Bundestagsanhörung

Wegen Kosten und Kompetenzen: Kommunen kritisieren Ganztags-Gesetz

Carl-Friedrich Höck31. Mai 2021
Hilfe für Eltern und Kinder, nicht nur bei den Hausaufgaben: Das kann eine Ganztagsbetreuung leisten.
Die Bundesregierung will einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter einführen. Länder und Kommunen halten das Ziel für richtig, üben aber scharfe Kritik am vorliegenden Gesetzentwurf.

Der Vorstoß der Bundesregierung zum Ausbau der Ganztagsschulen stößt bei Kommunen auf Widerspruch. „Der Deutsche Städte- und Gemeindebund lehnt den Gesetzentwurf zur Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung in der jetzigen Form entschieden ab“, heißt es in einer Stellungnahme des kommunalen Spitzenverbandes für eine Anhörung im Familienausschuss des Bundestages an diesem Montag.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) unterstützt zwar das Ziel, die Ganztagsangebote für Grundschulkinder weiter auszubauen. Doch die von der Bundesregierung eingeplanten Mittel reichen nach Meinung des Verbandes bei weitem nicht aus um die Kosten zu decken. So will der Bund sich mit 960 Millionen Euro jährlich an den Betriebskosten beteiligen, wenn die Betreuung ausgebaut ist. Das entspreche gerade einmal 30 Prozent der Betriebskosten, rechnet der DStGB vor. Das Deutsche Jugendinstitut habe die notwendigen laufenden Betriebskosten, die mit dem Ausbau sukzessive wachsen, auf bis zu 4,45 Milliarden Euro beziffert. Der Kommunalverband verweist auf das im Koalitionsvertrag vereinbarte Prinzip „Wer bestellt, bezahlt“. Demnach müsste der Bund, wenn er eine neue Leistung veranlasst, auch vollständig für die Finanzierung aufkommen.

Ist der Bund zuständig?

Die Städte und Gemeinden bezweifeln zudem, dass der Bund überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz hat. „Ganztagsbetreuung ist keine Fürsorge wie die Betreuung von Kita-Kindern oder die Sozialhilfe, sondern fällt ganz eindeutig in den Bildungsauftrag der Länder.“ Richtig wäre es, den Rechtsanspruch in den Schulgesetzen der Länder zu regeln, kommentiert der DStGB.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass der Rechtsanspruch im Zeitraum 2026-2029 schrittweise eingeführt wird. Die mittlerweile zurückgetretene Bundesfamilienministerin Franziska Giffey brachte es auf die Formel: „Klasse eins bis vier, fünf Tage die Woche, acht Stunden am Tag, maximal vier Wochen Schließzeit in den Ferien“. Neben den Betriebskosten will der Bund auch die notwendigen Investitionen mitfinanzieren, nämlich mit 3,5 Milliarden Euro. Auch diese Summe ist nach Ansicht der Städte und Gemeinden deutlich niedrig angesetzt.

Fachkräfte-Nachwuchs reicht nicht aus

Eine weitere Hürde ist das Personal. „Angesichts des bereits jetzt bestehenden Personalmangels im Bereich erzieherischer Berufe wird es nicht gelingen können, bis 2030 rund 800.000 zusätzliche Ganztagsplätze zu schaffen“, schreibt der DStGB. Um den Bedarf zu decken, seien jährlich rund 85.000 Fachschulabsolvent*innen notwendig. Es gebe aber nur 35.000. Daher müssten die Länder die Ausbildungskapazitäten erhöhen.

Im Gesetzgebungsverfahren will sich der kommunale Spitzenverband auch dafür einsetzen, dass die bestehenden und vielfältigen Betreuungsmodelle – ob Hort, Ganztagsschule oder weitere Nachmittags-Betreuungsangebote – durch das Gesetz mit abgedeckt werden.

Städtetag und Landkreistag argumentieren ähnlich

Die Haupt-Kritikpunkte des DStGB finden sich auch in den Stellungnahmen der anderen kommunalen Spitzenverbände wieder. Der Deutsche Städtetag beziffert die Investitionskosten für den Ganztags-Ausbau auf 7,5 Milliarden Euro. „Bund und Länder müssen eine verfassungsrechtlich und finanziell tragfähige Lösung für den Ausbau der Ganztagsbetreuung finden“, heißt es in der Stellungnahme der Städte. Der Landkreistag rechnet mit einem Investitionsaufwand von 6,7 Milliarden und stellt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ebenfalls in Frage.

Zuspruch für den Gesetzentwurf kommt dagegen vom Paritätischen Gesamtverband. Das Vorhaben könne dazu beitragen, soziale, kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe von Kindern sicherzustellen und Bildungsbenachteiligungen auszugleichen, kommentiert der Wohlfahrtsverband. Er befürwortet auch den Ansatz, dazu eine rechtliche Grundlage auf Bundesebene zu schaffen. Der Ausbau dürfe aber nicht zulasten anderer Angebote der Kinder- und Jugendhilfe gehen.

Bundesrat gibt Stellungnahme ab

Am vergangenen Freitag hat sich der Bundesrat erstmals mit dem Gesetzentwurf befasst. In einer Stellungnahme dringen die Länder darauf, dass der Bund die finanzielle Beteiligung auskömmlich gestaltet. Auch sollten nicht nur Baumaßnahmen vom Bund gefördert werden, sondern ebenso Investitionen in die Ausstattung.

Der Bund hat bereits Ende 2020 ein Sondervermögen für die Investitionen in den Ganztagsausbau eingerichtet. Für die laufenden Kosten will der Bund den Ländern über eine veränderte Umsatzsteuerverteilung Geld zur Verfügung stellen.

 

Mehr Informationen:
Stellungnahmen und weitere Informationen zur Ausschuss-Anhörung auf bundestag.de
Länder-Vorum auf bundesrat.de
Bericht zum Gesetzentwurf auf demo-online.de

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