Umfrage in Städten

Tablets und Luftfilter: So ringen Schulen mit der Pandemie

Carl-Friedrich Höck15. Januar 2021
Dicht zusammenstehen ohne Maske – das geht in Corona-Zeiten nicht mehr. Die Schulen und Kommunen haben auf die neue Situation reagiert.
Seit die Schulen im März vom ersten Lockdown überrumpelt wurden, hat sich einiges gebessert. Die DEMO hat in mehreren Städten nachgefragt, wie gut die Schulen mittlerweile für die Pandemie gerüstet sind und wo es noch hapert.

Im März 2020 ging es Schlag auf Schlag. Wegen der Corona-Pandemie mussten die Schulen plötzlich schließen. Der Heimunterricht forderte den Lehrkräften und Schüler*innen viel Improvisationskunst ab. Im Januar 2021 sind die Schulen wieder weitgehend geschlossen. Wie haben die Kommunen als Schulträger in der Zwischenzeit auf die Situation reagiert? Die DEMO hat sich exemplarisch umgehört und Antworten aus Bochum, Mainz und Braunschweig erhalten.

Funktioniert das Homeschooling jetzt besser als im März?

Offenbar ja. „Wir sind sicherlich einen guten Schritt weitergekommen“, sagt Bochums Schuldezernent Dietmar Dieckmann. So hätten fast alle weiterführenden Schulen jetzt einen 1-Gigabit-Anschluss. Zudem seien die Schulen mit Office 365 nebst Schulungspaket ausgerüstet. Braunschweigs Schuldezernentin Christina Arbogast merkt dazu an: „Die Situation zu Beginn der Pandemie ist nicht mit der aktuellen Situation vergleichbar“. Die Anforderungen an die Technik seien bei einem kompletten Online-Unterricht ganz andere als zu Beginn der Pandemie oder bei Wechselunterricht. Bei der Schulplattform „IServ“ habe es einen schwierigen Start gegeben. Die Probleme seien aber mittlerweile behoben. Um für Shutdown-Szenarien gerüstet zu sein, habe in einigen Schulen auch die Serverhardware vorzeitig ausgetauscht oder aufgerüstet werden müssen.

Wie hat sich die digitale Ausstattung von Schüler*innen und Lehrkräften verbessert?

Aus Sicht der Stadt Mainz hat sie sich „deutlich verbessert“, teilt die Pressestelle mit. Die Stadt hat bereits vor einigen Monaten mit Geldern aus dem Corona-Hilfsprogramm „Mainz hilft sofort“ für 600 Kinder aus bedürftigen Familien kostenlose Verleih-Tablets und Zubehör beschafft und verteilt. Weitere 600 Endgeräte werden mit Geldern des Bundeslandes finanziert. Das Medienzentrum der Stadt Mainz richtet die Geräte ein und verleiht auch eigene iPads und Laptops. Darüber hinaus würden aus Mitteln des „Digitalpakt II“ des Bundes weitere 2.800 mobile Endgeräte angeschafft, meldet die Stadt.

Lob für den „Digitalpakt II“ kommt auch aus Braunschweig: Insbesondere hiermit sei die digitale Ausstattung bereits verbessert worden. Auch Videokonferenzsysteme für die Schulen seien hiermit beschafft worden. Es bleibt aber Luft nach oben. Bochums Schuldezernent Dieckmann rechnet vor: Für die Ausstattung bedürftiger Schüler*innen stünden aus Fördermitteln von Bund und Land 3,1 Millionen Euro zur Verfügung, das reiche für rund 6.000 Geräte. Benötigt würden in Bochum aber etwa 9.200 Geräte. Support und Wartung würden gar nicht gefördert. Ein weiteres Problem: Die Schüler*innen, die mit ihren eigenen Tablets arbeiten, besitzen Geräte von unterschiedlichen Herstellern. Notwendig seien aber einheitliche Geräte, so Dieckmann – Bochum setze auf iPads als Standard.

Bochum und Braunschweig weisen auch darauf hin, dass es noch kein Sofortausstattungsprogramm für Lehrer*innen gibt. Diese setzten teilweise private Geräte ein.

Masken, Desinfektionsmittel, Luftfilter – Welche Schutzausrüstung wurde angeschafft?

In Bochum kümmert sich ein „Pandemiestab Schule“ um die Ausrüstung. Angeschafft worden seien Alltagsmasken, FFP2-Masken und auch notwendige Schutzkleidung für Lehrkräfte an Förderschulen. 80 von 93 Schulstandorten haben jeweils eine zusätzliche Reinigungskraft bekommen. Luftreiniger sollen nur zum Einsatz kommen, wenn es „problematische Belüftungssituationen gibt“. Das sei aber an Bochumer Schulen derzeit nicht der Fall.

Dagegen hat die Stadt Mainz in allen 22 Grundschulen einen Musterklassenraum mit Abluftsystem eingebaut. Die Anlage wurde vom örtlichen Max-Planck-Institut entwickelt. Anhand der Erfahrungen mit den Musterklassenzimmern sollen die Schulleitungen einschätzen, wie weit in Eigeninitiative und Eigenregie die weiteren Klassenräume ausgestattet werden können.

In Braunschweig sind keine Luftfiltergeräte geplant. Schuldezernentin Arbogast verweist auf Hinweise aus dem Niedersächsischen Landesgesundheitsamt. Danach ersetze ein mobiler Luftfilter nicht das Lüften. „Luftfilter, die nachweislich in verschiedenen Unterrichtsräumen wirklich gut funktionieren und bei denen nicht die Gefahr einer Gesundheitsschädigung besteht, sind der Verwaltung aktuell nicht bekannt.“ Auch der tatsächliche Nutzen der Mainzer Abluftanlage ist laut Medienberichten umstritten.

Doch auch Braunschweig hat in Schutzausrüstung investiert: Bereits zu Beginn der Pandemie wurden die Vorräte an Seife und Papierhandtüchern aufgestockt und Desinfektionsmittelspender beschafft. Mensen und Sekretariate haben Spuckschutzwände erhalten. Gesichtsmasken sollen die Schüler*innen und Lehrer*innen sich grundsätzlich selbst besorgen. Für Notfälle wurden die Schulen aber mit einem kleinen Vorrat an Einmal-Masken beliefert. Im Dezember wurden auch FFP2-Masken an die Schulen ausgegeben. Demnächst könnten die Schulen die Schutzausstattung nach eigenen Wünschen ergänzen. Denn das Land Niedersachsen stellt den Schulen rund 20 Euro pro Schüler*in für Infektionsschutz-Materialien zur Verfügung.

Was bleibt zu tun für die Zeit nach dem harten Lockdown – und was lässt sich aus den bisherigen Erfahrungen lernen?

Christine Arbogast sieht Braunschweigs Schulen grundsätzlich gerüstet für „normalen Präsenzunterricht“ – dafür müsse nur der Normalzustand wieder angefahren werden. Jedoch wünscht sie sich frühzeitig Klarheit über bevorstehende Maßnahmen, um besser planen zu können. So seien zum Beispiel die Caterer für das Schulmittagessen häufig auf Kurzarbeit umgestellt – die müssten erst wieder ihr Personal aktivieren und die Bestellungen organisieren. Weil ein Teil der Schüler*innen-Beförderung mit Bussen, Kleinbussen und Taxen erfolgt, müsse auch hier detailliert geprüft werden, ob und wie Hygienevorschriften eingehalten werden können. Bisher hätten sich die beauftragten Firmen aber sehr flexibel gezeigt.

Derzeit wissen die Kommunen und Schulen noch gar nicht, wie genau die Rückkehr zum Präsenzunterricht aussehen soll. Denn über die Unterrichtsform und weitere Vorgaben entscheiden die Bundesländer. Das erschwert die Vorbereitungen.

Dass die Kommunikation zwischen Land und Kommunen nicht immer optimal gelaufen ist, lässt Bochums Schuldezernent Dietmar Dieckmann durchblicken. In Richtung der NRW-Landesregierung sagt er: Diese müsse die Beteiligten in ihre Entscheidungen besser einbinden. „Gemeinsam über das richtige Vorgehen zu diskutieren und Entscheidungen frühzeitig kommunizieren, das sollte die Landesregierung lernen und umsetzen.“

Wie bewertet der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) die Situation an den Schulen?

Der DStGB-Beigeordnete Uwe Lübking nennt auf Nachfrage vier Herausforderungen, die jetzt zu meistern seien. Erstens müsse schnell wieder Präsenzunterricht stattfinden, sobald das Infektionsgeschehen es zulassen. Um über Lockerungen zu entscheiden seien fundierte Kenntnisse nötig. „Zu empfehlen ist, dass auch für den Schulbereich eine regelmäßige Untersuchung entsprechend der Corona-Kita-Studie eingeführt wird. Zudem ist ein regelmäßiger Austausch entsprechend dem Corona-Kita-Rat sowohl auf Bundes- als auch vertiefend auf Länderebene dringend notwendig.“

Zweitens wünscht sich Lübking regionale und abgestimmte Stufenpläne, welches Unterrichtsmodell bei welchem Infektionsgeschehen angewendet wird. „Dabei darf die Wahl sich nicht nur auf die Alternativen Präsenzlernen oder Schulschließungen beschränken.“ Die Schulen müssten in die Lage versetzt werden, auch weitere Ansätze wie Wechselmodelle anzuwenden.

Das führt zu Punkt drei, der Technik: „In der akuten pandemischen Situation, wie wir sie aktuell haben, müssen schnellstmöglich stabile Lernplattformen und Videokonferenzsysteme etabliert werden, die mehr Funktionen aufweisen müssen, als das bloße Ablegen von Lernmaterialien“, sagt der Experte vom Städte- und Gemeindebund.

Viertens geht Lübking davon aus, dass viele Kinder aufgrund der Lockdowns und des teils mangelhaften Digital-Unterrichts Nachholbedarfe haben. „Wir müssen schon jetzt überlegen, wie wir durch ergänzende Unterstützungsprogramme etwa für bildungsbenachteiligte Schülerinnen und Schüler verhindern, dass zu große Bildungslücken entstehen.“

Lübking warnt zudem davor, das Thema Schuldigitalisierung nach der Pandemie wieder aus dem Blick zu verlieren. Bund, Länder und Kommunen müssten gemeinsam langfristige Strategien entwickeln. „Ein nachhaltiges und umfassendes Finanzierungskonzept für die Digitalisierung, das neben Investitionen auch Betriebskosten, technischen Support und Ersatzbeschaffungen umfasst, fehlt nach wie vor. Vor allem dürfen keine neuen Programme aufgelegt werden ohne nachhaltige Finanzierbarkeit sicherzustellen“, sagt der DStGB-Beigeordnete.

Nachtrag 29. Januar 2021

Der Bund stellt den Ländern 500 Millionen Euro zur Verfügung, damit die Lehrer*innen mit Dienstlaptops ausgestattet werden können. Wie die Bundesregierung am 27. Januar mitteilte, wurde die entsprechende Verwaltungsvereinbarung nun unterzeichnet, sodass die Gelder fließen können. Mehr dazu: bundesregierung.de

 

weiterführender Artikel