Gesundheitsämter

Wegen Corona-Lockerungen befürchten Amtsärzte Mehrbelastung

Carl-Friedrich Höck27. Mai 2020
Die Menschen treffen sich wieder häufiger im Park, Gastronomen öffnen und bald auch Kinos. Das erschwert die Kontaktnachverfolgung, warnen Amtsärzt*innen.
Die Gesundheitsämter sollen die Kontakte von Covid-19-Infizierten nachverfolgen. Das werde wegen der Lockerungen immer schwieriger, warnt der Ärzteverband BVÖGD. Ohnehin sei das Personal in den Ämtern knapp.

In der Corona-Krise müssen die Gesundheitsämter mühsame Detektivarbeit leisten. Um die Ausbreitung der Pandemie zu stoppen, wird bei jeder neuinfizierten Person ermittelt: Mit wem hatte er oder sie Kontakt? Wer könnte sich noch mit dem Virus angesteckt haben?

Rechercheaufwand pro Fall steigt

Je mehr Menschen die Infizierten getroffen haben, desto aufwendiger ist diese Recherchearbeit. Dass die Politik die Kontaktbeschränkungen immer weiter lockert, bereitet den Amtsärzt*innen deshalb Sorge. Hat ein Infizierter in der Phase der Ansteckungsfähigkeit nur mit dem Nachbarn geplaudert, lässt sich das relativ leicht rekonstruieren. Die Kontakte während eines Kino- oder Restaurantbesuches lassen sich schon schwerer nachvollziehen. Vor allem dann, wenn die Kontaktpersonen anschließend weiteren Menschen begegnet sind, die vom Gesundheitsamt ebenfalls ausfindig gemacht werden müssen.

Der Bundesverband der Ärzt*innen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) warnt: Auch wenn die Zahl der Neuinfizierten derzeit abnehme, steige der Aufwand pro Fall. „Wenn jetzt weitere Lockerungsmaßnahmen wie auch Wegfall der Maskenpflicht, der Abstandsregelung und der Hygienevorschriften umgesetzt werden, führt das zu einer erheblichen Mehrbelastung in den Gesundheitsämtern“, prognostiziert die BVÖGD-Vorsitzende Ute Teichert.

Ärzt*innen warnen vor Personalmangel

Die Gesundheitsämter seien schon vor der Corona-Krise personell ausgedünnt gewesen und hätten ihre gesetzlichen Aufgaben kaum mehr erfüllen können, heißt es in einer am Montag verbreiteten Verbandsmitteilung. In den vergangenen Wochen hätten viele Freiwillige die Gesundheitsämter unterstützt und personell verstärkt – beispielsweise Studierende oder Ärzt*innen im Ruhestand. Auch Mitarbeiter*innen aus anderen Verwaltungen seien im Gesundheitsamt eingesetzt worden. Doch nach und nach würden die Freiwilligen nun wieder abberufen, da sie wieder in ihrem eigentlichen Umfeld arbeiten müssten, so der BVÖGD. „Bisher ist kein Personal dauerhaft in den öffentlichen Gesundheitsdienst eingestellt worden.“

Der Ärzteverband sieht dringenden Handlungsbedarf. „Wenn wir weiterhin die Verbreitung des SARS-CoV-2 Virus verhindern wollen, brauchen wir genügend Menschen, die die Containmentstrategie sichern und Kontakte nachverfolgen können“ fordert Ute Teichert. Die Politik müsse genügend Ressourcen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zur Verfügung stellen und müsse auch die Bezahlung in den Gesundheitsämtern anheben.

Landkreistag will flexibel reagieren

Beim Deutschen Landkreistag dagegen werden noch keine Alarmglocken geläutet. Sprecher Markus Mempel spricht von einem „atmenden System“, das sich während der ersten Infektionswelle gut bewährt habe. Auch er verweist darauf, dass zeitweise viele Mitarbeiter*innen aus anderen Verwaltungsbereichen bei der Kontaktnachverfolgung ausgeholfen hätten. Sie kehrten jetzt wieder in ihre angestammten Bereiche zurück. Sollte sich die Lage erneut zuspitzen und die Zahl der Infizierten steigen, könnten diese Mitarbeiter*innen aber auch wieder im Gesundheitsamt eingesetzt werden.

Wichtig sei nun, dass die Landesregierungen gute Strategien entwickeln. Ziel müsse es sein, dass auch bei Treffen von größeren Gruppen die Ansteckungsgefahr gering bleibt. Um notfalls schnell reagieren zu können, sei auch die geplante Corona-App von großer Bedeutung. Damit könnten Infektionsketten schneller unterbrochen werden.

Corona-Warn-App birgt Chancen und Risiken

Das Bundesgesundheitsministerium hat eine Warn-App angekündigt, die „auf Freiwilligkeit beruht, datenschutzkonform ist und ein hohes Maß an IT-Sicherheit gewährleistet“, wie es auf der Website des Ministeriums heißt. Die App soll sich anonym Kontakte von Personen merken, die die Software benutzen. Diese werden über Bluetooth automatisch erfasst. Wenn jemand erfährt, dass er oder sie sich mit dem Coronavirus infiziert hat, kann die App alle registrierten Kontaktpersonen warnen. Mitte Juni soll die Anwendung einsatzbereit sein. Sie könnte auch die Gesundheitsämter entlasten.

Landkreistag-Sprecher Mempel bedauert allerdings, dass die Corona-Warnungen nur anonymisiert ausgespielt werden sollen. Das bedeute: Man werde zwar gewarnt, dass man sich infiziert haben könnte, erhalte jedoch keine weiteren Informationen, wann, wo und durch wen. Deshalb könnten die Betroffenen auch nicht erkennen, ob es sich womöglich um einen Fehlalarm handelt – etwa, weil die Kontaktpersonen durch eine Glasscheibe getrennt waren, oder weil man nur sein Handy am fraglichen Ort vergessen hatte. Im ungünstigsten Fall könne die Anwendung deshalb sogar zu einer Mehrbelastung der Ämter führen, warnt Mempel. Nämlich dann, wenn durch Fehlalarme verunsicherte App-Nutzer reihenweise beim Gesundheitsamt anrufen und Tests fordern.

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