Umweltausschuss befasst sich mit Stickoxiden

Was tun gegen die tödlichen Abgase?

Carl-Friedrich Höck09. März 2017
Verkehr in Berlin
Verkehr am Berliner Ostkreuz: Die Luftbelastung durch Stickoxide übersteigt in Ballungsräumen die zulässigen Werte.
In Ballungsräumen übersteigt die Luftbelastung durch Stockoxide oftmals die erlaubten Grenzwerte. Die Politik muss handeln, ist sich aber nicht einig, welche Maßnahmen zu ergreifen sind. Am Mittwoch beschäftigte das Thema den Umweltausschuss des Bundestages.

„Es sterben jährlich doppelt so viele Menschen an Emissionen, wie es Unfalltote gibt“, sagt Bärbel Höhn. Die Grünen-Abgeordnete leitet den Umweltausschuss des Bundestages, der sich an diesem Mittwochvormittag mit der Luftbelastung durch Stickoxide in Ballungsräumen befasst. Die Europäische Umweltagentur hat berechnet, dass allein im Jahr 2012 in Deutschland 10.400 Todesfälle auf Stickoxide zurückzuführen seien. „Das macht dramatisch deutlich, dass wir handeln müssen“, meint auch die SPD-Abgeordnete Ulli Nissen.

Ab 2018 drohen Diesel-Fahrverbote

Mehrere Experten sind in den Ausschuss eingeladen. Das Thema ist brandaktuell: Vor zwei Wochen hat die Landesregierung Diesel-Fahrverbote für Stuttgart angekündigt – zumindest an manchen Tagen und für ältere Autos. Auch in München und anderen Städten drohen Diesel-Verbote.

Der Grund ist, dass viele deutsche Großstädte die geltenden Grenzwerte für Stickoxide um ein vielfaches überschreiten. Die EU-Kommission hat Deutschland bereits verwarnt, die Deutsche Umwelthilfe Klageverfahren gegen zahlreiche Kommunen eingeleitet. Hauptursache für die Belastung mit Stickoxiden sind die PKWs auf deutschen Straßen – und zwar insbesondere Diesel-Fahrzeuge.

Photokatalyse noch nicht praxistauglich

Gegen Feinstaub helfen Filter, die in viele Autos auch nachträglich eingebaut wurden. Bei Stickoxiden allerdings handelt es sich um ein Gas. Eine Möglichkeit, hier gegenzusteuern, könnte in Zukunft die „Photokatalyse“ sein: Ein Verfahren, mit dem schädliche Gase mittels UV-Licht in Nitrat umgewandelt und somit gefiltert werden können. „Im Labor funktioniert das“, sagt Dietmar Stephan, Professor an der TU Berlin. Im Freien aber, wo Faktoren wie Wind hinzukommen, sei die Wirkung schwer nachzuweisen. Seriöserweise müsse man davon ausgehen, dass bei Versuchen im Freien nicht mehr als zwei, drei Prozent der Stickoxide mit Photokatalyse abgebaut werden, befürchtet der Professor.

Marion Wichmann-Fiebig vom Umweltbundesamt verweist im Umweltausschuss darauf, dass die Grenzwerte zwar mit der Zeit gesenkt worden seien, die tatsächlichen Emmissionen über die Jahre aber nicht abgenommen hätten. „Das haben wir auch im Umweltbundesamt zu optimistisch eingeschätzt“, gibt sie zu. Eine mögliche Gegenmaßnahme sei es, die Mineralölsteuer anzuheben, schlägt sie vor. „Auch eine blaue Plakette wäre vielversprechend.“

Blaue Plakette kann eine Lösung sein

Viele Kommunen drängen auf eine solche blaue Plakette, die – anders als die grüne – auch den Stickoxid-Ausstoß berücksichtigen würde. Doch bisher blockieren die Verkehrsminister aus Bund und Ländern. Was sie bewirken könnte, hat unter anderem ein Gutachter für die Stadt Düsseldorf ausgerechnet, anhand der stark belasteten Corneliusstraße. Über einen Zeitraum von fünf Jahren könne die blaue Plakette dazu führen, dass die Grenzwerte hier eingehalten werden können, fasst Stefan Ferber vom Düsseldorfer Umweltamt das Ergebnis zusammen. Dabei sei davon ausgegangen worden, dass nur noch neue Diesel-Fahrzeuge mit der Euro 6-Norm sowie Benzin-Fahrzeuge mit mindestens Euro 3-Norm die Staße befahren dürfen. Auch Ausnahmeregelungen für manche Fahrzeuge seien eingerechnet worden sowie eine „natürliche Flottenerneuerung“.

Die Städte hätten schon viel gegen die Emissionen getan, betont Ferber, etwa den Radverkehr oder den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) gefördert sowie kommunale Fahrzeugflotten umgestellt. „Wir kommen an unsere Grenzen“, mahnt er den Bund zum Handeln. Einfach auf der bestehenden straßenrechtlichen Grundlage Dieselverbote auszusprechen, sei keine taugliche Lösung, erklärt Ferber auf Nachfrage einer SPD-Abgeordneten. Das führe zu einem Schilderwald, weil zahlreiche Durchfahrt-Verbote sowie die Einschränkung auf Diesel-Fahrzeuge ausgeschildert werden müssten. Zweitens würde das den Verkehr auf Nachbarstraßen verdrängen. Und drittens stelle sich die Frage, wie Sonderregelungen für Handwerker oder Feuerwehrautos umgesetzt werden könnten.

Was helfen Steuern, ÖPNV und Tempolimits?

Hier müsse man abwägen, meint Professor Alfred Wiedensohler vom Leibnitz-Institut für Troposhärenforschung (TROPOS). Ein Verbot älterer Dieselautos bis zur Euro-Norm 5 – die vor zwei Jahren noch als Neuwagen verkauft wurden – bedeute einen enormen Wertverlust. Wiedensohler war nach eigener Aussage involviert, als in Leipzig die Umweltzone eingeführt wurde. „Das erzeugt ökonomisch hohe Kosten“, warnt der Professor. Aber auch er drängt zum Handeln. Ein möglicher Weg sei, die Privilegien für Dieselfahrzeuge zu kassieren, meint der Professor.

Den Steuervorteil für Diesel zu streichen und das Geld in den ÖPNV zu stecken ist auch ein Gedanke, den die SPD-Abgeordnete Ulli Nissen aufgreift. Zudem will sie wissen, ob Kommunen nicht mit Tempolimits gegen die Emissionen vorgehen können. Stefan Ferber antwortet, zumindest an verkehrsbelasteten Achsen wie der Düsseldorfer Corneliusstraße seien die Möglichkeiten begrenzt. Ohnehin gebe es hier „fast nie flüssigen Verkehr“. Mehr Geld für den Nahverkehr hält zumindest Professor Wiedensohler für notwendig: In Leipzig sei der ÖPNV komplett überlastet. Aber Marion Wichmann-Fiebig vom Umweltbundesamt warnt sogleich: Ein Allheilmittel sei auch das nicht.

Blaue Plakette „würde Planungssicherheit schaffen”

So erscheint die blaue Plakette am Ende der Sitzung als wirkungsvollste Lösung. Umsetzen könne man sie ohnehin „nicht von heute auf morgen“, ruft Wichmann-Fiebig in Erinnerung. Aber die Einführung würde Planungssicherheit für alle schaffen. Und Rita Schwarzelühr-Sutter, die parlamentarische Staatssekretärin für Umwelt, unterstreicht: „Wir überlegen, wie wir Kommunen eine Möglichkeit geben können, die blaue Plakette einzurichten.“

Doch die Unions-Fraktion im Bundestag sowie Verkehrsminister Alexander Dobrindt sperren sich gegen eine blaue Plakette. Auch die Bundesländer sind uneins: Baden-Württemberg, Bremen, Hessen und Berlin wollen die Plakette, andere Länder lehnen sie ab. Im Oktober vergangenen Jahres sprach sich die Verkehrsministerkonferenz mehrheitlich gegen die Einführung aus.