Monitor der Bertelsmann-Stiftung

Studie: Noch immer zu wenig Kita-Personal

Carl-Friedrich Höck25. August 2020
Kind mit Puzzle: Wie gut die frühkindliche Bildungsarbeit in Kitas und Krippen gelingt, hängt mit dem Personalschlüssel zusammen.
Die Betreuungssituation in Krippen und Kitas hat sich seit 2013 verbessert. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht der Bertelsmann-Stiftung. Die empfohlenen Betreuungsschlüssel werden trotzdem nicht erreicht. Bundesfamilienministerin Giffey wies die Kritik zurück.

Der Kita-Ausbau ist für die Politik ein Kraftakt. Auf der einen Seite wurde die Zahl der Betreuungsplätze in den vergangenen Jahren massiv ausgeweitet. Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums sind im zurückliegenden Jahrzehnt allein für Kinder unter drei Jahren mehr als 400.000 Betreuungsplätze entstanden. Auf der anderen Seite soll die Qualität der Betreuung verbessert werden. Dafür wird deutlich mehr Personal benötigt.

Mehr Personal pro Kind

Die gute Nachricht: Laut dem jährlichen „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann-Stiftung hat sich die Personalsituation im Vergleich zu 2013 verbessert. Damals lag der Personalschlüssel in Kita-Gruppen bei 1 zu 4,6 und in Kindergartengruppen bei 1 zu 9,6. Im März 2019 kam in Krippen eine Fachkraft auf 4,2 Kinder und in Kindergartengruppe auf 8,8 Kinder.

Der Personalschlüssel gibt an, wieviel Personal in einer Kita eingestellt wird – gemessen an der Zahl der Kinder. Die Bertelsmann-Stiftung empfiehlt einen Personalschlüssel von 1 zu 3 in Krippen (also eine Fachkraft pro drei Kindern) und 1 zu 7,5 in Kindergärten. Davon sind die Kitas im bundesweiten Durchschnitt noch ein ganzes Stück entfernt.

Mehr Assistenzkräfte in Westdeutschland

Laut Bertelsmann-Stiftung gibt es deutliche Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Während im Osten für 93 Prozent der Kinder nicht genügend Fachpersonal für eine kindgerechte Betreuung zur Verfügung stünden, seien es im Westen 69 Prozent. Dafür liegen die Neuen Bundesländer bei der Qualifikation des Personals vorne. Hier liegt der Anteil des als Erzieher*in ausgebildeten Personals bei 82 Prozent. In den westdeutschen Bundesländern können nur 66 Prozent eine solche Ausbildung vorweisen. Deutliche mehr Personal arbeite auf Assistenzniveau, etwa als Kinderpfleger*in oder Sozialassistent*in.

Kritik übt die Bertelsmann-Stiftung auch an den Gruppengrößen. Für jüngere Kinder sollten sie nicht mehr als zwölf, für ältere nicht mehr als 18 Kinder umfassen, meinen die Expert*innen der Stiftung. Sonst seien die Fachkräfte und Kinder einem übermäßigen Stress ausgesetzt, weil es zum Beispiel zu laut wird. 54 Prozent aller amtlich erfassten Kita-Gruppen seien zu groß, heißt es im Ländermonitor.

Personalsituation erschwert Bildungsarbeit

Ergänzend hat die Bertelsmann-Stiftung eine qualitative Studie an der Fern-Universität Hagen in Auftrag gegeben. Hierfür wurden bundesweit Kita-Teams befragt. Diese sähen die Umsetzung des Bildungsauftrages der Kitas oftmals gefährdet, lautet das Ergebnis. Denn bei Personalmangel müsse die individuelle Förderung in den Hintergrund treten. Eine unzureichende Qualifikation des Personals erschwere die Bildungsarbeit zusätzlich.

„Dem Personalmangel müssen wir mit Bündnissen von Bund, Ländern, Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften begegnen“, fordert Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung.

Giffey lässt Kritik nicht unwidersprochen stehen

„Die Kritik der Bertelsmann-Stiftung an der Arbeit der Kindertagesstätten in Deutschland kann so nicht stehenbleiben“ reagierte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey auf die Studie. „Denn in den knapp 57.000 Kitas in unserem Land leisten jeden Tag Erzieherinnen und Erzieher hervorragende und kindgerechte Arbeit. Diese lässt sich nicht nur am Betreuungsschlüssel festmachen. Millionen Kinder gehen gerne in ihre Kita und werden dort gut betreut und gefördert. Es ist nicht richtig, derart gravierende Zweifel an einer kindgerechten Betreuung in den Kitas zu säen“, so die Ministerin.

Sie verwies auf das Gute-Kita-Gesetz, mit dem der Bund von 2019 bis 2022 rund 5,5 Milliarden Euro für mehr Qualität und weniger Gebühren in die Länder gibt. „Zwei Drittel der bereits verplanten Mittel fließen in die Qualität“, machte Giffey deutlich. „Elf von 16 Bundesländern setzen auf die weitere Verbesserung des Personalschlüssels – und das zeigt bereits Wirkung.“ Der Bund werde sich weiter für gute Qualität und weniger Gebühren in den Kitas und in der Kindertagespflege engagieren.

Städte wollen bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages Helmut Dedy mahnt an, die Kommunen bräuchten ausreichend ausgebildetes Fachpersonal, um die Betreuung weiter ausbauen zu können. „Wir setzen uns aktiv dafür ein, die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen für Erzieherinnen und Erzieher attraktiver auszugestalten, zum Beispiel durch die Erprobung einer Ausbildungsvergütung. Auch Ausbildungsinitiativen durch die Länder sind wichtig. Aber notwendig ist auch, dass Bund und Länder dauerhaft Mittel bereitstellen, um die Qualität der Kindertagesbetreuung nachhaltig zu fördern.“

Bisher ist die Bundes-Förderung aus dem Gute-Kita-Gesetz bis 2022 befristet. Wie Giffey klarstellte, werde der Bund die Mittel aus dem Gute-Kita-Gesetz verstetigen und auch über 2022 hinaus in die frühkindliche Bildung in Deutschland investieren. „Darüber hinaus legen wir mit den zusätzlichen Mitteln aus dem Konjunkturprogramm ein 1-Milliarde-Euro-Investitionsprogramm auf, mit dem weitere 90.000 neue Kitaplätze geschaffen werden können“, so die Ministerin. „Jetzt geht es darum, dass die Länder diese Mittel vor Ort gut, sinnvoll und vor allem zügig umsetzen. Der Bund gewährt in noch nie dagewesenem Ausmaß finanzielle Unterstützung für diese nationale Zukunftsaufgabe.“

Dedy wertet die Zahlen des Ländermonitors indes als Erfolg: „Die erheblichen Kraftanstrengungen der Städte für eine verbesserte Kindertagesbetreuung in den vergangenen Jahren lohnen sich. Auch der Personalschlüssel in den Kitas hat sich verbessert.“ Diesen Weg wolle man weiter gehen. Der Bedarf an Kinderbetreuung steige weiter an. (mit KBI)

 

Mehr Informationen:
laendermonitor.de
Studie zu den Perspektiven des Personals (bertelsmann-stiftung.de)

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