Stichwahlen in Dortmund

Thomas Westphal im Endspurt ums Rathaus

Karin Billanitsch25. September 2020
Die Sozialdemokraten wollen mit Thomas Westphal die Stichwahl gewinnen.
In dem Duell tritt der Sozialdemokrat gegen den Sauerländer Andreas Hollstein von der CDU an. Die Wahlempfehlung der Grünen für die Christdemokraten sieht Westphal gelassen. Dem Konkurrenten wirft er vor, die Arbeitnehmer zu verunsichern.

Nach Dortmund werden am Sonntag viele blicken: Wer wird Dortmunds Oberbürgermeister? Bei der Stichwahl wird der sozialdemokratische Kandidat Thomas Westphal gegen seinen Konkurrenten Andres Hollstein von der CDU antreten. Westphal lag in der ersten Wahlrunde mit 35,8 Prozent zehn Prozentpunkte vor dem Christdemokraten. Die grüne OB-Kandidatin Daniela Schneckenburger hat es nicht in die Stichwahl geschafft, allerdings gewannen die Grünen hier mehr als neun Prozent dazu.

Viele Wähler mobilisieren

Dortmund, Herzkammer der Sozialdemokratie, wie Herbert Wehner die Stadt genannt hat, wird seit mehr als 70 Jahren von einem Sozialdemokraten im Rathaus geführt. Der bisherige Dortmunder OB Ullrich Sierau hatte sich entschieden, nicht mehr zur Wahl anzutreten und in den Ruhestand zu gehen. Nun kommt es für Thomas Westphal, der seit Jahren erfolgreich die Wirtschaftsförderung der neuntgrößten Stadt Deutschlands leitet, darauf an, im Wahlkampf-Endspurt noch einmal so viele potenziellle Wähler*innen zu mobilisieren wie möglich, um den Sprung ins Rathaus zu schaffen. Er hat als Chef der Wirtschaftsförderung seit dem Jahr 2014 die Stadt im Strukturwandel neu ausgerichtet.

Der Sauerländer Hollstein, der Bürgermeister von Altena ist, ist in Dortmund nicht sonderlich bekannt. Hollstein, der in Altena eine liberale Flüchtlingspolitik verfolgte, wurde 2017 durch eine Messerattacke schwer verletzt. Der Täter bestritt später vor Gericht eine fremdenfeindliche Motivation.

Die Kandidaten hatten am Donnerstagabend die Chance, vor einem größeren Publikum ihre politischen Ziele darzustellen. Thema in der Wahlarena war natürlich auch die Nachricht, die mitten in den Endspurt geplatzt ist, nämlich dass die Grünen die Wahl des CDU-Kandidaten empfehlen. Was Westphal nicht aus der Ruhe bringt: „Ich habe letzte Nacht sehr gut geschlafen“, so Westphal. Er wertet das als „Torschlusspanik“ bei CDU und Grünen, wie er zuvor gegenüber regionalen Medien sagte. „Sie haben keine eigene Mehrheit und wollen jetzt im Hinterzimmer die Wahlergebnisse korrigieren“, kommentierte Westphal die Empfehlung.

Strukturwandel als Herkulesaufgabe

Was für eine Art Chef Westphal ­ – gebürtiger Lübecker übrigens – denn sei, wurde Westphal in der Wahlarena gefragt, als die Kandidaten sich als „Bewerber“ für das Amt vor dem Publikum präsentieren sollten: „Ein kooperativer Chef, ein Chef der eigene Ideen hat, sie mit dem Team bespricht, Ziele entwickelt und dann schaut, wie man da gemeinsam hinkommt.“ Er ist in einer fünfköpfigen Familie aufgewachsen, Mutter Zahnarzthelferin, Vater Zimmermann. Nach seinem Realschulabschluss hat er eine Verwaltungsausbildung gemacht und auf dem zweiten Bildungsweg studiert. Er ist seit den 90er Jahren bei den Jusos und in der SPD aktiv.

Dortmund ist – wie die anderen Kernstädte des Ruhrgebietes auch – seit vielen Jahren dabei, sich den Herausforderungen des Strukturwandels zu stellen. Die Stadt stand zur Jahrtausendwende vor einer Herkulesaufgabe. Denn in den Jahren des industriellen Niedergangs der Kohle- und Stahlindustrie zwischen 1980 und dem Jahr 2000 mussten die Unternehmen zirka 80.000 Arbeitsplätze in der Industrie und den Zulieferbranchen abbauen. Die Arbeitslosenquote lag daraufhin 35 Jahre lang deutlich über der 10-Prozent-Marke. Die Sozialdemokraten Gerhard Langemeyer und Ullrich Sierau führten die Stadt in diesen Zeiten. Heute weist Dortmund mit mehr als 240.000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen – davon sind zirka 30.000 Arbeitsplätze der lokalen Industrie zuzuordnen – mehr Jobs als vor 35 Jahren auf. Die Arbeitslosenquote beträgt heute zwölf Prozent, der Arbeitsmarkt gerät durch die Corona-Pandemie unter Druck. 2019 fiel die Quote phasenweise unter zehn Prozent.

Kommunalwahl: Ergebnis mit Licht und Schatten

Ein Projekt, das besonders erfolgreich ist, heißt Phoenix West, es liegt im Stadteil Hörde. Bis zum Jahr 1998 war Phoenix West ein modernes Stahlwerk – heute steht der Name für einen 110 ha großen Technologiestandort. Unternehmen der Mikro- und Nanotechnologie haben sich dort angesiedelt, entwickeln Software und innovative Produktionstechnologien. Thomas Westphal sagte 2019 als Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung gegenüber der DEMO, der Standort verbinde die Geschichte der Stadt mit der Zukunft. Die Menschen, die auf Phoenix arbeiten, leben oder ihre Freizeit dort verbringen, erleben eine Umgebung und Qualität, die es an diesem Ort vorher nie gegeben hat.

Wirft man einen Blick auf die Ergebnisse der SPD in den verschiedenen Bezirken, sieht man, dass ausgerechnet in Hörde die SPD ihre Mehrheit verloren hat. Bezirksbürgermeister Oliver Stens (SPD), in dessen Bezirk die Partei ihr bestes Ergebnis (38,65 Prozent) eingefahren hat, sieht deshalb die Ergebnisse der Kommunalwahl mit einem lachenden und einem weinenden Auge: „In Eving sind wir mit dem Ergebnis zufrieden.” Doch mit Blick auf Hörde findet er: „Hörde hat sich sehr zum Vorteil verändert – aber das haben die Bewohner nicht mit Stimmen honoriert. Die SPD hat sich da durch ihre Erfolge überholt.“

Angriff: „Verunsicherung wird geschürt“

Er glaubt zuversichtlich an den Sieg von Westphal. Die politischen Konkurrenten schürten Verunsicherung, ist er überzeugt. Konkret nennt er etwa die zwischen Grünen und Schwarzen getroffene Vereinbarung zu einem Ausbaustopp des Dortmunder Flughafens. Die Subventionierung des operativen Flughafen-Geschäftes soll bis 2023 beendet werden. „Da stehen viele Arbeitsplätze auf dem Spiel“, sagt Stens. Auch Westphal warf seinem Konkurrenten gestern abend vor, die Arbeitnehmer, zu verunsichern. „Wer so locker die Positionen der CDU räumt und die Belegschaft des Flughafens verunsichert, der hat Dortmund nicht verstanden.” Er kündigte an, an diesem Freitag die Belegschaft besuchen zu wollen.

Der neue Mann an der Spitze des Rathauses wird es dort mit einer weiterhin starken SPD zu tun haben, die bei der Stadtratswahl 30 Prozent holte – gefolgt von den  Grünen mit 24,81 Prozent und der CDU (22,51 Prozent). Die beiden letztgenannten Parteien haben angekündigt, nach der Wahl über fünf Jahre zusammenarbeiten zu wollen. Zusammen fehlen beiden vier Sitze zur Mehrheit. Der neue Oberbürgermeister wird also jeweils Mehrheiten schmieden müssen. Die neu gewählten Ratsmitglieder treffen sich mit dem neuen Oberbürgermeister am 12. November nicht im Rathaus, sondern in der Westfalenhalle 2 auf Abstand zur ersten konstituierenden Ratssitzung.