Interview mit Frank Mentrup

„Die Themen IT und Digitalisierung konsequent an einer Stelle bündeln“

Carl-Friedrich Höck22. März 2021
Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup, SPD
Die Stadt Karlsruhe gilt als Vorreiter bei der Digitalisierung der Verwaltung. Wie das gelungen ist, was es den Bürger*innen nützt und an welchen Vorbildern die Stadt sich orientiert, erklärt Oberbürgermeister Frank Mentrup.

Bei der Digitalisierung der Verwaltung liegt Karlsruhe auf Platz 1. Zu diesem Ergebnis kommt der „Smart City Index 2020“ des Branchenverbandes Bitkom. Was macht Karlsruhe besser als andere Kommunen?

Nach Jahren der Dezentralisierung der IT in der Verwaltung haben wir begonnen, die Themen IT und Digitalisierung konsequent und zügig an einer Stelle zu bündeln. Das Amt für Informationstechnik und Digitalisierung war sodann 2017 eines der ersten seiner Art in Deutschland. Es folgte eine Phase, in der wir den IT-Betrieb sukzessive an internationalen Standards ausrichteten und wichtige Prozesse und Produkte in der Verwaltung harmonisierten. So kann nun auf einen professionellen IT-Betrieb zurückgegriffen werden und Karlsruhe besser auf digitale Herausforderungen reagieren.

Hierzu gehören interne Prozesse wie die eAkte, ePersonalakte und eRechnung, das gehört ja eher zum Schwarzbrot des verwaltungserneuernden Digitalisierungsprozesses. Den digitalen Bürgerservice auszuweiten, eine zeitgemäße Webseite mit Prozessplattform oder – ganz neu – ein ChatBot für häufig gestellte Fragen zu erstellen – der Start ist jetzt für April geplant – verbessert dann schon die Kommunikation der Stadt nach außen.

Darüber hinaus wollen wir in Karlsruhe völlig neue Möglichkeiten des aktiven und individualisierten Austauschs mit den Menschen erschließen. Den ersten Preis des Smart City Index 2020 verdanken wir so vor allem digital@KA, einer App fast für alles in Karlsruhe, das ist dann schon die Creme unter unseren Projekten.

Gerne schauen wir dabei über den Tellerrand hinaus und pflegen die internationale Zusammenarbeit. Die App digital@KA orientiert sich etwa an der Tel-Aviv-Card, wir haben Austausch mit der Stadt Wien und sind als deutsche Stadt in der G20 Smart City Alliance des Weltwirtschaftsforums aktiv.

Im Januar 2017 hat Karlsruhe ein „Amt für Informationstechnik und Digitalisierung“ geschaffen. Was hat sich dadurch in der Verwaltung geändert?

Das Amt übernimmt seitdem federführend die Zentralisierung der Informationstechnologie und konnte dadurch den Weg ebnen für zahlreiche IT-Projekte. Aktuell beginnt die Pilotierung der Karlsruher DigitalLots*innen, die in ihren Ämtern als digitale ChangeManager*innen aktiv die Digitalisierung vorantreiben werden. Das Amt hat zudem einen sogenannten IT-Beirat implementiert. Dieser ermöglicht nach transparenten Kriterien, IT-Projekte zu priorisieren und stellt so ein ausgeglichenes Projektportfoliomanagement dar.

Darüber hinaus ist das Amt für Informationstechnik und Digitalisierung verantwortlich für die strategische Digitalisierung der Stadt Karlsruhe. Die DigitalStrategie der Stadt Karlsruhe wird im Rahmen eines großen „Teilhabe-Prozesses“ mit allen Ämtern gemeinsam entwickelt und umfasst im ersten Schritt die Digitalisierung der Stadtverwaltung.

Ein aktuelles Projekt ist die App „digital@KA“. Was kann die App und was bringt sie den Bürger*innen?

digital@KA ist eine Multifunktions-App, die Menschen und Stadt in Karlsruhe eine Plattform bieten wird, um sowohl städtische Bürgerdienste als auch privatwirtschaftliche mobile Anwendungen zu nutzen. Im Klartext: digital@KA wird die erste digitale öffentliche Einrichtung in Deutschland. Die Stadtverwaltung wird dabei einen weiteren digitalen Kanal implementieren, welcher die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen Richtung Bürgerschaft vorantreiben möchte. Gleichzeitig bietet die App einen digitalen Marktplatz, der auch privaten Onlinediensten (mit Bezug zu Karlsruhe) digitalen Raum zur Verfügung stellt und so die digitale Daseinsvorsorge der Menschen in Karlsruhe fördert. Perspektivisch sollten die Angebote von digital@KA auch auf Pendler*innen und Besucher*innen ausgeweitet werden. Der Verwaltung eröffnet die App viele direkte Möglichkeiten der Ansprache und des Austauschs mit einzelnen Bürger*innen oder Gruppen über von ihnen dazu freigegebene Daten. Erwartungen an Planungen im Wohnumfeld, Auswirkungen von Maßnahmen oder Interesse etwa an Kultur oder sozialen Angeboten können so direkt erfragt und diskutiert werden.

Hacker nehmen zunehmend auch Kommunalverwaltungen ins Visier. Hat auch Karlsruhe diese Erfahrung schon gemacht? Und wie stellt die Stadt sicher, dass die Daten der Bürger*innen gut vor Hackerangriffen geschützt sind?

Vor einem solchen Angriff ist heute niemand mehr wirklich zu 100 Prozent sicher. Es geht dabei eher darum, den möglichen Schaden zu bewerten und entsprechende organisatorische und technische Maßnahmen zu ergreifen. Der letzte ernsthafte Vorfall liegt bei uns bereits einige Jahre zurück. Wir haben seither deutlich aufgerüstet, indem wir wichtige Daten auslagern, Redundanzen aufbauen und zum Beispiel marktgängige Firewall-Lösungen verwenden. Auch das Update-Management spielt eine große Rolle; alle Systeme stets auf dem neuesten Sicherheitsstand zu halten, ist bei über 4000 Usern nicht einfach.

Das Online-Zugangsgesetz verpflichtet alle Kommunen, ihre Verwaltungsleistungen über Portale auch digital anzubieten. Was bleibt für Karlsruhe noch zu tun, um das Gesetz vollständig umzusetzen – und gibt es noch Hürden zu meistern?

Wir arbeiten bei diesem Thema sehr eng mit dem Städtetag Baden-Württemberg, dem Land, hier dem Innenministerium, und unserem kommunalen IT-Dienstleister Komm.One zusammen. Dabei fällt uns die Aufgabe zu, spezifische Besonderheiten aus dem täglichen Praxisbetrieb in die Entwicklung der Onlinedienste einzubringen. Hier arbeiten unsere Mitarbeiter*innen aus den Fachämtern in den Digitallaboren des Landes aktiv mit. Hürden gibt es zahlreiche. Ein digitaler Prozess macht nur dann Sinn, wenn nicht nur die Onlineschnittstelle service.bw als Prozessplattform, angeboten über die städtische Homepage, an das jeweilige Fachverfahren direkt angebunden ist, sondern dann auch die Gebühr über eine Onlinebezahlfunktion entrichtet werden kann. Das Schneckentempo unseres Bundeslandes trifft auf die bisherigen, aus der Not geborenen, kreativen Einzellösungen vor Ort, das macht die notwendige Standardisierung nicht einfacher. Außerdem sind viele Rechtsnormen nicht wirklich digitalisierungsfreundlich, zum Beispiel immer dann, wenn man persönlich im Rathaus vorbeikommen muss oder eine besondere Schriftformerfordernis besteht; die Banken scheinen sich da seit Jahren leichter zu tun.