Unwetter-Studie

Wissenschaftler warnen vor Sturzfluten: „Kommunen blenden Gefahren aus“

Carl-Friedrich Höck01. Juni 2022
Die Aufnahme zeigt die Evakuierung von Anwohnern in Bitterfeld im Jahr 2002. Die Gefahr von Überflutungen steigt laut einer aktuellen Studie.
Überflutungen drohen überall, und die Kommunen sind darauf kaum vorbereitet. Zu diesem Schluss kommt eine Unwetter-Studie der TU Kaiserslautern im Auftrag der Baustoff-Industrie. Die Forscher machen Vorschläge, was jetzt getan werden muss.

Wegen des Klimawandels werden immer häufiger Sturzfluten über Deutschland hereinbrechen. Davor warnen Forscher der Technischen Universität Kaiserslautern. Am 30. Mai wurde ihre Studie „Starkregen und urbane Sturzfluten – Agenda 2030“ vorgestellt, die sie in Kooperation mit der Bundeswehr-Universität München erstellt haben. Auftraggeber ist die „Initiative Verantwortung Wasser und Umwelt“, die von der deutschen Baustoff-Industrie ins Leben gerufen wurde.

Die Folgen des wachsenden Unwetter-Risikos seien fatal, machen die Forscher deutlich: Bäche könnten sich durch Starkregen in reißende Ströme verwandeln und Häuser zerstören. Unterführungen, Keller und U-Bahn-Schächte könnten binnen Minuten volllaufen. Wie verheerend das Wasser sein kann, hat die Flutkatastrophe im Juli 2021 gezeigt, als allein im Landkreis Ahrweiler 133 Menschen ihr Leben verloren.

Kommunen sollen mehr Prävention betreiben

„Überflutungen drohen überall. Auch da, wo keine Gewässer sind.“ Das sagt Theo Schmitt, Professor am Institut für Wasser, Infrastruktur und Ressourcen der Universität Kaiserslautern. Kaum eine Region in Deutschland sei vor Starkregen und Sturzfluten geschützt. Ein großes Problem für die Behörden sei bei Starkregen der Überraschungseffekt, ergänzt Professor Wolfgang Günthert vom Institut für Wasserwesen der Bundeswehr-Universität. „Die Sturzflut kommt quasi von oben – von jetzt auf gleich.“

Aus Sicht der Forscher tun die Städte, Gemeinden und Kreise bisher deutlich zu wenig, um die Bevölkerung zu schützen. „Die meisten – vor allem kleinere – Kommunen blenden die Gefahren, die hinter dem wachsenden Starkregen-Risiko stecken, einfach aus“ meint Schmitt. Das sei fahrlässig. Die Kommunen müssten zu mehr Prävention gezwungen werden, fordert er.

Starkregen-Risiko soll straßengenau erfasst werden

Konkret schlägt er vor, die Kommunen zu einem Starkregen-Risikomanagement zu verpflichten. Sie sollen Gefahren- und Risikokarten erstellen. „Solche Warnkarten entstehen aus einer Fülle von Daten: Die Topografie mit lokalen Grünflächen und dem Gefälle ist dabei wichtig. Ebenso natürlich die Metereologie. Und es kommt entscheidend auch auf die Kapazität von Kanalsystemen an.“ Die örtliche Gefahrenlage müsse systematisch analysiert werden, so Schmitt.

Sein Kollege Günthert erklärt: Es gehe darum, mit der Starkregen-Risikokarte die Wirkung von Sturzfluten digital zu simulieren. Das sei die Basis für ein effektives Starkregen-Wassermanagement. Städte sollten wassersensibel entwickelt werden. Engpässe im Kanalnetz seien zu vermeiden. Und auch Hausbesitzer könnten sich mit der Risikokarte gezielter vorbereiten: Indem sie zum Beispiel Dächer begrünen, Regenbecken anlegen oder ihre Kellereingänge und Tiefgarageneinfahren baulich schützen. Weiter fordern die Experten ein bundesweit funktionierendes Frühwarn- und Informationssystem.

SPD-Abgeordneter Keller sieht Handlungsbedarf

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Rainer Keller bestätigt, dass Bund, Länder und Kommunen sich besser auf Starkregen und Hochwasser vorbereiten müssten. Die Frage sei nicht mehr, ob Extremwetterereignisse mit Starkregen und Hochwasser entstehen, sondern wann und wo diese auftreten werden. Seine Fraktion habe den Handlungsbedarf erkannt, teilt Keller anlässlich der Unwetter-Studie mit.

Im Koalitionsvertrag seien dazu bereits wichtige Maßnahmen vereinbart worden, betont der SPD-Politiker. „Schwerpunkt ist hier eine vorsorgende Klimaanpassungsstrategie. Dazu hat das Bundesumweltministerium bereits das Sofortprogramm Klimaanpassung mit konkreten Maßnahmen vorgelegt.“ Ganz oben auf unserer Agenda stehe die Schaffung eines einheitlichen Rahmens zur Erstellung und Veröffentlichung von Gefahrenkarten. „Darüber hinaus werden wir in den kommenden Jahren Entsiegelungsprojekte vorantreiben und die Kommunen bei Investitionen in die Klimaresilienz noch intensiver unterstützen“, verspricht Keller. Ebenso müssten die Menschen noch zielgerichteter befähigt werden, mit Hochwassergefahren umzugehen.

 

Die Studie „Starkregen und urbane Sturzfluten – Agenda 2030” ist hier als PDF verfügbar:
starkregenmanagement.de

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