Studie zu Frauen in der Kommunalpolitik

Warum es zu wenig Oberbürgermeisterinnen gibt

Karin Billanitsch11. Mai 2017
Frauen an der Spitze einer Kommune sind selten. Sie gehört zu jenen, die es geschafft haben: Saarbrückens Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD)
Oberbürgermeisterinnen sind eine Seltenheit, und ihr Anteil ist sogar noch weiter gesunken. Das zeigt eine Studie der Fernuniversität Hagen im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung. Doch es gibt Ausnahmen: Die Stadt Erlangen gewinnt das Genderranking deutscher Großstädte 2017 vor den traditionellen Spitzenreiterinnen Trier und Frankfurt am Main.

In den vergangenen zehn Jahren ist der Frauenanteil an den Oberbürgermeister-Posten in Deutschland stark eingebrochen – von noch 17,7 Prozent im Jahr 2008 auf nunmehr 8,2 Prozent im Jahr 2017 – und hat sich damit auf weniger als die Hälfte reduziert. Das weibliche Geschlecht ist damit gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil in den kommunalpolitischen Führungsämtern deutscher Großstädte auch im Jahr 2017 deutlich unterrepräsentiert. Dies ist das Ergebnis des mittlerweile vierten Genderrankings deutscher Großstädte, das Professor Lars Holtkamp, Elke Wiechmann und Monya Buß von der Fernuniversität in Hagen im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung erstellt haben. Je wichtiger und mächtiger der Posten dabei ist, desto unwahrscheinlicher wird es, dass eine Frau ihn besetzt, lautet ihr Fazit.

Parteien spielen wichtige Rolle

Elke ­Ferner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, sieht für die geringe Präsenz von Frauen an der Spitze kommunaler Verwaltungen mehrere Gründe: „Viele Bürgermeister und Oberbürgermeister kommen aus der Kommunalpolitik, und da sind sehr viel mehr Männer als Frauen aktiv“, sagte sie kürzlich gegenüber der DEMO. Zwar würden die Stadtoberhäupter heutzutage direkt von der Bevölkerung gewählt und längst nicht jedes hat ein Parteibuch, aber bei der Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten und bei der Unterstützung im Wahlkampf spielen die Parteien nach wie vor eine wichtige Rolle. Hinzu kommt, so Elke Ferner: „Frauen werden eher bei aussichtslosen Kandidaturen aufgestellt, Männer hingegen, wenn es etwas zu holen gibt.“ Gefragt, wie sie Amt und ­Familie vereinbaren wollen, würden Männer auch nicht.

Frauenanteil bei Dezernentenposten gestiegen

Es gibt allerdings auch gegenläufige Tendenzen, blickt man auf die Ebene der Führungskräfte in der Verwaltung: Hier ist der Frauenanteil unter den Dezernentinnen und Dezernenten als einzige politische Spitzenposition stark und kontinuierlich gestiegen: von 18,5 Prozent im Jahr 2008 auf 29,1 Prozent in 2017. Das wissenschaftliche Team der Fern-Universität führt dies darauf zurück, dass auf diesem Feld die beruflichen Qualifikationen von Frauen eine größere Rolle spielen als bei der Besetzung rein politischer Ämter.

Die Wissenschaftler haben darüber hinaus die Frauenanteile in den Stadträten nach Parteien aufgeschlüsselt. Bei dieser Auswertung hat sich ein noch stärker polarisiertes Bild ergeben: Spitzenreiter sind demnach Bündnis 90/Die Grünen mit der Erfüllung ihrer 50-Prozent-Quote, gefolgt von der Linken mit 44,4 Prozent Frauenanteil (Quote 50 Prozent) und der SPD mit 37,3 Prozent (Quote 40). Die einer Quote verpflichteten Parteien besetzen auch Fraktions- und Ausschussvorsitze deutlich stärker mit Frauen. Die neu hinzugekommene AfD, die nur in einigen Bundesländern in den Kommunalparlamenten vertreten ist, liegt mit einem Frauenanteil von 11,6 Prozent noch hinter der FDP, die im Jahr 2008 mit 24,9 Prozent das Schlusslicht gebildet hatte. Seither hat sich bei der FDP in der Besetzung von Stadtratsposten nur wenig getan: Sie konnte ihren Anteil nur geringfügig steigern (auf 26,4 Prozent in 2017). Die CDU erreicht ihr eigenes Quorum von 33 Prozent (als Empfehlung) nur in 28 von 73 Großstädten.

Erlangen ist Gewinnerin

Nicht zuletzt küren die Autoren die Stadt Erlangen zur Gewinnerin. Die Großstadt im Regierungsbezirk Mittelfranken des Freistaates Bayern gewinnt das Genderranking deutscher Großstädte 2017 vor den klassischen Spitzenreiterinnen Trier und Frankfurt am Main. Insgesamt hatte das Team 73 Großstädte mit über 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern (ohne Stadtstaaten) anhand ihrer Frauenanteile an kommunalpolitischen Führungspositionen – Ratsmitglieder, Dezernatsleitungen, Ausschuss- und Fraktionsvorsitze – sowie für das Oberbürgermeisteramt verglichen. Die Daten wurden mittels eines Genderindex gewichtet. Die Gewinnerin Erlangen gehörte schon in der ersten Studie (2008) zur Spitzentrias. Ein hoher Frauenanteil unter den Ratsmitgliedern setzt sich auch in den weiteren politischen Spitzenpositionen fort. „Hier übererfüllen die Parteien mit verbindlicher innerparteilicher Quote, Grüne und SPD, ihr Soll“, erklärt Professor Holtkamp das Ergebnis. Schlusslicht im kommunalen Genderranking wurde Mülheim an der Ruhr. Dafür entscheidend sei der niedrige Frauenanteil im Stadtrat von 22,2 Prozent gewesen, erläuterten die Forscher.

Ein Fazit der Studie lautet: Wenn die Politik den Frauenanteil in Kommunalparlamenten und kommunalen Spitzenpositionen in vertretbarer Zeit erhöhen möchte, bleibt als Maßnahme nur die gesetzlich festgelegte, verbindliche Quote, wie sie bereits in einigen europäischen Ländern gilt. Als Beispiel wird Frankreich angeführt. „Ohne die Quote würde es noch 128 Jahre dauern, bis eine paritätische Besetzung kommunaler Ratsmandate mit Frauen und Männern erreicht wäre – wenn man die Entwicklung von 2008 bis 2017 in die Zukunft fortschreibt,“ sagt Sabine Drewes, Referentin für Kommunalpolitik und Stadtentwicklung der Heinrich-Böll-Stiftung.

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