Interview mit Harald Riedel

„Es ist wichtig, dass wir nicht gegen die Krise ansparen“

Carl-Friedrich Höck03. Juni 2020
Harald Riedel (SPD) ist Kämmerer der Stadt Nürnberg und Vorsitzender des Finanzausschusses des Deutschen Städtetages.
Den Kommunen sind die Einnahmen weggebrochen. Nun warten sie gespannt, ob und wie der Bund ihnen hilft. Die DEMO hat Nürnbergs Kämmerer Harald Riedel gefragt, wie er mit der unklaren Situation umgeht und was er erwartet.

Die Corona-Krise hat massive Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte. Steuereinnahmen brechen weg, Sozialausgaben steigen. Wie erleben Sie die Situation als Kämmerer in Nürnberg?

Die Situation ist unübersichtlich bis schwierig. Wir haben vor zwei Wochen die Steuerschätzung bekommen. In Nürnberg fehlen uns laut einer Hochrechnung im Jahr 2020 148 Millionen Euro Steuereinnahmen, davon knapp 110 Millionen aus der Gewerbesteuer. Von unseren Gesamteinnahmen von knapp einer Milliarde fallen uns also rund 15 Prozent weg. Wir hatten ursprünglich mit einem Überschuss von 90.000 Euro geplant – jetzt wird unser Haushalt für 2020 tief in die Miesen fahren.

Und nun?

Wir hoffen natürlich auf den Rettungsschirm für Kommunen. Es hat ja diverse Vorschläge gegeben. Zunächst von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der mit einer Direkthilfe die Gewerbesteuerausfälle in 2020 ersetzen will. Das würde uns natürlich sehr helfen. Das entspricht auch unserer Forderung nach einer schnellen, direkten und unbürokratischen Finanzhilfe. Jetzt hat die CDU/CSU nachgelegt mit dem Vorschlag, die Gewerbesteuerumlage für zwei Jahre auszusetzen. Auch das würde uns helfen. Aktuell berät sich ja die Koalition. Wir hoffen, dass schnell entschieden und schnell ausgezahlt wird.

Das ist die Situation für 2020. Wir schauen natürlich auch schon nach 2021. Auch da sagt uns die Steuerschätzung, dass wir nochmal einen Verlust von 60 bis 70 Millionen Euro gegenüber der aktuellen Planung haben werden. Das heißt: Die Haushaltsplanaufstellung für 2021 ist für alle deutschen Kommunen eine ganz schwierige Angelegenheit. Die Frage ist: Bekommen wir aus dem Rettungsschirm eventuell auch für 2021 nochmal eine Entlastung? Dann wäre es etwas entspannter. Wenn es bei den anzunehmenden Verlusten bleibt, dann schaffen Kommunen wie wir keinen Haushaltsausgleich mehr.

Wo können Sie überhaupt sparen?

Wir müssen unsere Investitionsplanung anschauen: Was kann geschoben werden, was ist nicht unbedingt dringend? Aber das ist schwierig, nicht nur in Nürnberg. Denn die im Investitionsplan aufgeführten Projekte sind eigentlich dringend notwendig: Schulsanierung, Schulneubau, Kindergartenausbau, Hortausbau, Verkehrsinfrastruktur, Sanierung von Straßen und Brücken. Und wir müssen die in die Jahre gekommenen Kulturbauten sanieren. Wenn wir das jetzt nicht angehen, drohen uns zum Teil Betriebsschließungen.

Deswegen hoffen wir, dass da aus Berlin noch etwas kommt. Bundesfinanzminister Scholz hat gesagt, er will nicht, dass wir gegen die Krise ansparen. Das halte ich für ganz wichtig. Dafür brauchen wir aber Unterstützung.

Bis wann benötigen Sie Klarheit über die Hilfsmaßnahmen von Bund und Land, um überhaupt noch sinnvoll planen zu können?

Für 2020 haben wir ein Ausgabenminderungsprogramm verabschiedet. Das ist keine richtige Haushaltssperre, sondern wir versuchen Kosten einzusparen, ohne den Laden komplett herunterzufahren. Für 2021 planen wir noch normal. Ich hoffe, dass wir spätestens im September, besser noch vor der Sommerpause im Juli Gewissheit haben: Wie schaut es aus mit den Rettungsschirmen?

Im September soll es ja nochmal eine Steuerschätzung geben, die uns Klarheit verschafft, wie es im nächsten Jahr aussieht. Wir in Nürnberg brauchen Planungssicherheit spätestens im Oktober, vor den Haushaltsberatungen. Ich denke, das ist in den meisten deutschen Kommunen so.

Umstritten ist die Altschuldenhilfe für Kommunen mit hohen Kassenkrediten. Diese würde besonders Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland helfen. Wie stehen Sie als Kämmerer einer bayerischen Stadt zu dem Thema?

Wir müssen einerseits solidarisch sein. Das sind wir auch im Städtetag. Natürlich brauchen die Kommunen im Saarland, NRW und Rheinland-Pfalz, die es aus eigener Kraft nicht mehr schaffen diese Kassenkredite loszuwerden, Unterstützung vom Bund. Deshalb ist der Vorstoß von Olaf Scholz mutig und richtig, und er kommt auch zum richtigen Zeitpunkt.

Natürlich würde ich mir als Kämmerer von Nürnberg wünschen, dass das Thema Altschulden ein bisschen weiter gefasst wird. Es gibt Kommunen in Süddeutschland, wie Mannheim, wir, Fürth oder Hof, die auch einen massiven Strukturwandel hinter sich haben aus den beginnenden 1980er Jahren. Dann kamen die Mehrausgaben für die Deutsche Einheit, anschließend die Finanzmarktkrise. Wir haben auch hohe Altschulden, allerdings keine Kassenkredite. Auf denen würden wir sitzen bleiben. Deshalb sage ich: Ja, helft den Kommunen mit den Kassenkrediten! Aber vergesst uns nicht ganz!

Harald Riedel (SPD) ist Kämmerer von Nürnberg und Vorsitzender des Finanzausschusses des Deutschen Städtetages.

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