Wohnungsbautag

Studie von Verbändebündnis: So sollen Wohnungsbau und Klimaschutz gelingen

Carl-Friedrich Höck17. Februar 2022
Baustelle in Berlin: Bauen und modernisieren ist teuer.
Mehr Wohnungsbau, mehr Klimaschutz und das alles trotz steigender Baukosten bezahlbar: Ist das möglich? Ein Verbändebündnis aus Mieterbund, Bau- und Immobilienbranche hat Empfehlungen vorgelegt. Sie richten sich an Bund, Länder und Kommunen.

Ein Verbändebündnis fordert die Politik auf, den Umbau im Gebäudebestand stärker voranzutreiben und die Energieeffizienz-Vorgaben abzusenken. Dem „Verbändebündnis Wohnungsbau“ gehören neben dem Deutschen Mieterbund sechs Fachverbände der Bau- und Immobilienbranche an. Zum Wohnungsbau-Tag 2022 haben sie eine Liste von fünf Handlungsempfehlungen vorgelegt.

4,3 Millionen Wohnungen ohne neues Bauland?

Diese sollen einen Weg aufzeigen, um die wohnungs- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung zu erreichen. Die Ampel-Koalition plant, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu schaffen, darunter 100.000 Sozialwohnungen. Der Gebäudesektor soll bis 2045 klimaneutral werden. Angesichts rasant steigender Baukosten und knapper Flächen sei das eine Herkulesaufgabe, so das Bündnis.

Die Empfehlungen beziehen sich auf eine neue Studie des bauwirtschaftsnahen Forschungsinstituts „ARGE für zeitgemäßes Wohnen“. Diese empfiehlt einen Mix aus mehr Neubau und deutlich mehr Umbau im Gebäudebestand. Aus der bestehenden Gebäudesubstanz könnten durch Umbau bis zu 4,3 Millionen neue Wohnungen herausgeholt werden, rechnet ARGE-Institutsleiter Dietmar Walberg vor. Dazu werde kein einziger Quadratmeter Bauland zusätzlich benötigt.

Zudem sei der Umbau kostengünstiger als Neubau. Weil sich Homeoffice zunehmend etabliert habe, würden Büros frei. Daraus könnten 1,9 Millionen neue Wohnungen entstehen. Der Umbau koste pro Quadratmeter knapp 1.300 Euro – weit weniger als die 3.400 Euro, die im Neubau durchschnittlich anfallen. Weitere 1,5 Millionen Wohnungen seien durch Dachaufstockung bei Wohnhäusern möglich (2.500 Euro/Quadratmeter). Knapp eine weitere Million Wohnungen könnten laut der Studie geschaffen werden, indem Verwaltungsgebäude, Bürokomplexe, Supermärkte, Einkaufszentren oder Parkhäuser aufgestockt werden.

Bündnis will weg von hohen Dämm-Zielen

Die Studie liefert auch einen Fahrplan, wie Wohnen klimaneutral werden kann. Dabei setzen die Wissenschaftler*innen einerseits auf eine höhere Zahl von Sanierungen. Bisher werde pro Jahr nur jeder hundertste Altbau energetisch komplett modernisiert. Künftig müsse es jedes 55. Haus sein, so die Forderung.

Im Gegenzug sollen die Kosten sinken, indem die Politik die Energiespar-Vorgaben senkt. Die Studie empfiehlt für die energetische Sanierung von Gebäuden das Effizienzhaus 115 als Standard. Im Neubau soll das Effizienzhaus 70 angestrebt werden. Die Werte geben an, wieviel Energie ein Haus im Vergleich zu den geltenden Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) verbraucht. Ein Effizienzhaus 70 verbraucht zum Beispiel nur 70 Prozent der Energie, die für das GEG-Referenzhaus benötigt wird. Je niedriger die Effizienzhaus-Stufe, desto effizienter nutzt das Haus die Energie.

Die Vorschläge des Verbändebündnisses bleiben deutlich hinter den Zielmarken der Politik zurück. Im Januar ist die KfW-Förderung für das Effizienzhaus 55 ausgelaufen – diese Effizienzstufe gilt im Neubau mittlerweile ohnehin als Standard. Geld vom Staat soll es künftig nur noch für die Effizienzhaus-Stufe 40 geben.

Knappe Ressourcen

Dem hält das Verbändebündnis entgegen, dass Fachkräfte und staatliches Fördergeld zu knapp seien. Die Effizienzstufen 115 für Altbau und 70 für Neubau böten einen „machbaren Mittelweg“. Das lasse sich mit Gesamtausgaben von 150 Milliarden Euro pro Jahr umsetzen – bis zum Jahr 2045 wären das 3,6 Billionen Euro. Um die Energiespar-Offensive bei Altbauwohnungen anzustoßen, solle der Staat pro Jahr mindestens 30 Milliarden an Fördermitteln bereitstellen. Laut der ARGE-Studie liegen die Kosten, um ein bestehendes Ein- oder Zweifamilienhaus auf ein Effizienzhaus-115-Niveau zu bringen, zwischen 660 und 1.080 Euro pro Quadratmeter. Das Effizienzhaus 40 koste mindestens 50 Prozent mehr.

Damit die Klimaziele trotzdem erreicht werden, will das Bündnis andere Wege suchen. „Es darf nicht mit Scheuklappen nur auf die Gebäudehülle geachtet werden, sondern es ist ein Mix aus maßvoller und bezahlbarer Verbesserung der Gebäudehülle, CO2-freier Wärmeversorgung und robuster Technik zur verbrauchssenkenden Nutzerunterstützung notwendig“, meint Axel Gedaschko, Präsident des Verbandes GdW. Dieser vertritt unter anderem kommunale Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften. Immer höhere Standards überforderten Bauherren und Mieter finanziell und brächten nicht die gewünschten Klima-Effekte. Erneuerbare Energien, Mieterstrom, kommunale Wärmeplanung sowie Flotten- und Quartierslösungen müssten nach vorne gebracht werden.

Das Verbändebündnis wirbt daher für eine neue Fördersystematik, die nicht mehr die Energieeffizienz in den Mittelpunkt stellt, sondern den CO2-Ausstoß pro Quadratmeter Wohnfläche.

Baugenehmigungen sollen schneller kommen

Weitere Forderungen des Bündnisses: Die Politik müsse langfristig verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen schaffen. Für den Sozialwohnungsbau brauche es einen Masterplan mit klaren Zielvorgaben und angemessener Förderung, um die von der Ampel-Koalition angestrebten 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr zu erreichen. Zudem müssten Planungs- und Genehmigungsverfahren im Wohnungsbau beschleunigt werden. Dafür würden mehr Fachkräfte in den Bauämtern benötigt, aber auch eine schnelle Digitalisierung und eine bundesweite Nutzung von Typengenehmigungen für typisiertes und serielles Bauen.

Anlässlich des Wohnungsbautages fordert der Deutsche Städtetag ebenfalls, den Gebäudebestand stärker in den Blick zu nehmen. Die Städte sähen große Chancen darin, Fördermittel auch in die Modernisierung von bestehenden Gebäuden zu lenken und so neue preisgünstige Wohnungen zu schaffen, erklärt Vizepräsident Eckart Würzner. „Wenn Häuser und Quartiere sowohl energetisch saniert als auch mit neuen Sozialbindungen versehen werden, werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. So könnten Klimaschutzziele und der Wunsch nach mehr bezahlbarem Wohnraum in Einklang gebracht werden.“ Neubauziele sollten nicht nur rein quantitativ verfolgt werden, sondern stärker vorhandene Ressourcen berücksichtigen, so Würzner. Für den Bau von Sozialwohnungen müssten Bund und Länder ihre Finanzierung massiv ausweiten. Auch könnten befristete Sozialbindungen vorzeitig verlängert werden.

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