Präsidiumssitzung

Städtetag sieht Ausbau der Ganztagsbetreuung in Gefahr

Carl-Friedrich Höck22. September 2020
Bis 2025 soll es einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter geben.
Um den geplanten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung umzusetzen, soll eine Ausbildungsoffensive gestartet werden. Das fordert der Deutsche Städtetag auf seiner Präsidiumssitzung in Mannheim. Der Verband plädiert zudem für Maßnahmen gegen Immobilien-Leerstand in Innenstädten.

In Deutschland soll ab 2025 ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter in Kraft treten. So haben es SPD und Union im Bund vereinbart. Der Deutsche Städtetag sieht dieses Ziel jedoch in Gefahr und fordert unter anderem eine Ausbildungsoffensive. Das vermeldet der kommunale Spitzenverband nach einer Präsidiumssitzung in Mannheim.

„Brauchen realistischen Zeitplan”

Städtetags-Vizepräsident Eckart Würzner verweist darauf, dass die Städte schon jetzt händeringend nach Erzieher*innen und Sozialpädagog*innen suchen. Es sei daher faktisch unmöglich, bis 2025 eine hochqualitative Betreuung für den größten Teil der Grundschüler anzubieten. Würzner mahnt: „Wir brauchen einen realistischen Zeitplan, ausreichend Geld und eine Ausbildungsoffensive für das pädagogische Personal. Sonst gelingt der Rechtsanspruch nicht.“

Der Rechtsanspruch müsse zudem als gesamtgesellschaftliche Aufgabe von Bund und Ländern finanziert werden. Insgesamt müssten eine Million zusätzliche Plätze geschaffen werden. Die dazu benötigten Investitionskosten beziffert der Städtetag auf 7,5 Milliarden. Hinzu kämen jährliche Betriebskosten von 4,4 Milliarden Euro.

Die vom Bund eingeplanten Mittel decken laut Städtetag nur einen Bruchteil dieser Summen: Dieser habe bisher zwei Milliarden Euro zugesagt und für die Kinderbetreuung noch einmal 1,5 Milliarden in Aussicht gestellt.

Bund rechnet mit niedrigeren Kosten

In diesen Zahlen noch nicht berücksichtigt sind Mittel, die die Länder beisteuern. Der Bund rechnet zudem mit niedrigeren Kosten. Auf der Homepage des Bundesfamilienministerums wird auf Berechnungen des Deutschen Jugendinstituts verwiesen. Demnach lägen die Investitionskosten bei einer Betreuungsquote von 75 Prozent zwischen 4,4 und 6,5 Milliarden Euro. Für die Betriebskosten müssten pro Jahr zwischen 2,6 und 3,9 Milliarden Euro veranschlagt werden. Das Ministerium verweist außerdem darauf, dass als Folge des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung sinkende Sozialausgaben zu erwarten seien. (Stand Januar 2020)

Die Städte fordern, dass sie bei den weiteren Gesprächen zwischen Bund und Ländern zum Ausbau der Ganztagsbetreuung „endlich mit an den Tisch“ dürfen, wie Vizepräsident Würzner sagte. Schließlich müssten die Städte den Rechtsanspruch vor Ort sicherstellen.

Zweifel äußerte Würzner auch am vorgesehenen Zeitplan. „Wir schlagen vor, den Betreuungsanspruch frühestens 2025 für Schulkinder in der ersten Klasse einzuführen und dann mit den weiteren Schuljahren auszubauen. Auch über Betreuungszeiten müssen wir sprechen.“ Ein Angebot an allen Wochentagen bis in den späten Nachmittag hinein werde nicht überall gleich zu Beginn möglich sein. Viele Horte und Schulen müssten umgebaut, ausgebaut oder sogar neu gebaut werden.

Konzepte gegen Leerstand in Innenstädten

Ein weiteres Thema auf der Präsidiumssitzung war die Angst vor verödenden Innenstädten. Der zunehmende Online-Handel gefährdet die Geschäftsgrundlage der stationären Geschäfte. „Die Corona-Pandemie wirkt wie ein Katalysator“, meint Städtetags-Präsident Burkhard Jung. Viele Kaufhäuser seien in den vergangenen Jahren geschlossen worden. Handelsketten, vor allem aus der Textilbranche, gäben zunehmend Läden auf. Auch die Gastronomie verliere Kunden.

„Leerstände in Fußgängerzonen und auf Einkaufsmeilen dürfen sich bundesweit nicht vermehrt ins Bild drängen“, sagt Jung. Negative Dominoeffekte für das Umfeld müssten verhindert werden.

Runder Tisch geplant

Das soll nach dem Willen der Städte mit ganzheitlichen Konzepten gelingen, bei denen alle Beteiligten eingebunden werden. Also die Immobilienwirtschaft, Mieterverbände, Handel und Gastronomie, Handwerk, Kunst, Kultur und Tourismusverbände sowie Bund und Kommunen. Der Bund hat bereits für Oktober zu einem Runden Tisch geladen, der sich mit der Problematik befassen soll.

„Für innovative Innenstadtkonzepte sollte die Städtebauförderung von Bund und Ländern von derzeit 790 Millionen Euro jährlich deutlich aufgestockt werden“, fordert Burkhard Jung. Bund und Länder sollten den Kommunen außerdem ermöglichen, relevante Schlüsselimmobilien vorübergehend zu erwerben, zum Beispiel aufgegebene Kaufhausfilialen. „Dann können wir diese Immobilien für die Zentren neu entwickeln“, so Jung.

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