Nachhaltiger Tourismus

Wenn Urlaub und Naturschutz Hand in Hand gehen

Karin Billanitsch10. März 2017
Ein See in der hügeligen, weiten Landschaft der Uckermark läd zum Baden, Bootfahren oder Wandern am Ufer ein. Tourismus sichert Arbeitsplätze in ländlichen Regionen.
Immer mehr Urlauber wollen umweltfreundlich reisen. Die Beauftragte der Bundesregierung für Tourismus, Iris Gleicke (SPD) ist überzeugt: „Gerade ländlichen Regionen eröffnen sich im nachhaltigen Tourismus Chancen.“ Sie warnt aber auch: „Gefährlich für die eigentlich wirklich gute touristische Entwicklung sind Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit.“

Sanfte Hügel, Kopfweiden, Felder und Wasser, Wasser, Wasser: Südlich des Weilers Potzlow schweift der Blick über die weite Moränen-Landschaft der Uckermark. Wer Kraniche und Kormorane, Weißstörche und Graureiher und mit etwas Glück sogar Fischadler beobachten möchte, ist hier richtig, genau im „Herzen der Uckermark“. Das ist der Slogan des Dorfes auf der Internet-Seite. Ein hölzerner Roland im Turm der Kirche erinnert noch heute an die Stadtrechte des einst eigenständigen Ortes. Heute gehört Potzlow mit weiteren Dörfern zur Gemeinde Oberuckersee im Amt Gramzow. Eines von vielen Dörfern, wie sie in der dünn besiedelten Region typisch sind. Vielen Bewohnern gibt der Tourismus ein Auskommen oder Zubrot.  

Beliebtestes Reiseziel der Deutschen ist das eigene Land

Die Deutschen lieben Urlaub im eigenen Land: Es ist mit einem Marktanteil von rund 30 Prozent der Reisen das mit Abstand beliebteste Reiseziel, verkünden die Tourismusverbände.  366,5-millionenmal übernachteten inländische Gäste im Jahr 2016 laut amtlicher Statistik zwischen Garmisch und Flensburg. Natürlich ziehen die deutschen Städte und Landschaften auch Millionen Besucher aus dem Ausland an: Mit insgesamt über 447 Millionen Übernachtungen ist der Tourismus hierzulande ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.

Doch die Zahlen zeigen auch: die Touristenströme konzentrieren sich auf die großen Städte – die ländlichen Räume hinken hinterher. Dabei hat der Tourismus – gerade in den strukturschwachen, ländlichen Räumen – wirtschaftlich eine besondere Bedeutung. Hier ist besondere Phantasie gefragt, um Gäste anzulocken. In der Broschüre „Mit Bus und Bahn – ohne Auto mobil“ der Tourismus Marketing Uckermark GmbH (tmu) finden sich reichlich Tipps zum Wandern, Radfahren oder Baden. Wer etwa zum „Mittelpunkt der Uckermark“ fahren will, kann im 15 Kilometer entfernten Prenzlau ein E-Bike mieten und rund um den Ober- und Unteruckersee radeln. Zwischen Potzlow und Seehausen liegt tatsächlich das geografische Zentrum der Uckermark.

Die Uckermark auf der Reisemesse ITB 2017

Zu dem Treffpunkt der Branche, der internationale Reisemesse ITB in Berlin, ist auch Silke Rumpelt gekommen. Sie steht am Stand der tmu in Halle 12 und wirbt für erholsame Tage in weiter Natur.  Es dreht sich alles um umweltschonendes und klimafreundliches Reisen. Hier finden sich neben der Broschüre mit den Ausflugstipps Infos über Hofläden, Bio-Bäckereien, Gastronomie, und tiefer gehende Informationen über ein ganzes Netzwerk der Nachhaltigkeit. “Wir haben Anbieter angesprochen, beim „Netzwerk Ferien fürs Klima“ mitzumachen. Sie erfüllen alle die Anforderungen eines von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde entwickelten Kriterienkataloges“, erläutert Silke Rumpelt. Es gibt auch Leitsätze und ein Leitbild der nachhaltigen Entwicklung.

Dass der Landkreis als Ziel für sanften, nachhaltigen Tourismus bekannt ist, daran hat die Tourismus-Fachfrau einen wesentlichen Anteil. Im Jahr 2013 stand die Uckermarck beim  „Bundeswettbewerb für nachhaltige Tourismusregionen“ auf dem ersten Platz. „Die Uckermark hat es geschafft, unter schwierigen Bedingungen ein überzeugendes touristisches Angebot auf die Beine zu stellen. Sie setzt auf Klimafreundlichkeit, auf ihre eindrucksvolle Naturlandschaft und sensibilisiert die Menschen so für Nachhaltigkeit“, sagte der damalige Bundesumweltminister Peter Altmaier. „Es geht nicht nur um Klimaschutz, sondern um eine ganzheitliche nachhaltige Betrachtung“, erklärt Rumpelt ihr Konzept. Wir wollen Gäste, die wieder kommen und länger bleiben.“ 2,7 Tage halten sich Gäste im Durchschnitt im Land Brandenburg auf.

Iris Gleicke: „Echte Chance für strukturschwache Regionen“

„Tourismus ist gerade für strukturschwache Regionen eine echte Chance. Und Nachhaltigkeit gehört zum Markenkern des „Reiselands Deutschland“, sagt die Parlamentarischen Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Wirtschaft und Energie und Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Mittelstand und Tourismus, Iris Gleicke gegenüber der DEMO.  Mit unseren 16 Nationalparks, 15 Biosphärenreservaten und 104 Naturparks haben wir etwas vorzuweisen. Wer hier auf eine gute Infrastruktur und auf Gastfreundschaft setzte, sei gut gerüstet und verbessere seine Chancen bei den Touristen der Zukunft. Gleicke: „Der Bund hat da in der Vergangenheit geholfen und wird das auch in Zukunft tun, das will ich jedenfalls schwer hoffen: Schließlich haben wir seit 1991 mit der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ein Investitionsvolumen von rund 13,2 Mrd. Euro in gut 10.000 Projekten angestoßen.“ Gerade Ostdeutschland braucht sich beim nachhaltigen Tourismus nicht zu verstecken. Ich denke nur an das Grüne Band in meinem Heimatland Thüringen.

Bislang boome hauptsächlich der Städtetourismus, das räumt Gleicke ein. „Aber genau deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir mit diesen ganzen Rekorden das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht haben. Wir können noch mehr Gäste gewinnen. Nämlich alle die, die nicht nach städtischem Trubel und dem ultimativen Shopping-Erlebnis suchen, sondern nach etwas anderem. Leider ist immer noch viel zu wenig bekannt, dass auch unsere ländlichen Regionen mit ihren wunderschönen Landschaften und faszinierenden Kulturräumen unheimlich viel zu bieten haben.“

Aber: „Gefährlich für die eigentlich wirklich gute touristische Entwicklung sind Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“, warnte Gleicke. „Gastfreundschaft und Fremdenhass schließen einander schlicht und ergreifend aus“. Die Touristen aus der ganzen Welt werden nur dann zu uns kommen, wenn sie wissen, dass sie in Deutschland zu Gast bei Freunden sind. Wenn sie dann im Fernsehen brennende Flüchtlingsheime sehen, bleiben sie weg und fahren lieber woanders hin. Ich sage das auch deshalb immer so klipp und klar, weil man bei manchen Leuten mit moralischen Appellen offenbar nicht weiterkommt. Rechtsextremisten und Ausländerhasser versauen nicht nur unseren guten Ruf. Die sägen auch an dem Ast, auf dem wir alle sitzen.

Bundeswettbewerb für „Nachhaltige Tourismusdestinationen“

Ein paar Meter weiter in Halle 12 hat der Deutsche Tourismusverband (DTV) seinen Stand aufgebaut. Das ist die Dachorganisation von rund 100 kommunalen, regionalen und landesweiten Tourismusorganisationen. In diesem Jahr bildet der nachhaltige Tourismus auf der Messe einen der Schwerpunkte. „Wir bekennen uns ausdrücklich zu einer nachhaltig zukunftsorientierten touristischen Entwicklung in Deutschland“, bekräftigt Iris Hegemann vom DTV.

Der DTV ist Projektträger der zweiten Auflage des Bundeswettbewerbs „Nachhaltige Tourismusdestinationen“. „Wir haben Reiseregionen, Städte und Destinationen gesucht, die nachhaltige Tourismuskonzepte bereits besonders überzeugend in die Praxis umgesetzt haben,“ erklärt Iris Hegemann. Das Bundesumweltministerium fördert den Wettbewerb finanziell. Wie engagiert Kommunen bei nachhaltigem Tourismus schon sind, soll durch den Wettbewerb einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden. Auch „fehlen den Kommunen bisher praxistaugliche Kriterien“, so Hegemann.

Deshalb hat der DTV, unterstützt etwa durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) einen Praxisleitfaden veröffentlicht. Dieser liefert Kommunen, die sich zu einem nachhaltigen Tourismusziel entwickelt wollen, praktische Hilfestellungen an die Hand – der Wettbewerb greift die Inhalte auf. „Rund 30 Bewerbungen sind bereits eingegangen“, sagt Hegemann. Auch die Uckermark ist wieder dabei.

Den Wortlaut des DEMO-Interviews mit Iris Gleicke finden Leser unter www.demo-online.de