Berliner Straßengesetz

Streit um Regulierung von E-Scootern und Carsharing

Carl-Friedrich Höck03. September 2021
E-Scooter und andere Sharing-Fahrzeuge prägen den Berliner Straßenverkehr zunehmend.
Carsharing nur im Zentrum, mit E-Scootern blockiere Gehwege: das soll in Berlin bald ein Ende haben. Das Parlament will ein Straßengesetz verabschieden, das für einen Interessenausgleich sorgt. Doch es gibt Widerstand.

Die geplante Novelle des Berliner Straßengesetzes spaltet die Sharing-Branche. Manche Anbieter bräuchten das Gesetz dringend, andere bekämpften es. Der Verkehrsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses hat dem Gesetz bereits zugestimmt. Damit sollen Sharing-Angebote im öffentlichen Raum grundsätzlich als Sondernutzung definiert werden, sie würden also genehmigungspflichtig.

Grundlage ist das Carsharing-Gesetz

Aber der Reihe nach. Carsharing gilt als wichtiger Baustein der Mobilitätswende. Vor allem stationsbasierte Angebote können den Verkehr entlasten und dazu beitragen, dass Menschen auf ein eigenes Auto verzichten. Um das Konzept zu fördern, hat der Bund im Jahr 2017 ein Carsharing-Gesetz verabschiedet. Es ermöglicht den Kommunen, im öffentlichen Raum eigene Flächen für das Carsharing auszuweisen. Dafür benötigen die Fahrzeuge eine Sondernutzungsgenehmigung.

Die Berliner Gesetzesnovelle knüpft an das Bundesgesetz an und regelt die Einzelheiten. Manche Carsharing-Anbieter warten sehnlichst auf das neue Straßengesetz. Denn es schafft die rechtliche Grundlage, um die im Carsharing-Gesetz verankerten Privilegien tatsächlich nutzen zu können. Der Bundesverband Carsharing (bcs) teilt mit: „Gerade in der immer stärker verdichteten Berliner Innenstadt kann das Angebot nicht mehr wachsen, weil es keine zusätzlichen Flächen im privaten Raum mehr gibt. Die nun anstehende Änderung des Berliner Straßengesetzes würde diesen Zustand endlich beenden.“

Für stationsunabhängige Anbieter würde die Berliner Regelung dagegen eher eine Belastung bedeuten. Denn auch sie brauchen künftig eine Sondernutzungsgenehmigung. Somit könnten sie ihre Fahrzeuge nicht mehr unreguliert im öffentlichen Straßenland abstellen.

Stadt will Bedingungen vorgeben

Der Politik würden sich damit neue Spielräume eröffnen. Sie kann die Genehmigung an Bedingungen knüpfen. Etwa, dass ein Carsharing-Unternehmen auch die Außenbezirke abdeckt und sein Angebot nicht auf das lukrative Stadtzentrum beschränkt. Die Gesamtzahl der Fahrzeuge könnte ebenfalls reguliert werden. Das ist nicht zuletzt für die E-Mobilität von Bedeutung. Bisher hält der Ausbau öffentlicher Ladesäulen mit der steigenden Zahl elektrischer Leihwagen nicht Schritt. Wenn kommerziell betriebene Sharing-Fahrzeuge die Ladepunkte blockieren, stehen diese nicht mehr für andere Nutzer*innen zur Verfügung.

Die Gesetzesnovelle soll zugleich ein anderes Problem in den Griff bekommen, das viele Berliner*innen ärgert: Die Blockade der Gehwege durch E-Scooter und Leihfahrräder, die von Benutzer*innen achtlos abgestellt werden. Seit zwei Jahren erlebt die Sharing-Scooter-Branche einen Boom. Auch diese Anbieter müssten sich die Sondernutzung in Zukunft genehmigen lassen. Damit kann das Land Berlin sie zwingen, bestimmte Auflagen einzuhalten – zum Beispiel mehr Vorkehrungen zu treffen, damit die Roller anderen nicht im Weg stehen.

Branche im Zwiespalt

Dass Berlin neben dem stationsbasierten Carsharing auch alle anderen Angebote genehmigungspflichtig mache, sei in Deutschland bisher einmalig, erklärt der Bundesverband Carsharing. Geschäftsführer Gunnar Nehrke sagt, der Verband finde es nachvollziehbar, dass die Länder und Kommunen die Hoheit über den öffentlichen Raum und seine Nutzung als Bereitstellungsort für Sharing ausüben wollen. „Unsere Erfahrungen mit der Genehmigungspflicht für das stationsbasierte Carsharing in vielen anderen Bundesländern zeigen: Ob Carsharing und Sharing im Allgemeinen gefördert werden, entscheidet sich nicht an der Frage der Genehmigungspflicht – sondern daran ob Genehmigungen in ausreichender Zahl erteilt und die entsprechenden Nutzungs- und Parkgebühren realistisch angesetzt werden.“ Dafür müsse die Branche streiten.

Schärfere Töne kommen aus einem anderen Lobbyverband: der Plattform Shared Mobility (PSM). Wie der Berliner Tagesspiegel berichtet, hält er das geplante Berliner Straßengesetz für rechtswidrig. Sofern das Gesetz am 16. September vom Abgeordnetenhaus beschlossen wird, könnte es demnach vor Gericht landen.