Kommunale Unternehmen

VKU-Präsident Michael Ebling: „Stadtwerke können Innovationstreiber sein.“

Kai Doering26. April 2021
Keine Müllberge trotz Corona: Auch in der Pandemie ist auf die kommunalen Unternehmen Verlass, sagt VKU-Präsident Michael Ebling.
Trotz Lockdown wird der Müll zuverlässig abgeholt, die Versorgung mit Strom und Wasser ist sichergestellt. Die Corona-Pandemie unterstreicht die Bedeutung kommunaler Unternehmen, sagt VKU-Präsident Michael Ebling. Bei Digitalisierung und Energiewende könnten sie eine noch größere Rolle spielen.

In den vergangenen Monaten hieß es oft, die Corona-Krise bündele bereits länger bestehende Probleme wie in einem Brennglas. Gilt das auch für die kommunalen Unternehmen?

Aus meiner Sicht ist das Bild hier etwas schief. In der Corona-Krise hat sich Funktion und Wert kommunaler Unternehmen besonders gezeigt. Die Pandemie betrifft ja alle Bereiche unserer Gesellschaft, zum Teil mit einschneidenden Folgen. Trotzdem läuft das kommunale Leben vor Ort weitestgehend normal weiter. Der Müll wird abgeholt, die Versorgung mit Strom und Wasser ist sichergestellt. Das war nicht immer einfach, weil sich etwa für Leitwarten besondere Schutzkonzepte umgesetzt werden mussten oder durch deutlich mehr Homeoffice Bedarfe sich schlagartig anpassen mussten. Aber die Kunden haben davon eigentlich nichts mitbekommen. Das ist etwas, auf das wir durchaus stolz sein können. Insofern zeigt die Pandemie, wie gut und wichtig es ist, dass wir so funktionsfähige Strukturen haben, sodass die kommunale Wirtschaft weitgehend unbeeindruckt ihre Aufgaben der Daseinsvorsorge erfüllen kann.

Hat Sie das überrascht?

Michael Ebling ist Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU).

Nein, eigentlich nicht. Aber ich bin schon ein wenig stolz, dass es den kommunalen Unternehmen zum Beispiel gelungen ist, ungeheure Müllmengen, die vor allem dadurch entstanden sind, dass die Menschen mehr zuhause sind, zu bewältigen. Die Entsorgungsunternehmen haben da sehr flexibel reagiert.

Neben der Versorgung mit Energie und Wasser gehört inzwischen auch das Internet zu Daseinsvorsorge. Hier gibt es allerdings immer noch große Unterschiede, je nachdem, wo jemand wohnt. Wie lässt sich das lösen?

Im 21. Jahrhundert ist Breitband ein Stück Daseinsvorsorge. Der Zugang zum Internet ist immer mehr eine notwendige Bedingung dafür, dass Menschen sich und ihre Fähigkeiten entwickeln können. In der Corona-Pandemie sind die weißen Flecken in diesem Bereich besonders sichtbar geworden und machen deutlich, dass wir in Deutschland dringend ein Infrastruktur-Update brauchen. Wir haben bei weitem nicht überall eine Abdeckung mit dem Glasfasernetz und auch der 5G-Ausbau ruckelt zum Teil gewaltig. Von der Erfüllung des Anspruchs, überall schnelles Internet zu haben, sind wir noch weit entfernt. Das liegt auch daran, dass zum Teil die falschen Anreize gesetzt wurden, etwa indem für viel Geld Lizenzen verkauft worden sind, ohne damit eine Pflicht zu verbinden, ein Angebot für alle zu schaffen. Die kommunalen Unternehmen fühlen sich besonders verpflichtet, die Anbindung ans schnelle Internet zu gewährleisten – natürlich auch in ländlichen Regionen. Das ist nicht zuletzt eine Frage der Gerechtigkeit.

Bedeutet das im Zweifelsfall auch, dass kommunale Unternehmen da aktiv werden, wo es sich für private Anbieter nicht lohnt?

Das kann es bedeuten, ja. Allerdings darf die Rosinenpickerei der privaten Anbieter nicht dazu führen, dass sie sich die Filetstücke rausgreifen und die Kommunalen sich um den unrentablen Rest kümmern. Wir brauchen einen politischen Rahmen, der uns gerne in die Pflicht nimmt, aber gleiche Bedingungen für alle schafft. Die technischen Voraussetzungen für den Ausbau haben wir bereits. Entscheidend ist, dass sich die Politik auch dazu bekennt, dass wir den flächendeckenden Internet-Ausbau brauchen. Homeschooling und Homeoffice werden ja nach der Corona-Pandemie nicht wieder verschwinden.

Positive Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie aufs Klima. Auch dank einer deutlich eingeschränkten Mobilität konnte Deutschland seine Klimaziele im vergangenen Jahr einhalten. Welche Lehren lassen sich daraus ziehen?

Einen wesentlichen Beitrag dazu, dass Deutschland im vergangenen Jahr seine Klimaschutzziele eingehalten hat, hat der Energiesektor geleistet. Und den hat die Corona-Krise kaum berührt. Insofern haben wir da, auch ohne Corona, im vergangenen Jahr eine Menge erreicht. Die kommunalen Unternehmen haben nicht nur viele Ideen, wie Deutschland das Ziel der Klimaneutralität erreichen kann. Wir arbeiten auch jeden Tag daran, es zu erreichen. Diesen Optimismus sollten wir viel mehr verbreiten.

Was bedeutet das für konkrete Maßnahmen?

Das Thema Windkraft muss deutlich an Dynamik gewinnen. Da geht es vor allem um vernünftige Lösungen bei der Frage der der Schnelligkeit und Rechtssicherheit bei Windparkgenehmigungen. Und in Bereich der Photovoltaik müssen die Rahmenbedingungen so beschaffen sein, dass es einen echten Boom der Solarenergie gibt. Die Flächen dafür haben wir oftmals, aber sie werden noch viel zu wenig genutzt. Hier sollte der Bund dringend aktiv werden, damit es sich auch wirtschaftlich lohnt, wenn Städte und Gemeinden die Dächer der Häuser mit Photovoltaik-Anlagen ausstatten. Kommunen können Werkbänke der Energiewende sein. Vor Ort gibt es schließlich ganze Wertschöpfungsketten vom örtlichen Baugewerbe bis hin zum kommunalen Stromerzeuger.

Wie sehr schränkt die in einigen Kommunen extreme Verschuldung die Handlungsfähigkeit ein?

Stadtwerke können Innovationstreiber sein. Das bleiben sie auch, unabhängig von der finanziellen Situation einer Kommune. Trotzdem müssen wir aufpassen, dass die Ausfälle durch die Corona-Krise nicht zu einer Investitionsbremse werden, etwa wenn ich an moderne Mobilität und Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge denke. Da ist der Bund genauso in der Pflicht wie die Länder, dass notwendige Veränderungen nicht am Geld scheitern. Deshalb war es z.B. auch so wichtig, dass die Bundesregierung im vergangenen Jahr entschieden hat, dass die Corona-bedingten Ausfälle im ÖPNV ausgeglichen werden und die Kommunen nicht darauf sitzen bleiben.

In ihrem Wahlprogramm fordert die SPD sogar eine „Mobilitätsgarantie“: Jede*r soll einen wohnortnahen Anschluss an den öffentlichen Verkehr haben, egal, ob er oder sie in der Stadt und auf dem Land lebt. Ist das realistisch?

Ja, aber es bringt eine deutliche Veränderung der Mobilität mit sich. Es geht dann um Fragen wie autonomes Fahren und mehr On-demand-Angebote. Die Mobilität der Zukunft wird nicht unbedingt der Bus sein, der nach einem festen Fahrplan stur Haltestelle für Haltestelle anfährt. Gerade für den ländlichen Raum sprechen wir eher über Fahrzeuge, die nur dann kommen, wenn man sie braucht. Die Digitalisierung wird uns hier sehr helfen. Manches, was heute noch wie Science-Fiction klingt, wird in einigen Jahren bereits gang und gäbe sein. Allerdings könnte auch die deutsche Automobilwirtschaft bei der Entwicklung neuer nachhaltiger Technologien etwas mehr Tempo machen.

Technische Neuerungen wie der Ausbau Erneuerbarer Energien werden von vielen so lange befürwortet bis Windräder vor der eigenen Haustür errichtet werden oder die Straßenbahn am Haus vorbeifährt. Wie kann hier die Akzeptanz erhöht werden?

Eine große Stärke kommunaler Unternehmen ist, dass sie die Situation und die Akteure vor Ort bestens kennen. Sie sind nicht anonym, sondern Teil der lokalen Gemeinschaft und genießen ein großes Vertrauen. Das ist für die Akzeptanz von Neuerungen oftmals ganz entscheidend.

Das Interview ist zuerst auf vorwärts.de erschienen.

Der Gesprächspartner

Michael Ebling ist Präsident des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) und Oberbürgermeister von Mainz.

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