Förderprogramme für Kommunen

Warum strukturschwache Kommunen benachteiligt sind

Karin Billanitsch18. August 2020
Der Bau von Radwegen wird oft mit Hilfe von Fördermitteln bezahlt.
Städte, Landkreise und Gemeinden müssen oft auf Förderungen verzichten, weil ihnen Eigenmittel fehlen. Ein Diskussionspapier fordert alternative Ansätze bei den Programmen. Der Städte- und Gemeindebund spricht sich für mehr Flexibilität aus.

Es klingt paradox, was ein Papier des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung und der Wüstenrot-Stiftung besagt: Gerade kleine und finanzschwächere Kommunen können sich Fördermittel häufig gar nicht leisten. „Sie scheitern nicht nur an den zeit- und personalintensiven Antragsverfahren, sondern vor allem am geforderten finanziellen Eigenanteil“, heißt es in der aktuellen Untersuchung.

Kritik an „Förderkorsett“

Die Autoren haben Förderprogramme von Land, Bund und Europäischer Union in den Blick genommen und dazu auch kommunale Vertreter befragt. So mancher habe die Situation als „Förderkorsett“ beschrieben, dass nicht nur vorgebe, wie die Fördermittel zu verwenden seien, sondern auch beeinflusse, wofür die Kommunen ihr eigenes Geld ausgeben. „Das Fördersystem lenkt die Kommunen so doppelt von ihren eigentlichen Prioritäten ab – weil sie eher Maßnahmen umsetzen, die gefördert werden, und sie zudem dringend notwendige Investitionsvorhaben zurückstellen, um mit dem gesparten Geld den Eigenanteil aufbringen zu können“, fasst Manuel Slupina vom Berlin-Institut zusammen.

Wer schon viel hat, dem wird noch mehr gegeben?, ist der Titel des neuen Diskussionspapiers des Berlin Instituts und der Wüstenrot Stiftung.

Das wirft ein Schlaglicht auf ein grundsätzliches Problem, das damit einhergeht: Regionale Unterschiede werden so eher verstärkt, als abgebaut – und diese Kluft könnte sich infolge der Corona-Pandemie sogar noch vergrößern, befürchten die Autoren. Dabei ist es ein erklärtes Ziel der Bundesregierung, für „gleichwertige Lebensverhältnisse“ in allen Teilen des Landes zu sorgen. Doch so, wie sich die Fördersituation derzeit darstellt, schaffen Förderprogramme gerade nicht einen Ausgleich zwischen den finanziell gut gestellten und den klammen Kommunen. Diesen Schluss lässt jedenfalls die Untersuchung zu.

Fördermittel – die Ausnahme wird zur Regel

Eigentlich sollten Fördermittel nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen, um neue Entwicklungen anzustoßen oder Missstände zu beheben. Sie seien nicht dafür gedacht, generell die Finanzkraft der Kommunen zu stärken, macht das Berlin-Institut deutlich. „Doch Fördermittel sind längst Teil der Regelfinanzierung geworden“, sagte Frederick Sixtus, Mitautor des Papiers. „Und mit jedem weiteren Programm steigt die Abhängigkeit der Kommunen von diesen Zuweisungen“ moniert er weiter. Der Anteil Förderungen von Bund, Land und EU an der Finanzierung kommunaler Investitionen ist laut Mitteilung zuletzt immer gestiegen – von 19 Prozent im Jahr 2016 auf 27 Prozent im Jahr 2018.

Uwe Zimmermann, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, sagte zu der Veröffentlichung: „Die Studie des Berlin-Instituts zeigt erneut, dass Fördermittel alleine die kommunalen Finanzprobleme nicht lösen und Gleichwertigkeit in allen Regionen nicht sichern können.“ Zimmermann forderte: „Wir brauchen eine von Ländern und Bund nachhaltig abgesicherte kommunale Finanzausstattung, mit der die Gemeinden alle ihre Aufgaben erledigen und im nötigen Umfang investieren können!“ Dazu müssten die gemeindliche Steuerkraft gestärkt und die Kommunen von Sozialausgaben weiter entlastet werden. „Das Konnexitätsprinzip ‚Wer bestellt, der bezahlt‘ muss umfassend verwirklicht werden, auch bei der Umsetzung von EU-Vorgaben.“

Zimmermann: „Global-Budgets in der Regionalförderung sind der richtige Ansatz“

Förderprogramme könnten als Zusatz mehr Gleichwertigkeit fördern, indem diese zielgenau und für finanzschwache Kommunen zugänglich und ohne Ko-Finanzierungspflicht für diese ausgestaltet werden, meint Zimmermann. „Kein Investitionsprojekt darf an einer fehlenden kommunalen Ko-Finanzierungsmöglichkeit scheitern!” Das müssten Länder und Bund sicherstellen.

Zimmermann forderte, Bürokratie und Goldene Zügel müssten zurückgeschnitten werden, und sprach sich dafür aus, mehr kommunale Entscheidungsfreiheit, Flexibilität und Pauschalierungen zu ermöglichen. „Global-Budgets in der Regionalförderung sind dafür ein richtiger Ansatz. Die Förderregeln müssen auch für kleine Gemeinden umsetzbar sein.“

Appell an Fördermittelgeber

Die Autoren wollen mit dem Diskussionspapier auch aufzeigen, dass mit angepassten Instrumenten selbst klamme Kommunen bedarfsgerecht unterstützt werden können – auch und gerade in der COVID-19-Krise. Sie haben einige Punkte als Empfehlungen zusammengetragen, gerichtet an die Förderer, aber auch an die Kommunen. Eine Hilfe wären höhere Förderquoten, wie sie demnach schon einige Programme für nachweislich finanzschwachen Kommunen bieten. Vorteile könnte es auch haben, manchmal  mehrere Förderungen zu kombinieren. Und sie weisen darauf hin, dass einige Länder Kofinanzierungshilfen oder Kommunalfonds eingerichtet haben, die einen Teil der kommunalen Eigenleistung finanzschwacher Kommunen übernehmen. Außerdem erlauben es manche Förderrichtlinien, den Eigenanteil wenigstens teilweise durch Personal- und Sachleistungen zu erbringen, heißt es.

An die Förderer richten die Studienautoren den Appell, Alternativen zum Eigenanteil entwickeln, beim Eigenanteil auch finanziell zu helfen, ihn zu senken oder unter Umständen ganz zu streichen.

Mehr Informationen
berlin-institut.org

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