Graswurzel-Bewegung

Wie Transition-Towns die Welt verändern wollen

Carl-Friedrich Höck13. Februar 2017
Markthalle Kreuzberg
Eine Berliner Markthalle (Symbolbild). Mehr lokaler Einzelhandel mit Produkten aus der Region statt großer Lebensmittelketten – das ist einer von vielen Ansätzen der Transition-Bewegung.
Eine nachhaltige Wirtschaft ist nicht auf Wachstum ausgerichtet und funktioniert lokal. Das meint zumindest Rob Hopkins, Begründer der Transition-Town-Bewegung. In einem Buch beschreibt er der Prinzipien und gibt Tipps, wie Bürger sich ihr anschließen können.

Ein stetiges Wachstum des Bruttoinlandsproduktes ist kein wünschenswertes Prinzip mehr, meint der britische Umweltaktivist Rob Hopkins. Als Gründe führt er die begrenzten Ressourcen (etwa an Öl und Gas) sowie den Klimawandel an. Unbegrenztes Wachstum sei eine Illusion. Anstatt jetzt neue Schulden aufzuhäufen, um das alte System am Laufen zu halten, müssten wir alle umdenken, meint er.

Glück statt Wachstum

Die Regierungen neigten jedoch dazu, nur zu reagieren anstatt voranzugehen, glaubt Hopkins. Und Stadtverwaltungen? „Die sind auch pleite“. Deshalb hat er das Konzept einer Graswurzel-Bewegung entwickelt: „Transition Towns“. In den Städten und Gemeinden sollen sich engagierte Menschen zusammenschließen und im Kleinen daran arbeiten, das Wirtschaftssystem von Morgen zu schaffen. Hopkins´ Forderung: „Ersetzen wir das Ziel Wirtschaftswachstum durch die Ziele Wohlbefinden, Glück, Gemeinschaft und Verbundenheit.“

Einen Anfang machte Hopkins im Jahr 2006 mit Gleichgesinnten in seiner britischen Heimatstadt Totnes. Seitdem haben sich hunderte Initiativen auf der ganzen Welt gegründet und dem Konzept angeschlossen.

„Transition Town” soll die lokale Wirtschaft stärken

Cover Rob Hopkins Einfach Jetzt Machen
Cover des Buches "Einfach. Jetzt. Machen!" von Rob Hopkins

Und wie soll das neue System funktionieren? „Lokal und resilient“, schreibt Hopkins in dem 2013 erschienenen Buch „Einfach. Jetzt. Machen! Wie wir unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen.“ Mehr lokaler Einzelhandel, weniger globale Ketten lautet die Formel. Eine Studie aus den USA habe ergeben: „Landkreise mit einer höheren Dichte an kleinen Unternehmen in lokalem Besitz weisen ein höheres Einkommenswachstum pro Kopf auf“. Eine weitere Studie habe gezeigt, dass „Gemeinden, die große Supermärkte aufwiesen, weniger gemeinnützige Gruppen und Organisationen verzeichneten und damit auch über weniger Sozialkapital verfügten.“ Kurz gesagt: lokale Unternehmen halten nicht nur die Gewinne in der Kommune, sie stärken auch den Zusammenhalt in einer Gemeinde.

Resilienz meint einerseits die Fähigkeit, äußeren Störungen zu widerstehen. Darüber hinaus beruft sich Hopkins auf sieben von Michael Lewis und Pat Conaty formulierte Prinzipien:

  • Stopp des Klimawandels (der Temperaturanstieg soll auf 2 Grad Celsius begrenzt werden)
  • Diversität, bezogen etwa auf die Menschen, Kulturen oder Unternehmen einer Gemeinde
  • Modularität (viele Elemente sollen unabhängig voneinander funktionieren, um einen Dominoeffekt wie bei der letzten Finanzkrise zu vermeiden.)
  • Sozialkapital (also stabile Netzwerke und lebendige Gemeinschaften
  • Innovation (Raum für Lernen, Forschung und Experimente)
  • Überlappung von Aufgaben (Durcheinander ist oftmals besser als ein durch und durch rationalisiertes System“, meint Hopkins)
  • Kurze Feedback-Schleifen – die Auswirkungen des eigenen Handelns soll man möglichst schnell erfahren
  • Verantwortung für die Umwelt

Ein gemeinsames Experiment

„Transition ist eine Vision über eine mögliche Zukunft, gleichzeitig aber auch eine optimistische und praktische Idee“, schreibt Hopkins. Vorangetrieben werde diese Idee von Menschen aus der Nachbarschaft, die sich zusammenschließen und im Lokalen anfangen die Welt zu verändern. Das Ganze sei ein Experiment: „Keiner weiß genau, wie man es umsetzt, aber zusammen können wir es herausfinden.“

Das passiert, indem sich Initiativen einfach auf den Weg machen und ihre ganz verschiedenen Ideen erproben. In der westenglischen Stadt Bath ist aus der Transition-Initiative eine Energie-Genossenschaft hervorgegangen. Mit Photovoltaik-Anlagen und anderen Erneuerbaren Energien hat sie – schreit Hopkins – schnell Gewinn erwirtschaftet. Die Stadt Bristol hat mit dem Bristol Pound eine eigene Währung eingeführt, die den britischen Pfund ergänzt und die Bevölkerung besser mit der lokalen Wirtschaft verbinden soll. In Portalegre (Portugal) wurde vor einem großen Einkaufszentrum ein Garten angelegt, den Nachbarn nun gemeinsam bewirtschaften. Die Liste ließe sich lange fortführen. Auch in Deutschland haben sich bereits über 100 Transition-Initiativen gegründet.

Eine Chance für Kommunen?

Was ist von dem Konzept zu halten? Viele Menschen scheint es überzeugt zu haben. In Deutschland, Österreich und der Schweiz haben sich nach Angaben des Transition-Netzwerkes bereits mehr als 160 Transition-Initiativen gegründet. Manch einer hält „Transition Towns“ aber auch nur für ein Modewort, das Altbekanntes in ein neues Gewand kleidet.

Carsten Träger. Foto: spdfraktion.de (Susie Knoll)

Carsten Träger, SPD-Abgeordneter im Bundestag und dort mit nachhaltiger Entwicklung befasst, äußert sich im Gespräch mit der DEMO aufgeschlossen für das Konzept. Man diskutiere dessen Ansätze, ohne sich konkret an Rob Hopkins abzuarbeiten. „Ich sehe vielversprechende Ansätze in der Grundidee, Dinge lokal zu organisieren.“ Beispielsweise sei der Preiskampf in Supermärkten „mörderisch“, so Träger. Die kleinen Bäcker und Metzger würden vielerorts verschwinden. Dass es Leute gibt, die bewusst aus der Region kaufen, sei der richtige Ansatz.

Aber, merkt Träger an: Man dürfe sich als Gemeinde auch nicht abschotten. Ein Beispiel sei die Energiewende. „Das muss auch eine Bürger-Energie-Wende sein“, fordert Träger. Für die Umsetzung im Lokalen brauche man jedoch große Unternehmen ebenso wie den örtlichen Bauern, der eine Windkraftanlage als zweites wirtschaftliches Standbein betreibt. Wichtig ist Träger auch: „Der Globalisierung müssen wir uns stellen, wir können uns ihr nicht verweigern.“ Deshalb würden sich der Transition-Ansatz und das Engagement vieler Kommunen für Fairtrade sinnvoll ergänzen, meint der Bundestagsabgeordnete.

 

Rob Hopkins: „Einfach. Jetzt. Machen! Wie wir unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen.” Oekom Verlag 2013, 189 Seiten, 12,95 Euro. ISBN-13: 978-3-86581-458-6

Links zum Thema:
https://transitionnetwork.org/
www.transition-initiativen.de (Übersicht über Initiativen im deutschsprachigen Raum)