Bauen und Wohnen

Wohnungsnot: Warum „Serielles Bauen“ nicht Plattenbau bedeutet

Benedikt Dittrich17. Januar 2022
Bundesbauministerin Klara Geywitz setzt im Kampf gegen Wohnungsnot auf „Serielles Bauen“.
„Serielles Bauen“ – darauf will SPD-Bauministerin Klara Geywitz setzen, um schnell mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland zu schaffen. Auch Mieterbund und Wohnungswirtschaft werben dafür. Droht damit eine Renaissance der Plattenbau-Siedlungen?

Mieterbund und Wohnungswirtschaft haben es in den vergangenen Jahren immer wieder gefordert, auch das neue Bauministerium nennt „Serielles Bauen“ jetzt als Instrument gegen Wohnungsnot. SPD-Bauministerin Klara Geywitz will so vor allem Tempo in die Bauwirtschaft bringen, Die Sozialdemokratin will dafür sorgen, dass über diese Bauweise schnell und unkompliziert viele neue Wohngebäude entstehen. Doch wie viel „Platte“ steckt in der Technik, was heißt überhaupt „seriell“ und welche Probleme kann die Bauweise nicht lösen? Wir klären die wichtigsten Fragen.

Was bedeutet „Serielles Bauen“?
Mit „Seriellen Bauen“ ist eine industrielle Fertigung von Gebäuden gemeint. Die Idee dahinter: Teile von Gebäuden werden in großer Masse an einem anderen Ort gefertigt, zur Baustelle transportiert und vor Ort nur noch montiert. Neben Wänden oder Treppen können auch ganze Wohneinheiten vorgefertigt werden. Statt Stein für Stein auf der Baustelle zu einer Wand zusammenzusetzen, werden bei einer seriellen Bauweise gleich ganze Wandelemente geliefert.

Und was soll das bringen?
Wenn ganze Teile oder Module vorab in Serie, also massenhaft, angefertigt werden, kann das Baukosten und Bauzeiten senken. Lohnen kann sich das für große Mehrfamilienhäuser, aber auch für größere Siedlungen mit Einfamilienhäusern. Die Produktion von Bauteilen ist außerdem witterungsunabhängig: Während der Betrieb auf einer Baustelle bei Minusgraden oder Dauerregen oft ruhen muss, kann in Werkshallen auch im Winter weitergearbeitet werden.

Für Anwohner*innen hat es den Vorteil, dass die Arbeiten auf der Baustelle schneller abgeschlossen werden können und so weniger Schmutz und Lärm im Wohngebiet entsteht.

Entstehen dann wieder Plattenbausiedlungen wie in der DDR?
Es stimmt, dass auch Plattenbauten in Serie gefertigt werden. Gerade in der DDR wurden mit den „Wohnungsbauserien“ ganze Stadtteile errichtet, aber auch in Westdeutschland entstanden in der Vergangenheit Siedlungen, in denen ganze Straßenzüge gleich aussehen.

„Serielles Bauen“ muss aber nicht so aussehen, wie auch Mieterbunds-Vorsitzender Lukas Siebenkotten in der Vergangenheit bemerkte: „Seriell bauen heißt nicht, dass 17-stöckige Gebäude ohne Schalldämmung gebaut werden. Von den typischen Plattenbauten, die es ja überall in Deutschland gab, ist man inzwischen weit entfernt.“ Es gehe darum, dass derselbe Gebäude-Typus immer wieder verwendet werde.
Auch mit Blick auf die verwendeten Baumaterialien ist „Serielles Bauen“ nicht auf Beton und Zement beschränkt: Zugenommen haben in den vergangenen Jahren auch Modulbauweisen aus nachhaltigeren Baumaterialien wie Holz und Stahl.

Warum ist „Serielles Bauen“ dann erst jetzt wieder ein Thema?
Für das Baukonzept wird tatsächlich schon seit einigen Jahren geworben. Die Deutsche Wohnungswirtschaft kann auch bereits mit Projekten aus den vergangenen Jahren aufwarten, die bereits realisiert wurden, beispielsweise in Berlin oder im Taunus.

„Serielles Bauen“ allein ist aber kein Wundermittel gegen Wohnungsnot. Wohnraum wird auch teurer, weil Spekulationen mit Gebäuden und Grundstücken die Preise in die Höhe treiben. Hinzu kommen fehlende Fachkräfte und steigende Kosten für Baumaterial, wie auch der Mieterbund betont. Die Bauweise selbst macht also nur einen Teil der Gesamtrechnung aus. Hinzu kommt: Jedes Bundesland hat seine eigene Bauordnung. Nur weil ein Modul, ein Gebäude-Prototyp in Baden-Württemberg den Vorgaben entsprechen würde, heißt das nicht, dass das gleiche Modul in Schleswig-Holstein auch genehmigt werden würde – und lokale Anpassungen kosten widerrum Zeit und Geld.

Um auf 400.000 neue, bezahlbare Wohnungen pro Jahr zu kommen, gibt es für die Bauministerin also noch einige weitere Stellschrauben, an denen sie drehen kann.

Der Artikel ist zuerst auf vorwärts.de erschienen

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