Finanzierung

Wo Straßenausbaubeiträge erhoben werden – und wo nicht

Carl-Friedrich Höck13. März 2019
Straßenbaumaßnahmen in Finsterwalde, Brandenburg
Es geht um die Frage: Was ist gerecht? In vielen Bundesländern wird über eine Abschaffung der Straßenausbaubeiträge diskutiert. Eine Übersicht.

Wer soll für die Sanierung oder den Ausbau einer Straße zahlen? Die Anlieger, die Kommune oder das Land? Darüber wird derzeit in mehreren Bundesländern kontrovers diskutiert.

Die Meinungsunterschiede gehen quer durch die Parteien. So hält die SPD in Rheinland-Pfalz an den Straßenausbaubeiträgen fest, die CDU will sie abschaffen. In Nordrhein-Westfalen ist es umgekehrt – hier drängen die Sozialdemokraten auf die Abschaffung der Beiträge.

Drei Wege zur Finanzierung von Straßenausbaumaßnahmen

Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, Baumaßnahmen zu finanzieren. Mit einmaligen Straßenausbaubeiträgen werden die Anwohnenden zur Kasse gebeten, wenn zum Beispiel eine Sanierung ihrer Straße ansteht. Der Vorteil dieser Regelung: Ein großer Teil der Kosten wird von denjenigen getragen, die auch am meisten von der Baumaßnahme profitieren. Denn eine neue Straße lässt oft den Grundstückswert steigen.

Soweit die Theorie. In der Praxis können die Straßenbaubeiträge persönliche Dramen auslösen. Wenn etwa Rentner ihr Leben lang für das Eigenheim gespart haben – als Teil der Altersvorsorge – und sie nun mit einem Schlag mehrere 10.000 Euro zahlen müssen. Nicht alle können solche Summen aufbringen.

Die zweite Variante soll solche Härtefälle vermeiden helfen: Die wiederkehrenden Straußenausbaubeiträge. Diese werden in regelmäßigen Abständen von allen Grundstückseigentümern innerhalb eines bestimmten Gebietes erhoben. Aus dem so gefüllten Topf werden bei Bedarf Straßenausbauarbeiten finanziert. Hohe Einmalzahlungen werden vermieden. Jedoch müssen die Hausbesitzer auch dann zahlen, wenn vor ihrer Haustür über längere Zeit gar keine Sanierungen stattfinden.

Manche Länder verzichten auf Straßenausbaubeiträge

Die dritte Option: Die Straßenausbauarbeiten werden komplett aus Steuermitteln finanziert. In mehreren Bundesländern ist das bereits der Regelfall. Anderswo können die Kommunen selbst entscheiden, ob sie Straßenausbaubeiträge erheben wollen oder nicht. Der Vorteil aus Sicht der Kommunen: Man erspart sich Proteste von betroffenen Bürgern, die sich gegen die Abgaben wehren.

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Für Immobilienbesitzer sind Einmalbeiträge oft eine große finanzielle Belastung. (c) Thomas Imo/photothek.net

Doch es gibt auch warnende Stimmen, die sich gegen eine reine Steuerfinanzierung aussprechen. Die Städte und Gemeinden verlören damit ein Stück Entscheidungsfreiheit, das gehe zulasten der Selbstverwaltung. Und es sei nicht gesichert, dass die Zuweisungen auf lange Sicht ausreichen, um die Straßen zu unterhalten. Zuweilen lehnen Verfechter der kommunalen Selbstverwaltung auch eine freiwillige Lösung ab – sprich: jede Kommune entscheidet selbst, ob sie Beiträge erhebt. Wo die Kommunen selbst über die Abgaben bestimmten, entstehe ein Wettbewerb um neue Bewohner, wird argumentiert. Nur reiche Kommunen könnten sich leisten die Beiträge abzuschaffen – die anderen würden weiter abgehängt.

Was gilt wo?

Den gesetzlichen Rahmen für Straßenausbaubeiträge geben die Bundesländer vor. Ein Überblick über die Situation in den Ländern:

Nordrhein-Westfalen: Die SPD-Fraktion hat im November 2018 beschlossen, dass sie die Beiträge abschaffen will. Das Land soll die Kosten übernehmen. Auch mehr als 42.000 Bürger haben sich mit einer Petition für die Abschaffung ausgesprochen. Die schwarz-gelbe Landesregierung will die Straßenausbaubeiträge beibehalten. Sie will jedoch über eine Novellierung der Regelungen nachdenken. Aktuell gilt eine sogenannte Soll-Regelung. Die Städte und Gemeinden sind also dazu angehalten, Straußenausbaubeiträge zu erheben.

Niedersachsen: In Niedersachsen gilt eine Kann-Regelung. Es liegt im Ermessen der Kommunen, ob sie Straßenausbaubeiträge erheben. Die FDP und Teile der Union sowie Bürgerinitiativen sprachen sich zuletzt für eine Abschaffung aus. Stattdessen hat sich die rot-schwarze Koalition Ende vergangenen Jahres auf eine Neuregelung verständigt. Diese sieht günstigere Kreditbedingungen für Anlieger vor. Die Rückzahlung der Beiträge kann künftig auf 20 bis 25 Jahre gestreckt werden, um soziale Härten abzufedern.

Hessen: Bis vor kurzem mussten defizitäre Kommunen die Straßenbaukosten zwingend auf die Anlieger umlegen. Im Mai 2018 hat das Landesparlament das Gesetz reformiert, nun gilt eine Kann-Regelung. Der SPD geht das nicht weit genug. Sie fordert die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. „Sie sind sozial ungerecht und spalten die Bürgerschaft in den Kommunen“, meint etwa der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Günter Rudolph.

Sachsen: Auch hier gilt eine Kann-Regelung. Bei Haushaltsnotlagen können die Kommunen aber auch zur Erhebung gezwungen werden. Rund 20 Prozent der Städte und Gemeinden stellen Anliegern Straßenausbaubeiträge in Rechnung.

Rheinland-Pfalz: CDU und FDP wollen die bestehenden Straßenausbaubeiträge abschaffen. Die SPD-geführte Landesregierung hält dagegen an den Beiträgen fest, die Sozialdemokraten plädieren für wiederkehrende Beiträge. Doch auch innerhalb der Parteien gibt es unterschiedliche Meinungen. Noch im August 2018 hatte die CDU sich im Landtag gegen die Abschaffung ausgesprochen. Umgekehrt wirbt etwa die SPD Koblenz für die Abschaffung der Anliegerbeiträge. Viele Kommunen erheben wiederkehrende Gebühren, um die Belastung für Anwohnende verkraftbar zu halten.

Schleswig-Holstein: Die Jamaika-Koalition hat die Pflicht, Straßenausbaubeiträge zu erheben, vor einem Jahr abgeschafft. Nun gilt eine Kann-Regelung. Rund 80 Prozent der Kommunen verzichten laut einer Recherche der Kieler Nachrichten auf die Beiträge. Seit 2012 haben Kommunen die Möglichkeit, wiederkehrende Beiträge zu erheben. Doch auch hierüber wird weiter diskutiert. Das Landesverwaltungsgericht hat im Januar dieses Jahres zwei Kommunen untersagt, alle Verkehrsanlagen zu einem Abrechnungsgebiet zusammenzufassen.

Brandenburg: Die rot-rote Landesregierung will die Straßenausbaubeiträge möglichst noch vor der Landtagswahl im September abschaffen. Zuvor hatte eine Volksinitiative mehr als 100.000 Unterschriften für die Abschaffung der Beiträge gesammelt. Unklar ist noch, wie die Finanzierung von Straßenausbauarbeiten künftig konkret geregelt sein soll.

Sachsen-Anhalt: Bisher sind wiederkehrende Straßenausbaubeiträge Pflicht. Außer der CDU wollen aber alle Parteien im Landtag die Beiträge abschaffen (das sind SPD, Grüne, AfD und Linke). Eine Volksinitiative hat nach eigenen Angaben mehr als 20.000 Unterschriften für die Abschaffung gesammelt. Die Christdemokraten, die den Ministerpräsidenten stellen, haben zuletzt vorgeschlagen, den Beitrag auf das Dreifache des Monatseinkommens der betroffenen Bürger zu deckeln.

Thüringen: Auch in Thüringen hat die rot-rot-grüne Regierung sich geeinigt, die Straßenausbaubeiträge abzuschaffen. Das soll rückwirkend zum 1. Januar 2019 geschehen. Bis ein entsprechendes Gesetz verabschiedet werden kann, will die Koalition jedoch noch ein Gutachten abwarten. Aufgrund der Ankündigung verzichten die Kommunen schon jetzt darauf, Beiträge zu erheben. Damit wollen sie unnötigen Verwaltungsaufwand vermeiden.

Mecklenburg-Vorpommern: Im Januar 2019 hat der Landtag beschlossen, die Straßenausbaubeiträge abzuschaffen. Ab 2020 dürfen die Beiträge nicht mehr erhoben werden. Schon jetzt zahlen Anlieger nicht mehr für Baumaßnahmen, die erst 2018 oder 2019 begonnen wurden. Für die Gegenfinanzierung wird die Grunderwerbssteuer leicht angehoben. Auch hier hatte zuvor eine Volksinitiative gegen die Beiträge protestiert.

Saarland: Die Kommunen können selbst entscheiden, ob sie Beiträge erheben. Die schwarz-rote Landesregierung hat zu Jahresbeginn beschlossen, dass es leichter werden soll, wiederkehrende Beiträge zu erheben. Das ist seit 2001 zwar generell möglich, aber wegen eines komplizierten Abrechnungssystems machen die Kommunen davon bisher kaum Gebrauch.

Bremen: In Bremen gilt eine Soll-Regelung. Die Beiträge werden hier einmalig erhoben.

Keine Straßenausbaubeiträge werden in Bayern (seit Januar 2018), Hamburg (seit 2016), Berlin (seit 2012) und Baden-Württemberg (noch nie) erhoben.

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