Coronavirus

Wie die Verkehrsbetriebe auf die Corona-Pandemie reagieren

Karin Billanitsch17. März 2020
An der vorderen Tür kein Einstieg: Wie die Berliner Verkehrsbetriebe ergreifen viele Verkehrsverbünde Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung des neuen Corona-Virus.
Das Coronavirus hat Auswirkungen auf die öffentliche Daseinsvorsorge. Auch im Öffentlichen Personennahverkehr gibt es Veränderungen.

Seit einigen Tagen müssen sich die Fahrgäste der Berliner Verkehrsbetriebe umgewöhnen: Sie können nicht mehr durch die Vordertür beim Busfahrer einsteigen. Der Fahrerbereich ist sogar mit Absperrband gesichert. Das sind einige der Schutzmaßnahmen, die die Verkehrsbetriebe in Berlin und anderen Städten zum Schutz ihrer Fahrer angeordnet haben.

30 Millionen nutzen öffentliche Busse oder Bahnen

Nach Angaben des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) nutzen jeden Tag immerhin an die 30 Millionen Menschen bundesweit öffentliche Busse und Bahnen, rund 600 Betriebe des öffentlichen Personenverkehrs und des Schienengüterverkehrs sind dem Verband angeschlossen.

In Berlin sind die Schulen und Kitas geschlossen, Veranstaltungen werden abgesagt – doch der ÖPNV soll „so lange wie möglich ohne Einschränkungen“ erhalten bleiben. So will es der Berliner Senat auf Vorschlag von der zuständigen Senatorin für Umwelt, Verkehr- und Klimaschutz, Regine Günther.

„Wichtige Infrastruktur wie Krankenhäuser, Sicherheitsbehörden und Versorgungsbetriebe sollen für alle Menschen, ob Personal, Patient*innen oder Kund*innen, möglichst gut erreichbar bleiben“, heißt es in einer Pressemitteilung des Berliner Senats. Außerdem führen die Verantwortlichen an, je weniger Busse und Bahnen fahren, desto enger wäre es und entsprechend höher das Ansteckungsrisiko.

Keine Tickets beim Fahrer

Auch in Würzburg und Dresden, Hamburg, Lübeck oder Heilbronn, Dortmund, Duisburg, Wuppertal, Essen und Bochum und vielen weiteren Städten gelten Schutzvorkehrungen, wie man aus örtlichen Medienberichten erfahren kann. Weil es bei den Fahrern auch keine Tickets mehr zu kaufen gibt, müssen die Fahrscheine am Automaten oder per Handyticket gekauft werden. „Damit soll die Wahrscheinlichkeit einer Virenübertragung beim Ticketkauf und dem Geldwechsel minimiert werden“, erklärt die Duisburger Verkehrsgesellschaft.

Das dürfte in Städten auch kein Problem sein, wo es überall Ticketautomaten gibt. Im ländlichen Raum dagegen, wo es nicht flächendeckend Automaten gibt, werben die Verkehrsbetriebe für Ihre Fahrschein-Apps, so etwa die Verkehrsbetriebe Oberhavel.

Türen öffnen automatisch

Auch zum Schutz der Fahrgäste gibt es Maßnahmen: So werden vielerorts die Türen an jeder Haltestelle automatisch geöffnet, so dass die Halteknöpfe nicht mehr gedrückt werden müssen.

Bei der Düsseldorfer Rheinbahn setzt man auf frische Luft: „Da das Robert-Koch-Institut regelmäßiges Lüften empfiehlt, öffnen wir an jeder Haltestelle zentral unsere Fahrzeuge, sagt eine Sprecherin zu rp-online.

VDV: Pandemieplan für Unternehmen

Der VDV hat bereits im Jahr 2009 eine Pandemieplanung mit Empfehlungen für Verkehrsbetriebe erarbeitet. Er ist allerdings auf Influenza fokussiert. Der Plan enthält nur Empfehlungen, die Entscheidungen treffen die Unternehmen vor Ort in Zusammenarbeit mit den Krisenteams und den Behörden. Empfohlen wird darin auch eine Flächendesinfektion, zum Beispiel von Haltestangen in Bussen und Bahnen und allen Flächen, die mit dem Virus benetzt sein können. Weiter heißt es: „Aber schon übliche Reinigungsmittel (Seifenreinigung) vermindern das Infektionsrisiko.“

Generell reinigen die Deutsche Bahn und die meisten kommunalen Verkehrsbetriebe ihre Wagen regelmäßig und gründlich. Manche Verkehrsverbünde haben nun verkündet, dass sie zusätzlich desinfizieren oder noch intensiver als bisher reinigen (Beispiele Schweinfurt, Fürth, Augsburg). Die Münchener Verkehrsbetriebe MVG sehen von einer großangelegten Desinfektionsaktion ab, allein schon wegen der Größenordnung. Allein zur Hauptverkehrszeit seien in München rund 550 Busse im Einsatz. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte im Bayrischen Rundfunk: „Wir machen keine Showveranstaltung und gehen mit dem Dampfstrahler durch die U-Bahn-Wägen, sondern wir machen das, was aus medizinischer Sicht erforderlich ist.“

Darüber hinaus informieren auch viele Verkehrsverbünde in Aushängen und auf ihren Internet-Seiten über die allgemein empfohlenen Hygienemaßnahmen, wie Händewaschen (20 Sekunden) und Niesen (in ein Taschentuch oder in den Ellbogen).

Alternativen zu Bus und Bahn nutzen

Viele Menschen steigen auch auf Alternativen um, wenn es möglich ist, zum Beispiel auf das Fahrrad. In einem Podcast des Berlin Institute of Health (BIH) empfiehlt der führende Virologe der Charité, Christian Drosten, „ich würde nur noch Fahrrad fahren, was ich sowieso schon relativ viel tue …“ . Der Branchenverband VSF stellt fest: „Das Fahrrad wird in den nächsten Wochen, neben dem Auto das wichtigste Verkehrsmittel sein, da es infektionssicher und von jedermann genutzt werden kann.“ Deshalb fordert der Verband, dass Fahrradwerkstätten als wichtige Infrastruktur geöffnet bleiben.

Car-Sharing-Anbieter reagieren

Ob die Verkehrsteilnehmer*innen verstärkt auf Car-Sharing-Angebote zurückgreifen, weil sie Busse und Bahnen meiden, konnte der Bundesverband nicht beantworten, da entsprechende Zahlen nicht abgefragt worden seien, wie es hieß. Wie das Handelsblatt berichtet, verzeichnet zum Beispiel der Carsharing-Anbieter Share Now europaweit eine eher sinkende Nachfrage. Eine Einstellung der Dienste sei bei Share Now keine Option.

Allerdings würden nun einige Anbieter Vorsorgemaßnahmen ergreifen, um das Ansteckungsrisiko zu mindern und die Wagen besonders gründlich desinifizieren.

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