Verkehrspolitik

Warum viele Brücken neu gebaut oder saniert werden müssen

Karin Billanitsch17. August 2018
Die Mülheimer Brücke führt in Köln über den Rhein. Ihre Generalsanierung hat die Stadt seit diesem Jahr in Angriff genommen.
Die tragischen Ereignisse in Genua haben auch in Deutschland eine Diskussion über den Zustand deutscher Brücken entfacht. Wenig bekannt ist, das 67.000 der rund 140.000 Brücken in Deutschland in kommunaler Verantwortung sind. Nach einer Studie müssen die Kommunen bis zum Jahr 2030 für den Ersatzneubau der Brücken rund 16 Milliarden Euro aufbringen.

Eine Autobahnbrücke, die über ein Gewerbegebiet führt, bricht bei laufendem Verkehr zusammen: Das Brückenunglück im italienischen Genua hat auch hierzulande ein Schlaglicht auf den Zustand der Brücken in Deutschland geworfen. Beginnt man mit einer ersten Bestandsaufnahme, zeigen Zahlen der Bundesanstalt für Straßenwesen, dass es rund 40.000 Brücken auf deutschen Bundesstraßen und Autobahnen gibt. Doch das sind bei weitem nicht alle: Es existieren an die 67.000 Brücken, für die Kommunen, also Städte und Gemeinden zuständig sind sowie rund 25.000 Eisenbahnbrücken in der Verantwortung der Deutschen Bahn. Dazu kommen weitere, die in Länderverantwortung stehen, insgesamt rund 140.000. Nicht gerechnet sind hier die vielen kleineren Brücken, die mit Radwegen oder Fußwegen zusammenhängen bleiben.

Viele Brücken kommen in die Jahre

Das Problem ist schon länger bekannt: im Bauboom der 1960iger und 70iger Jahre wurden viele Brücken in Deutschland gebaut – und ihre Lebensdauer läuft nun nach und nach ab. In einer Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) über den „Ersatzneubau kommunaler Straßenbrücken“ heißt es : „Diese Bauten erreichen nun ein Alter, bei dem die Instandsetzungskosten überproportional steigen und zum Teil Abgänge zu verzeichnen sind.“ Hier muss also abgerissen und neu gebaut werden, nur sanieren reicht nicht mehr.

Was das bedeutet, zeigen die Zahlen, die der Branchenverband der Bauindustrie aktuell vorgelegt hat: An Bundesfernstraßen gibt es demnach mehr als 39.000 Brücken und 50.000 Teilbauwerke, „deren Zustand sich zunehmend verschlechtert“. Seit dem Jahr 2000 habe sich der Bestand an Brückenfläche mit sehr gutem bzw. gutem Zustand mehr als halbiert, während der Anteil an Brücken mit gerade noch ausreichendem Zustand um die Hälfte gestiegen ist, bemängelt die deutsche Bauindustrie.

Wissenschaftler: Keine Einsturzgefahr in Deutschland

Bei den kommunalen Brückenbauwerken sieht die Situation nicht anders aus: Über 10.000 kommunale Straßenbrücken müssen bis 2030 ersetzt werden, prognostizieren die Autoren der Difu-Studie –rund 15 Prozent der kommunalen Straßenbrücken in ganz Deutschland. Die Studie datiert zwar aus dem Jahr 2013, „ist aber heute noch aktuell“, wie der Ingenieur und Wissenschaftler Wulf-Holger Arndt bestätigt: „Seither ist nicht viel passiert“. Arndt ist neben seiner wissenschaftlichen Arbeit für das Difu auch an der TU Berlin tätig. Als einsturzgefährdet sieht der Experte allerdings keine Brücke in Deutschland: „Wir haben hier strenge Regeln, alle drei bis sechs Jahre gibt es verpflichtende Brückenprüfungen“ erläutert Arndt. Das sei anderswo im Ausland nicht immer der Fall. Tauchen Sicherheitsprobleme auf, würden sofort Maßnahmen ergriffen.

Das bedeutet allerdings nicht automatisch, dass die Brücke sofort repariert wird: „Es kann zu Sperrungen kommen, eine Spur wird verengt oder zum Beispiel für den Güterverkehr oder Autoverkehr ganz gesperrt. Besonders bekannt sind ist etwa der Fall der Rheinbrücke an der BAB A1 bei Leverkusen, eine seit Jahren bekanntermaßen marode Autobahnbrücke, die mittlerweile für LkW-Verkehr über 3,5 Tonnen ganz gesperrt ist. Zum Schaden von anderen Brücken, über die jetzt der Schwerlastverkehr brettert. Stark belastet ist etwa die Mülheimer Brücke in Köln. Das Bauwerk aus dem Jahr 1951 wird nach Angaben der Stadt seit Mai diesen Jahres saniert bis voraussichtlich bis Ende 2022 – 137 Millionen Euro sind dafür veranschlagt, 35 Millionen davon sind Landesmittel.

Forderung: „Mehr Güterverkehr auf die Schiene verlagern“

„Zur Bauzeit damals hat niemand mit der sehr starken Verlagerung des Güterverkehrs auf die Straßen gerechnet“, sagt Arndt. Ein LkW mit 40 Tonnen habe die gleiche Wirkung bei der Abnutzung wie 10.000 PkW. „Das ist das große Problem.“ Das sei ebenso wenig absehbar gewesen eine schnellere Alterung des verwendeten Betons. Er fordert – neben einem notwendigen Sanierungsprogramm – „dringend, wieder mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern.“

Es gibt also dringenden Handlungsbedarf. Nach Meinung der deutschen Bauindustrie stehen „in Deutschland ausreichend Gelder zur Verfügung“. Zwar hat das Bundesverkehrsministerium die Investitionen für den Erhalt von Bundesfernstaßen aufgestockt (3,9 Milliarden Euro, die bis 2022 auf rund 4,4 Milliarden Euro im Jahr anwachsen). Aber das allein reicht nicht, denn dabei bleiben die Kommunen außen vor. Sie müssten laut Prognosen des Difu bis 2030 jedes Jahr 930 Millionen Euro für neue Brücken oder Teilneubau investieren – insgesamt 16 Milliarden.

DIW-Chef Fratzscher: „Ausgleich zwischen reichen und armen Kommunen“

Den Kommunen geht es finanziell gut: Sie können aktuellen Schätzungen zufolge mit einem Überschuss von mehr als 7,6 Milliarden Euro rechnen.

Doch es gibt ein großes Aber: Die regionalen Unterschiede sind riesig. Das macht der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Marcel Fratzscher deutlich: Zwar hätten viele Kommunen und Länder hohe Überschüsse, räumte Fratzscher gegenüber dem „Handelsblatt“ ein. Aber 30 Prozent der Kommunen wiederum seien hochverschuldet, sagte er. „Es geht darum, die Unterschiede zwischen reichen und armen Kommunen auszugleichen, damit auch die hochverschuldeten Kommunen ihre Eigenverantwortung wieder wahrnehmen können“, forderte Fratzscher.

SPD entlastet Kommunen

Die SPD hat in der vergangenen Legislatur bereits viele Hilfen für die Kommunen auf den Weg gebracht. Um gleichwertige Lebensverhältnisse überall in Deutschland zu ermöglichen, wurde ein Fonds für kommunale Investitionen eingerichtet – etwa in Bildung und Infrastruktur. Er greift finanzschwachen Kommunen unter die Arme. Der zunächst mit 3,5 Milliarden ausgestattete Topf wurde um weitere 3,5 Milliarden für die Sanierung von Schulen aufgefüllt. Auch hier liegt immer noch viel im Argen, wie eine neue KfW-Studie zeigt.

Doch mancherorts gibt es selbst dann Probleme, wenn Geldhilfen vorhanden sind. In vielen finanzschwachen Städten und Gemeinden fehlt es an Personal, „vor allem in Bauämtern“ wie Marcel Fratzscher feststellt. Die Hoffnungen vieler Kommunen liegen nun bei der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“, die die Bundesregierung – auf Initiative der SPD – eingerichtet hat. Dort wollen die kommunalen Verbände den Finger auf die Wunde legen und aufzeigen, wie unterschiedlich die Probleme und Möglichkeiten der Kommunen sind.