Luftverschmutzung

Warum die Verkehrsminister um die blaue Plakette streiten

Karin Billanitsch07. Oktober 2016
Die Grenzwerte für Stickoxide, die die Luftqualitätsrichtlinie der EU vorschreibt, werden in einer Reihe von Städten überschritten.
Die Verkehrsministerkonferenz hat die Einführung einer blauen Plakette zur Verschärfung der bekannten Umweltzone – vorerst – abgelehnt. Doch das Thema Belastung durch Dieselauto-Verkehr in deutschen Städten ist damit nicht vom Tisch.

Die am wohl stärksten mit Stickoxiden belastete Straße in Deutschland geht durch Stuttgart – am Neckartor werden nach offiziellen Daten des Umweltbundesamts so hohe Stickoxidwerte gemessen wie nirgends sonst in Deutschland. Doch die Luftreinhaltung ist nicht nur dort ein Problem: Mit hohen Belastungswerten haben Städte deutschlandweit zu kämpfen, wie eine aktuelle Studie der Universität Heidelberg im Auftrag von Greepeace nahe legt.

„Problem der Luftverschmutzung größer als gedacht“

Aus den Messwerten, die Greenpeace in zwölf Städten von Augsburg bis Wiesbaden an verschiedenen Punkten auch abseits der offiziellen Messstationen erhoben hat, folgern die Umweltschützer, dass das Problem „weit größer sei, als bisher angenommen“. Mit Blick auf die am Donnerstag und heute tagende Verkehrsministerkonferenz in Stuttgart forderten sie die zuständigen Verkehrsminister auf, endlich aktiv zu werden.

Die Länder Baden-Württemberg, Bremen und Hessen fordern, eine gesetzliche Grundlage für die Einführung einer „Blauen Plakette“ zu schaffen. Fahrzeuge, die die neueste Euro-6-Norm nicht einhalten, könnten demnach in bestimmten, stark belasteten Gebieten nicht mehr fahren. Allerdings wurde die Initiative der drei Länder von der Verkehrsministerkonferenz mehrheitlich abgelehnt – trotz der massiven Probleme mit der Luftreinhaltung in Deutschland. Laut Baden-Württembergs grünem Verkehrsminister Winfried Hermann wurde die blaue Plakette aber nicht generell abgelehnt, wie tagesschau.de berichtete. Das Thema sei einfach noch nicht entscheidungsreif und bleibe auf der Agenda der Politiker, sagte Hermann demnach.

Städtetag: „Es besteht Handlungsbedarf“

Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, hat unlängst in einem Aufsatz darauf aufmerksam gemacht, dass es bezüglich des Ausstoßes von Stickoxiden in Deutschland rund 80 Städte gebe, in denen Grenzwerte überschritten würden. Dedy hat Handlungsbedarf festgestellt und betont: „Die Ursache für erhöhte Stickoxidwerte liegt nicht in den Städten. Sie müssen aber mit den Symptomen dieses Problems umgehen.“

Unter den Verkehrsministern ist die Einführung der blauen Plakette umstritten. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bleibt bei seiner ablehnenden Haltung; aber auch etwa der niedersächsische Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) ist gegen die Einführung der blauen Plakette und begründete das gegenüber der Osnabrücker Zeitung unter anderem damit, dass der Kauf von CO2-armen Dieselfahrzeugen jahrelang beworben worden sei. Gegen genau diese Autos richte sich nun die blaue Plakette. Wichtiger sei, die Elektromobilität auszubauen und den Verkehrsfluss in den niedersächsischen Städten zu verbessern.

Dedy: „Autoindustrie ist in der Pflicht“

Zusätzlich gibt der Städtetag zu bedenken: Eine Verschärfung der Umweltzonen durch eine blaue Plakette ist aus seiner Sicht des Städtetags nicht sinnvoll, solange es sogar neueste Dieselautos nach der Euro-6-Norm gibt, die dennoch im Fahrbetrieb zu viele Schadstoffe ausstoßen. Helmut Dedy sieht die Autoindustrie in der Pflicht: „Die Schadstoffe müssen an der Quelle bekämpft werden. Die Autoindustrie muss die Fahrzeuge sauberer machen.“ Uns weil eine deutliche Reduzierung der Stickoxid-Belastung in den deutschen Innenstädten nicht schnell erreicht werden kann, fordert der deutsche Städtetag eine lebensnahe realistische Fristverlängerung durch die Europäische Union zur Einhaltung der NO2-Grenzwerte.

In Stuttgart will die SPD-Fraktion im Rathaus nun auf eine Nahverkehrsoffensive setzen und die Angebote verbessern, damit mehr Menschen auf öffentliche Busse und Bahnen umsteigen. Das konkrete Ziel: Mindestens die Hälfte aller motorisierten Wege soll mit Bus oder Bahn zurückgelegt werden.

Urteil in Düsseldorf: Fahrverbote auch ohne Plakette möglich

Auch wenn die bundesweite Einführung einer blauen Plakette erst einmal gestoppt ist: Städte, in denen die Grenzwerte überhöht sind, könnten gleichwohl gezwungen sein, Fahrverbote zu erlassen. Das macht ein Urteil deutlich, das das Verwaltungsgericht Düsseldorf gegen die Bezirksregierung erlassen hat. Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe. Die Bezirksregierung muss nach dem Urteil den Luftreinhalteplan für Düsseldorf ändern, zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Das Interessante an dem Urteil: Die Richter sind der Auffassung, dass Fahrverbote für Dieselfahrzeuge rechtlich bereits heute möglich sind. „Der Einführung einer blauen Plakette bedarf es nicht zwingend“, heißt es. Vielmehr führte der Vorsitzende der Kammer aus, das Immissionsschutz- und Straßenverkehrsrecht enthalte heute schon entsprechende Grundlagen (Aktenzeichen 3 K 7695/15).