werde ihnen eine Qualifikation zur Arbeitsaufnahme ermöglicht und der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert. „Und den Menschen kann mit Leistungen der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung geholfen werden, wenn es nötig ist“, so Kämpfer.

Der Städtetag rechnet inzwischen nicht mehr mit 400.000, sondern mit einer Million Flüchtenden. Welche Kosten er auf die Kommunen zukommen sieht, wollte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy nicht sagen. „Die Kostenfrage werden wir nicht beantworten können. Mit Zahlen zu spekulieren, ist nicht dienlich. Wir rechnen aber mit der vollen Unterstützung des Bundes und der Länder.“

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