Corona-Krise

Vorreiter Landkreis Nordwest-Mecklenburg: Impfen in der Arztpraxis

Karin Billanitsch25. Februar 2021
Der Presseandrang bei der Vorstellung der ersten „Impstationen“ war unerwartet groß. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, Landrätin Kerstin Weiss und Dr. Fabian Holbe standen Rede und Antwort.
In Mecklenburg-Vorpommern führen erste Hausarztpraxen Coronaimpfungen durch. Damit ist der Landkreis Nordwest-Mecklenburg Vorreiter. Insbesondere ältere Bewohner haben so kürzere Wege zum Impfstandort. Niedersachsen will dem Beispiel folgen.

Die Impfungen gegen Covid-19 schreiten voran: Gepflegte und Bewohner in Alten- und Pflegeheimen und medizinisches Personal gehören zu den ersten, die seit Beginn der Impfkampagne in Deutschland am 28. Dezember 2020 geimpft werden. Dann folgen die Menschen über 80 Jahre. Der Landkreis Nordwestmecklenburg geht hier neue Wege: Senioren werden auch in Hausarztpraxen geimpft. Dafür gibt es seit Anfang Februar ein Pilotprojekt.

Kurze Wege für ältere Senioren

Nordwestmecklenburg ist überwiegend ländlich geprägt. Es leben hier 11.500 Menschen in dieser Altersgruppe, die aber zu Hause wohnen, etwa ein Drittel in Städten. Um ihnen eine weite Anfahrt zu ersparen, brachte Allgemeinarzt Fabian Holbe die Idee in die Koordinierungsgruppe Impfen des Landkreises ein, mit Hausarztpraxen zusammen zu arbeiten. Schon die mobilen Impfteams, die die Alten- und Pflegeheime besucht hatten, wurden von Hausärzten gebildet. „Das war die Keimzelle der Idee“, sagt Landkreissprecher Christian Wohlleben. 

Landrätin Kerstin Weiss (SPD) hat in intensiven Beratungen mit dem Land das Pilotprojekt vereinbart und auf den Weg gebracht. Nun gibt es neben den Impfzentren in Wismar und Grevesmühlen derzeit zehn weitere Impfstationen bei Hausärzten. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) traf sich mit Landrätin Weiss beim Besuch einer der zehn Landarztpraxen. „Ziel sei es, insbesondere älteren Bewohnern ländlicher Regionen kurze Wege zum Impfen zu gewährleisten“, so Schwesig.

Weiss betonte ebenfalls die Bedeutung des Pilotprojekts: „Die Impfstationen als Außenstellen der Impfzentren sind ein sehr gutes Konzept für unseren ländlich geprägten Landkreis. Anders als in Städten sind die Wege hier oft weit.“ Deshalb sei sie von Herrn Holbes Idee schnell überzeugt gewesen und sei ihm und seinen Kollegen sehr dankbar für die Unterstützung.

Außenstellen der Impfzentren

Sie dankte auch dem Land für die Zustimmung zu dem Versuch und die gute Zusammenarbeit. Mit Blick auf die Terminvergabe, für die das Land zuständig ist, sagte sie: „Ich weiß, dass die Einbindung eines solchen Projekts in die Strukturen zu diesem Zeitpunkt nicht einfach ist. Aber gerade deswegen ist es auch dort ein guter Testlauf für den Zeitpunkt, wenn Impfstoff in größeren Mengen verfügbar ist.“

Die zehn Praxen fungieren als Außenstellen der Impfzentren in Grevesmühlen, nicht als eigenständige Impfpraxen, stellt Landkreissprecher Christoph Wohlleben klar. Die Impfpraxen seien so verteilt, dass niemand eine Entfernung überwinden müsse, die größer sei als 15 Kilometer. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat eigens eine Hotline eingerichtet. „Wir melden nun eben mehr Adressen, wo man sich impfen lassen kann und wie viele Impfdosen zur Verfügung stehen“, so Wohlleben. Pro Praxis pro Woche sind derzeit es demnach 24 Dosen.

Die Logistik ist etwas aufwendiger als bei Impfungen im zentralen Impfzentrum, weil die Dosen verteilt werden müssen. Doch derzeit sei das bei dem jetzigen Umfang problemlos möglich, so der Sprecher. Die nötigen Fahrten organisiert der Landkreis in eigener Regie. Auch die Kühlung des verwendeten Biontech-Impfstoffs ist kein Hindernis. Hier hat das Mainzer Unternehmen bereits Entwarnung gegeben: Eine Kühlung im Gefrierschank ist nur erforderlich für eine längere Lagerung. Vor dem Verimpfen kann er aber bedenkenlos bei für bis zu fünf Tage in handelsüblichen Kühlschränken bei zwei bis acht Grad aufbewahrt werden.

Pilotprojekt zieht Kreise

Das Pilotprojekt zieht mittlerweile Kreise. Für das Corona-Impfen in Arztpraxen hat sich nun auch Landesgesundheitsminister Harry Glawe (CDU) und KV-Vorstandschef Axel Rambow eingesetzt: In einem Brief an alle Landräte in Mecklenburg-Vorpommern werben die Männer für eine zügige Verlagerung der Impfungen – sobald eine ausreichende Menge an Impfstoffen zur Verfügung steht. „Wir regen an, über eine dezentrale Unterstützung durch Impfpraxen der Vertragsärzte in Ihrem Landkreis nachzudenken“, heißt es in dem Brief, aus dem die „Ärztezeitung“ zitiert.

Und laut Landesgesundheitsministerium soll in Niedersachsen ebenfalls ein solches Pilotprojekt angeschoben werden: Am 26. Februar starten im Landkreis Osnabrück vier Pilotpraxen mit Impfhausbesuchen ihrer nicht mehr mobilen Patientinnen und Patienten, die über 80 Jahre alt sind, heißt es in einer Mitteilung. Am 1. März beginnen zudem zwei Praxen in der Stadt und der Region Hannover sowie jeweils eine Praxis in der Wesermarsch, im Landkreis Uelzen und im Landkreis Leer in einem weiteren Modell mit den Impfungen von impfberechtigten Personen unter 65 Jahren in ihren Praxen in Ergänzung zu den regionalen Impfzentren, heißt es weiter.

„Um insbesondere die Logistik und Lagerung der Impfstoffe und die technischen Abläufe einmal durchzuspielen und Erfahrungen mit der praktischen Umsetzung im Alltag zu sammeln, starten wir zunächst eine kurze Erprobungsphase von etwa maximal zwei Wochen in den neun Pilotpraxen. Voraussichtlich ab April können dann deutlich mehr Praxen in Niedersachsen mit im Boot sein“, erklärte dazu Gesundheitsministerin Dr. Carola Reimann am Donnerstag.