Bundestagswahl

Das steht im SPD-Zukunftsprogramm über die Kommunen

Carl-Friedrich Höck02. März 2021
Olaf Scholz während der digitalen Pressekonferenz zum Zukunftsprogramm
Die SPD hat den Entwurf für ihr Zukunftsprogramm vorgestellt, mit dem sie in den Bundestagswahlkampf ziehen will. Die Städte, Gemeinden und Kreise spielen auch hier eine wichtige Rolle. Wir dokumentieren Auszüge aus dem Programm.

Am Montag haben die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans gemeinsam mit dem designierten Kanzlerkandidaten Olaf Scholz den Entwurf für das Zukunftsprogramm der SPD vorgestellt. Dieses soll jetzt in einem Diskussionsprozess noch weiter geschärft und am 9. Mai auf einem digitalen Parteitag beschlossen werden. Im Folgenden dokumentieren wir Auszüge aus dem Zukunftsprogramm-Entwurf, die Deutschlands Kommunen betreffen.

Zukunftsmission I: Klimaneutrales Deutschland

„In einem Zukunftspakt zwischen Bund, Ländern, Kommunen und kommunalen Spitzenverbänden vereinbaren wir verbindliche Ausbaupfade für die erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind. Damit die Energiewende vor Ort zur Win-Win-Situation für alle wird, laden wir Bürger*innen und Gemeinden zum Mitmachen ein, indem wir Mieterstrom und gemeinschaftliche Eigenversorgung stärken, kommunale Beteiligungsmodelle fördern und nachhaltige Strom-Anleihen auflegen. Wir wollen dafür sorgen, dass alle dazu geeigneten Dächer von öffentlichen Gebäuden und gewerblichen Neubauten eine Solar-Anlage bekommen.“

Zukunftsmission II: Modernstes Mobilitätssystem Europas

„Wir werden die Verkehrswende voranbringen und bis 2030 das modernste und klimafreundlichste Mobilitätssystem Europas aufbauen. Das ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, zu der die Bundesregierung ihren Beitrag leisten wird, die aber auch Länder und Kommunen in die Pflicht nimmt. Unser Ziel ist eine Mobilitätsgarantie: Jede*r Bürger*in soll einen wohnortnahen Anschluss an den öffentlichen Verkehr haben. Das schaffen wir mit innovativen und digitalen Angeboten.

Wir werden einen Mobilitätsplan 2030 auf den Weg bringen, der den Öffentlichen Personennahverkehr und den Schienenverkehr auf ein neues Niveau bringt. Der Bund wird durch Austauschprogramme seinen Beitrag leisten, damit alle neuen Busse und Bahnen bis 2030 in den Kommunen klimaneutral fahren und die vorhandenen Flotten modernisiert sind. Förderprogramme sollen Kommunen dabei unterstützen, in Städten mehr Fläche für öffentlichen Verkehr, Fußgänger und Radfahrer zu schaffen.

An Knotenpunkten werden wir die Einrichtung von barrierefreien Mobilitätsstationen für nachhaltige urbane Mobilität fördern, damit möglichst viele vom Auto auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umsteigen. Wir werden eine nationale Leitstelle Mobilität einrichten, die die Erarbeitung regionaler Mobilitätspläne unterstützt und die Beteiligung vor Ort sicherstellt.“

Zukunftsmission III: Digitale Souveränität in Deutschland und Europa

„Unser Ziel ist ein moderner, bürgernaher Staat, der allen Bürger*innen einen einfachen, digitalen Zugang zu seinen Dienstleistungen bietet. Wir werden daher die Verpflichtung von Bund, Ländern und Kommunen zur Bereitstellung digitaler Verwaltungsdienstleistungen ausbauen, damit alle Verwaltungsleistungen möglichst schnell auch digital verfügbar sind. Jede*r Bürger*in sollte ohne Zusatzkosten und Extra-Geräte die Möglichkeit haben, diese Leistungen freiwillig und datenschutzkonform mit einer digitalen Identität zu nutzen. Wer Anspruch auf eine Leistung hat, soll sie automatisch ohne einen gesonderten Antrag bekommen.“ (…)

„Daten sollen für gemeinwohlorientierte digitale Dienstleistungen nutzbar gemacht werden und nicht nur wenigen großen Daten-Monopolisten zur Verfügung stehen. Wir werden ein Datengesetz schaffen, das das Gemeinwohl in den Mittelpunkt rückt. Dafür werden wir eine vertrauenswürdige Daten-Teilen-Infrastruktur fördern, öffentliche Datentreuhänder einrichten und gleichzeitig dafür sorgen, dass die großen Konzerne ihre Daten für gemeinwohlorientierte Ziele teilen müssen. Das dient auch den Städten und Kommunen, die die Daten von Airbnb über Vermietungen genauso erhalten müssen wie die Verkehrsdaten von Google Maps oder Uber. Wo Städte Aufträge vergeben, müssen sie darauf bestehen können, dass die Daten, die im Rahmen des Auftrages erhoben werden, wieder an sie zurückfließen.

Online-Handel und Plattformökonomie verändern den Handel dramatisch, mit negativen Auswirkungen für unsere Innenstädte. Damit nicht nur die großen Digitalkonzerne profitieren werden wir Plattformen für den regionalen Handel und regionale Dienstleistungen fördern.“

Zukunftsmission IV: Update für die Gesundheit

„Der öffentliche Gesundheitsdienst braucht eine bessere Ausstattung mit einer digitalen Infrastruktur – Hardware ebenso wie Software. Wir wollen die Potenziale der Digitalisierung für die Verbesserung von Diagnosen und für die flächendeckende gesundheitliche Versorgung entschlossener nutzen. Für uns ist aber klar: Die Digitalisierung wird unser hervorragendes und engagiertes medizinisches Personal nicht ersetzen.“

Wie wir eine zukunftsfähige Wirtschaft fördern wollen

„Die Investitionen der öffentlichen Hand in wichtige Zukunftsfelder haben eine zentrale Bedeutung. Wir werden das, in der letzten Legislaturperiode von der SPD durchgesetzte hohe Investitionsniveau des Bundes mit mindestens 50 Milliarden Euro pro Jahr, weiter fortsetzen und dazu beitragen, dass sich alle staatlichen Ebenen mit großer Investitionskraft beteiligen. Ein zentraler Akteur beim Investitionsgeschehen sind die Kommunen – ihre Investitionskraft müssen wir erhalten und stärken. Im Zuge der Corona-Pandemie haben wir bereits weitere Schritte getan, um Kommunen von Sozialausgaben zu entlasten. Ein noch nötiger Schritt ist, den besonders hoch verschuldeten Kommunen einmalig hohe Altschulden abzunehmen.

In Deutschland werden gegenwärtig jährlich über 300 Milliarden Euro im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe umgesetzt. Gerade die öffentliche Hand muss als großer Nachfrager von Produkten und Dienstleistungen Verantwortung übernehmen. Wir werden die öffentliche Beschaffung so ausrichten, dass sie Innovationsimpulse setzt und den Zielen des sozial-ökologischen Wandels dient. Hierfür sollten die Vergabekriterien stärker auf Innovation, Tarifbindung und klimafreundliche Nachhaltigkeit ausgerichtet werden.“

Für einander einstehen

Zum Thema Pflegeversicherung: „Mittelfristig streben wir eine Vollversicherung als Bürgerversicherung an, die alle pflegerischen Bedarfe und Leistungen abdecken. Damit reduziert sich der Eigenanteil für die Pflege noch einmal deutlich. Für uns ist es außerdem wichtig, dass Länder, Landkreise und Kommunen mehr Möglichkeiten erhalten, darüber zu entscheiden, wo und in welcher Trägerschaft Heime entstehen. Um ihren Sicherstellungsauftrag zu gewährleisten, müssen sie deutlich intensiver in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden.“ (…)

„Wir werden im Rahmen eines Modellprojektes des Bundes Dienstleistungszentren (DLZ) als Dreh- und Angelpunkte bestehender und neu zu schaffender Angebote gründen, und das gezielt in kleinen Städten und Gemeinden. Die DLZ vermitteln sozialversicherungspflichtig beschäftigte Pflegekräfte, medizinische und haushaltsnahe Dienstleistungen, sie erkennen fehlende Angebote, schaffen in Kooperation mit dem sozialen Arbeitsmarkt Abhilfe.“

Bezahlbar wohnen

„Unsere Bodenpolitik wird am Gemeinwohl orientiert. Bund, Länder und Kommunen sollen öffentliches Eigentum an Grundstücken sichern und vermehren, um die Spekulation mit Grund und Boden zu stoppen. Wir werden wo möglich dazu beitragen, dass kommunale Wohnbauflächen nicht veräußert werden, Flächen wo möglich zurückerworben werden und öffentliches Bauland nur auf dem Weg der Erbpacht abgeben wird. Mit der Schaffung von Bodenfonds erhalten Kommunen ein Instrument für die nachhaltige Stadtentwicklung und bezahlbaren Wohnungsbau. Wir werden die bislang nach einer Zehn-Jahres-Frist geltende Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne nicht selbst genutzter Grundstücke abschaffen. Wir werden die Eigentümerstrukturen über ein zentrales Immobilienregister transparent machen.“ (…)

„Die Corona-Pandemie verstärkt die Strukturveränderungen in unseren Innenstädten und Stadtteil-Zentren, vor allem im Einzelhandel, aber auch in der Gastronomie, im Hotelgewerbe und in der Kultur. Wir unterstützen die Städte dabei, die Innenstädte lebendig zu halten und notwendige Nutzungsänderungen mitgestalten zu können, unter anderem durch die Einführung eines Gewerbemietspiegels, effektiven Kündigungsschutzes und Mietpreisbegrenzungen. Ein besonderes Augenmerk werden wir auf die Entwicklung im ländlichen Raum legen.“

Gleichstellung verwirklichen

„Gleichberechtigung ist auch eine Frage der politischen Repräsentation. Darum setzen wir uns für Paritätsgesetze für den Bundestag, die Länder und Kommunen ein, damit Frauen und Männer in gleichem Maße an politischen Entscheidungen beteiligt sind.“ (…)

„Frauen und Paare, die sich in einer Konfliktsituation für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, brauchen Zugang zu Informationen und einer wohnortnahen, guten medizinischen Versorgung – das gilt ambulant wie stationär. Deshalb müssen Länder und Kommunen dafür sorgen, dass Krankenhäuser, die öffentliche Mittel erhalten, Schwangerschaftsabbrüche als Grundversorgung anbieten.“ (…)

„Das gesellschaftliche Leben muss auf allen Ebenen für Menschen mit Behinderung inklusiv gestaltet werden. Dabei ist Barrierefreiheit unverzichtbar. Wir werden vor allem die Kommunen bei dieser Aufgabe unterstützen. Der große Mangel an barrierefreien bzw. -armen Wohnraum muss behoben werden. Wir werden ein Bundesprogramm Barrierefreiheit initiieren, das über entsprechende Ressourcen verfügen muss.“

Kultur fördern

„Angesichts der existentiellen Bedeutung von Kunst und Kultur müssen wir uns als Gesellschaft darüber verständigen, was Kulturpolitik im 21. Jahrhundert heißt. Dafür wollen wir die kulturpolitischen Spitzengespräche zu einem bundesweiten Kulturplenum weiterentwickeln, in dem neben Kommunen, Ländern und Bund auch Produzent*innen von Kultur und ihre Verbände vertreten sind, um einen neuen Kulturkonsens zu erarbeiten.“

Sicher leben

„Wir unterstützen Kommunen dabei, gefährliche Orte sicherer zu machen. An Kriminalitätsschwerpunkten kann auch der Einsatz von Videoüberwachung zusätzliche Sicherheit bieten. Sie ersetzt aber weder klassische Polizeiarbeit vor Ort, noch überschätzen wir ihre präventive Wirkung. Gesichtserkennungstechnik als Überwachungsmaßnahme lehnen wir ab.“ (…)

„Wir haben in Deutschland ein leistungsfähiges Hilfesystem für Katastrophen. Das zeigt auch die Bewältigung der aktuellen COVID-19-Pandemie. Gleichzeitig zeigen sich hier neue wie bereits bekannte Herausforderungen: Cyberattacken, Desinformation und Terrorismus stellen erhebliche Bedrohungen dar, die schnell weite Teile Bevölkerung betreffen können. Wir sorgen dafür, dass Bund, Länder und Kommunen hier besser und vor allem schneller Hand in Hand arbeiten. Ehrenamtliche bilden das Herzstück dieser Strukturen – gerade im ländlichen Raum.“

Europa stärken

„Wir werden die Genfer Flüchtlingskonvention verteidigen. Pushbacks sind eine eklatante Verletzung des Völkerrechts. Seenotrettung ist eine Verpflichtung aus dem internationalen Seerecht und darf nicht kriminalisiert werden. Im Rahmen eines umfassenden Ansatzes sollten legale Migrationswege geschaffen und die Ursachen von Flucht und Vertreibung bekämpft werden. Wir werden eine Brücke zu lokalen Akteuren bauen und die Aufnahmebereitschaft von europäischen Kommunen und Städten fördern und unterstützen.“

Das komplette Programm können Sie hier als PDF herunterladen:

 

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