Soziales

Studie: Warum die Kinderarmut in Deutschland zugenommen hat

05. August 2019
Arme Kinder werden in Deutschland laut einer Studie des Paritätischen Gesamtverbands immer mehr abgehängt.
Die soziale Ungleichheit zwischen armen und reichen Familien in Deutschland nimmt zu. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Paritätischen Gesamtverbands, die kürzlich vorgestellt wurde. Der Verband fordert daher die Einführung einer Kindergrundsicherung.

In einer Studie hat der Paritätische Gesamtverband untersucht, wie viel Geld Familien mit Kindern zur Verfügung steht und was sie für physische und soziale Beteiligung ihrer Kinder ausgeben können. Demnach ging die Schere zwischen den Haushaltseinkommen der ärmsten und denen der reichsten Familien im Zehn-Jahres-Vergleich weiter auseinander. „Das Gefühl, nicht dazu zu gehören, augegrenzt zu sein und abseits stehen zu müssen, ist das Lebensgefühl armer Kinder in Deutschland“, kommentierte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes.

Nur 364 Euro pro Monat

Egal, ob Spielzeug, Zoobesuch, Vereinsmitgliedschaft oder andere Freizeitaktivitäten – das dafür notwendige Geld fehlt bei ärmeren Familien häufig, moniert der Verband. Den ärmsten zehn Prozent der Paarhaushalte in Deutschland mit einem Kind stehen lediglich 364 Euro pro Monat für ihr Kind zur Verfügung. Bei den reichsten zehn Prozent ist es mit etwa 1.200 Euro fast viermal so viel Geld. „Ein gleichberechtigtes Aufwachsen ist für die Kinder in den einkommensarmen Haushalten nicht möglich. Die wachsende Schere zwischen Arm und Reich manifestiert sich am Ende im sozialen Ausschluss der Kinder“, so der Mit-Autor der Studie Andreas Aust von der Paritätischen Forschungsstelle.

Insgesamt schauten sich die Forscher Daten des Statistischen Bundesamts von 2003 bis 2013 aus rund 6,8 Millionen Haushalten an, in denen etwa 13,8 Millionen Kinder leben. Neuere Daten sind noch nicht ausgewertet. Allerdings sei insbesondere zwischen 2013 und 2016 die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander gegangen, erwiderte Ulrich Schneider auf die Kritik, wonach die der Studie zugrunde liegenden Daten eventuell veraltet sein könnten.

Im Schnitt 130 Euro Schulden pro Monat

Zudem kritisierte der Verband die „eklatante Einkommensspreizung“. Denn während den oberen zehn Prozent im Schnitt 8.642 Euro zur Verfügung standen, waren es im unteren Bereich gerade noch 1.550 Euro, denen jedoch monatliche Konsumausgaben von 1.685 Euro gegenüber standen. Entsprechend verschuldeten sich einkommensschwache Familien durchschnittlich mit 135 Euro im Monat. 

„Arme Familien hatten real weniger Geld als noch zehn Jahre zuvor zur Verfügung, um ihren Kindern mehr als das physisch Notwendige zu finanzieren“, kritisierte Schneider. Dies sei vor allem zu Lasten der Ausgaben für die sozialen Grundbedarfe der Teilhabe gegangen. „Arme Kinder sind in Deutschland, was ihre soziale Teilhabe anbelangt, in der Regel chancenlos“, sagte Schneider. Bei derart auseinanderklaffenden Einkommen besäßen sie nicht die Möglichkeit, „am ganz normalen Leben der Mitte“ teilzunehmen.

Forderung nach Kindergrundsicherung

Als Konsequenz aus den Ergebnissen der Studie fordert der Paritätische Gesamtverband die Einführung einer einkommens- und bedarfsorientierten Kindergrundsicherung in Höhe von mehr als 600 Euro pro Kind. Die Summe soll sich verringern, je mehr die Eltern verdienen. Eine solche Lösung bezeichnete Schneider als „einfaches, solidarisches und gerechtes System“. Gleichzeitig sieht er auf politischer Ebene bei SPD, Grünen und Linken Schnittmengen, was diese Forderung anbelangt. 

Der Artikel ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen.