Recherche des Mediendienstes Integration

Unterbringung von Geflüchteten: Warum es aktuell Engpässe gibt

Jonas JordanCarl-Friedrich Höck17. Februar 2023
Wie hier in Köln sind zahlreiche Geflüchtete in Deutschland aktuell in großen Messe- oder Turnhallen untergebracht. Das hat Gründe.
Viele Kommunen in Deutschland klagen zur Zeit über Kapazitätsengpässe bei der Unterbringung von Geflüchteten. Doch schuld ist nicht allein die Zahl der Menschen, wie eine Recherche des Mediendienstes Integration jetzt ergab.

Mehr als eine Million Menschen sind seit Kriegsbeginn aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. Auch die Zahl der geflüchteten Menschen aus anderen Ländern ist im Jahr 2022 im Vergleich zu den beiden Vorjahren deutlich angestiegen. Das führt zu Engpässen bei Städten und Kommunen bei der Unterbringung dieser Personen. Viele verharren auch nach Wochen und Monaten in Erstaufnahmeeinrichtungen, die eigentlich nur für wenige Tage gedacht waren. Am Donnerstag berieten Bund, Länder und Kommunen bei einem Flüchtlingsgipfel in Berlin über den Umgang mit der dramatischen Lage. Zugleich zeigt eine Recherche des Mediendienstes Integration, dass die derzeitige Problematik gar nicht in erster Linie an der Anzahl der Menschen liegt.

Wie werden Geflüchtete auf die 16 Bundesländer verteilt?

Grundsätzlich geschieht die Verteilung der Geflüchteten auf die 16 Bundesländer nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel. Mit diesem wird jedes Jahr neu auf der Basis von Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl festgelegt, wie viele Asylbewerber*innen ein Bundesland aufnehmen muss. So soll eine angemessene und gerechte Verteilung auf die Bundesländer sichergestellt werden. Dies gilt auch für die Geflüchteten aus der Ukraine.

Wie sind die Kapazitäten in den Ländern?

Alle Bundesländer haben ihre Aufnahmekapazitäten im Jahr 2022 deutlich erweitert. Dazu zählen auch Notunterkünfte in Messe- und Sporthallen sowie in Hotels und anderen temporären Unterbringungen. Bundesweit wurden seit März 2022 mindestens 74.000 Plätze geschaffen. Trotzdem ist die Aufnahmeinfrastruktur in fast allen Bundesländern stark ausgelastet.

So ergab die Recherche des Mediendienstes Integration, dass die Aufnahmeeinrichtungen in Bayern und im Saarland zu mehr als 90 Prozent ausgelastet sind. Auch Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt gaben an, dass ihre Einrichtungen „weitgehend ausgelastet“ sind. Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz beziffern die Auslastung ihrer Einrichtungen auf mehr als 80 Prozent. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern liegt sie bei drei Vierteln, in Niedersachsen bei 65 Prozent. In Hessen, Sachsen, Thüringen und Schleswig-Holstein beträgt die Auslastung rund 50 Prozent.

Wie kam es zur Überlastung des Aufnahmesystems?

Laut Migrationsforscher*innen liegt die Überlastung nicht hauptsächlich in der reinen Zahl der Menschen begründet, zumal vielerorts die Kapazitäten seit den Jahren 2015/16 deutlich ausgebaut worden seien. Allerdings hat sich speziell durch die Geflüchteten aus der Ukraine eine neue Situation ergeben. Denn normalerweise werden Schutzsuchende gleich bei der Einreise auf die Bundesländer verteilt – und erst später auf die Kommunen. Viele Ukrainer*innen sind jedoch zunächst privat untergekommen – in Mietwohnungen, bei Verwandten, Bekannten oder etwa bei Gastfamilien.

Wenn sie später aus diesen Unterkünften ausziehen, werden sie direkt in das jeweilige kommunale Aufnahmesystem integriert. Sie werden nicht weiter verteilt, denn sie sind bereits an ihrem Wohnort registriert, beziehen dort Sozialleistungen und ihre Kinder gehen zur Schule. Dadurch konzentrieren sich offenbar viele Geflüchtete an bestimmten Orten.

Wo ist die Belastung am größten?

Insbesondere in den Großstädten sind die Aufnahmekapazitäten nahezu ausgeschöpft: So geben beispielsweise die Behörden in Berlin und Köln an, dass rund 90 Prozent der verfügbare Plätze belegt seien. In Leipzig und Hamburg sieht es ähnlich aus. In den genannten Städten, aber teilweise auch im ländlichen Raum, kommt zur Auslastung der Aufnahmekapazitäten auch der Mangel an bezahlbaren Wohnungen als weiteres Problem hinzu. So haben viele Geflüchtete Schwierigkeiten, eine langfristige Bleibe zu finden. Das führe dazu, dass Geflüchtete länger in kommunalen Unterkünften bleiben müssen. Dort fehle dann wiederum der Platz, um Geflüchtete aus der Erstaufnahme unterzubringen, so der Mediendienst Integration.

Was soll sich ändern?

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will prüfen, wo es in Deutschland noch freien Wohnraum und Leerstände gibt. Die Lage sei nicht überall gleich, sagte sie nach dem Flüchtlingsgipfel am Donnerstag. Bis Ostern soll eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertreter*innen von Bund, Ländern und Kommunen, konkrete Vorschläge erarbeiten, wie die Probleme bei der Unterbringung gelöst werden können. Angekündigt wurde auch ein digitales Integrations-Dashboard. Es soll helfen, einen besseren Überblick über die Lage zu gewinnen. Mit dem Dashboard sollen Daten der Bundes-, Landes- und der kommunalen Ebene zusammengeführt werden.

 

Dieser Text ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen.

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