Kommunales Ehrenamt in NRW

Studie: Großer Einsatz ehrenamtlicher Kommunalpolitiker

Karin Billanitsch27. September 2017
Sitzungen im Rat und in Ausschüssen, Fraktionssitzungen, individuelle Vorbereitung und Vorbesprechungen – ein kommunales Mandat auszuuüben nimmt viel Zeit in Anspruch.
Eine Studie der Ruhr-Universität Bochum hat im Auftrag des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes NRW das kommunale Ehrenamt unter die Lupe genommen. Ein Ergebnis: Der Zeitaufwand ist mit durchschnittlich 30 Stunden im Monat erheblich und viele Mandatsträger verzichten dabei auf den Großteil der vorgesehenen finanziellen Entschädigungen und Freistellungsregelungen. Jüngere Mandatsträger mit kleinen Kindern sind in den Räten und Kreistagen unterrepräsentiert.

Der typische kommunale ehrenamtliche Mandatsträger ist älter als der Bevölkerungsdurchschnitt (über 55 Jahre), sehr gut ausgebildet und – überwiegend –männlich. Dies sind Ergebnisse einer Studie, die die Bochumer Ruhr-Universität im Auftrag des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes NRW durchgeführt hat. Professor Jörg Bogumil hat untersucht, wie die Kommunalpolitiker und-politikerinnen gestrickt sind – und dabei auch einige überraschende Kenntnisse zutage gefördert.

Viele verzichten auf finanzielle Entschädigung

Denn obwohl 70 Prozent der kommunalen Politiker in Stadt- Kreis- und Gemeinderäten erwerbstätig oder selbstständig sind, bringen sie zusätzlich 30 Stunden Freizeit im Monat für das Ehrenamt auf  – und verzichten dabei auf den Großteil der gesetzlich vorgesehenen finanziellen Entschädigungen und Freistellungsregelungen. Aus Sicht der Deutschen Städte- und Gemeindebundes zeigt die repräsentative Studie, „was die vielen kommunalen Mandatsträger leisten und was für ein Respekt ihnen gebührt.“

In der Studie wurden zunächst die Arbeitszeiten unter die Lupe genommen: Über Zweidrittel der befragten Erwerbstätigen und Selbstständigen in Kreisen und Städten geben an, dass sie flexible Arbeitszeiten haben. Nur etwas über 20 Prozent haben starre Arbeitszeiten. Dieser Anteil liegt deutlich über dem Anteil flexibler Beschäftigungen in der Bevölkerung. Ohne ein gewisses Maß an freier Zeiteinteilung ist ehrenamtliches politisches Engagement, so scheint es, kaum möglich.

Wachsende Aufgabenvielfalt, mehrere Ämter

Dass der zeitliche Aufwand für Ehrenamtler steigt, spiegelt die wachsende Aufgabenvielfalt in den Kommunen,  besonders in Kreisen und kreisfreien Städten. Als entscheidende Zeitfaktoren erweisen sich vor allem Tätigkeiten mit direktem Bezug zum Mandat  – Ratssitzungen und Ausschusstreffen, Fraktionssitzungen, individuelle Vorbereitung und Vorbesprechungen – die über 2/3 des Gesamtzeiteinsatzes ausmachen.

Die Auswertung der offenen Antworten zeigt, dass die zeitliche Belastung sogar noch erheblich höher sein kann, wenn noch weitere Ämter oder Mandate hinzukommen: Ratsmitglieder sind durchschnittlich in 3,1 Ausschüssen Mitglied und in weiteren 3,6 Ausschüssen Stellvertreter (Kreistagsmitglieder 2,4 bzw. 2,8). Neben Funktionen im direkten Zusammenhang mit dem Mandat sind mehr als die Hälfte der Mandatsträger (Kreise 68,1%) in sonstiger ehrenamtlicher Funktion wie Sportvereine, Kirchen oder Verbände tätig.

Freistellungsregeln werden kaum genutzt

Zum ersten Mal seit Jahrzehnten fragten die Forscher in der Studie auch nach der (Nicht)-Nutzung von Freistellungsregeln: Insgesamt gesehen nutzen weniger als die Hälfte der erwerbstätigen Mandatsträger Freistellungsregelungen (45,3 Prozent). Sei es, weil sie gar keinen Antrag gestellt haben, einen gestellt, aber nicht in Anspruch genommen haben oder die Freistellung weder gestattet, noch in Anspruch genommen wurde. Die letzte Variante deutet auf potenzielle Konflikte mit dem Arbeitgeber hin. Solche Verweigerungen kommen allerdings demnach recht selten vor, in etwas über vier Prozent der Fälle. Allerdings lassen die Ergebnisse auch den Schluss zu, dass manche von ihren Rechteneben gar keinen Gebrauch machen, um offene Konflikte mit dem Arbeitgeber von vorneherein zu vermeiden.

Alle Mandatsträger und -trägerinnen wurden auch gefragt, ob sie die gesetzlichen Verdienstausfallregelungen in Anspruch nehmen würden. Ergebnis: Insgesamt nutzen etwas über 15 Prozent der Ratsmitglieder diese Regelungen. Die Selbstständigen sind mit 70 Prozent die größte Gruppe. Die Möglichkeit, Kinderbetreuungskosten zu ersetzen, wird nicht in Anspruch genommen. Auch die Regelung zur Haushaltsführung bei Pflege wird nur relativ selten genutzt. Ein Fazit der Autoren der Studie lautet. „Beim Verdienstausfall bleibt dem Steuerzahler einiges an Kosten erspart.“

Probleme der Vereinbarkeit von Mandat, Beruf und Famlilie

Probleme des kommunalen Ehrenamtes fördert die Studie dann zutage, wenn die Befragten freie Anmerkungen etwa zu ihrem Alltag, der Vereinbarkeit des Mandats, des Berufs und der Familie, äußern konnten. So fühlen sich einige Kommunale von ihren Arbeitgebern beschränkt. So heißt es etwa: „Viele Arbeitgeber erwarten, dass man sich seine Zeit von alleine schon für die Sitzungen freischaufelt um eine Freistellung zu vermeiden. Darüber wird aber offen nicht gesprochen.“ In einigen Zitaten wird sogar über Mobbing gesprochen, wenn ein Gemeinderat seine Rechte nutzt. Deutlich wird auch, dass manche zwar dank flexibler Arbeitszeiten früher gehen können, aber sie arbeiten die Stunden nach – was sie stärker belastet. Jüngere Mandatsträger mit kleinen Kindern sind in den Räten und Kreistagen ohnehin unterrepräsentiert.

Aus Sicht des DStGB ist das ehrenamtliche Engagement hunderttausender ehrenamtlicher Kommunalpolitiker, Bürgermeister, aber auch Feuerwehrmänner und -Frauen „unverzichtbarer Baustein der kommunalen Daseinsvorsorge“. Die vielen Menschen sorgten dafür, dass „die Demokratie vor Ort lebt und die Gemeinschaft vor Ort gestärkt wird“. Deshalb fordert der Verband, alles müsse darangesetzt werden, „das ehrenamtliche Engagement weiter zu stärken, zu stützen und die Betroffenen vor Überforderung und insbesondere vor zunehmenden Angriffen und Hasskriminalität besser zu schützen.“

Die Studie kann im Internet heruntergeladen werden.