Flüchtlingspolititk

Zehn Oberbürgermeister*innen bieten Hilfe an

Karin Billanitsch10. September 2020
Katastrophale humanitäre Zustände herrschen im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos. Corona-Ausbrüche und ein Brand haben die Situation verschärft.
Nach Brand in Moria: Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister von zehn deutschen Städten haben an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geschrieben, darunter überwiegend sozialdemokratisch geführte Städte. Sie wollen Flüchtlinge bei sich aufnehmen.

Dass die humanitäre Lage im Lager für Geflüchtete „Moria“ katastrophal ist, ist seit langem bekannt: In Zeiten der Corona-Pandemie mussten laut der Hilfsorganisation „Seebrücke“ Tausende in Zelten oder im Freien schlafen, es gab nicht genügend sanitäre Anlagen, für Nahrung mussten die Menschen oft stundenlang anstehen. Abstand halten, sich vor dem Virus schützen, war in dieser Situation nicht möglich.

In dem Lager, das ursprünglich für 3.000 Personen ausgelegt ist, lebten bis gestern Abend mehr als 13.000 Menschen. In der Nacht zum 9. September ist in dem überfüllten Lager auf der griechischen Insel Lesbos ein Großfeuer ausgebrochen. Inzwischen sind fast alle Bewohnerinnen und Bewohner evakuiert, der Brand scheint unter Kontrolle.

Viele sozialdemokratische Städte stehen bereit

Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister von zehn deutschen Städten haben an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geschrieben und ihre Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen aus dem abgebrannten Flüchtlingslager Moria bei sich aufzunehmen, bekräftigt. Das berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland gestern. „Den Menschen muss ihre Würde zurückgegeben werden“, zitiert RND aus dem Brief.

Der Brief wurde demnach von den Oberbürgermeister*innen von Bielefeld, Düsseldorf, Freiburg, Gießen, Göttingen, Hannover, Köln, Krefeld, Oldenburg und Potsdam unterzeichnet – also überwiegend von Sozialdemokraten regierten Städten. Darüber hinaus hat sich insbesondere Mike Schubert, Stadtchef von Potsdam, die Bundesrepublik zum Handeln aufgerufen. Er ist auch Vorsitzender des Bündnisses „Potsdam! bekennt Farbe“. Das Städtebündnis „Städte Sicherer Häfen“ hat seit der Gründung im Juni 2019 die Aufnahmebereitschaft seiner Städte mehrfach gegenüber der Bundesregierung erklärt.

In den den vergangenen Jahren über 170 Städte und Kommunen allein in Deutschland zum „sicheren Hafen“ erklärt. Das bedeutet, dass sie bereit sind, ab sofort Menschen aufzunehmen.

Das bekräftigte am vergangenen Mittwoch auch Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert auf Twitter: „Die Zustände in Moria werden einmal mehr zur Schande für Europa. Wir verweisen seit Monaten auf die unhaltbaren Zustände im Lager. Es muss jetzt darum gehen, den Menschen, die gerade ihr Hab und Gut verloren haben, eine sichere Zuflucht zu geben.“

„Es muss jetzt darum gehen, den Menschen, die gerade ihr allerletztes Hab und Gut verloren haben, zügig eine sichere Zuflucht zur geben. Jetzt bleibt keine Zeit, es braucht eine sofortige Verteilung“, erklärte Schubert.

Auch die Bundesländer Thüringen und Berlin hatten Landesaufnahmeprogramme für Geflüchtete beschlossen. All diese Initiativen werden vom Innenminister Horst Seehofer blockiert. Der regierende Bürgermeister Michael Müller sagte:  „Es war nur eine Frage der Zeit, bis es zu einer verheerenden Katastrophe in Moria kommt. Deutschland muss jetzt seine humanitäre Verantwortung ernst nehmen und die Lager evakuieren.“ Berlin bleibe bei seiner Bereitschaft der Aufnahme von geflüchteten Menschen.

Forderung: „Ratspräsidentschaft nutzen“

Der Oberbürgermeister fordert darüber hinaus, dass die Bundesregierung ihre Ratspräsidentschaft nutzt, um die seit Jahren offene Verteilungsfrage von Geflüchteten endlich zu lösen, notfalls ohne einen Konsens aller Mitgliedsstaaten.

„Dieses jahrelange Gezerre ist doch ein Armutszeugnis für die Handlungsfähigkeit europäischer Institutionen. Wenn man sich in Europa nicht auf ein gemeinsames Asylrecht einigen kann, ist die europäische Wertegemeinschaft Makulatur“, betont Mike Schubert.

Denjenigen in Europa, denen nicht nur das Recht auf Asyl, sondern auch andere Rechtsstaatsprinzipien der Europäischen Union scheinbar egal seien, dürfe es nicht länger erlaubt werden, Lösungen zu blockieren und damit den Glauben in ein handlungsfähiges Europa zu unterminieren, betonte Schubert. Er forderte auch Sanktionen für jene Länder, die das Recht auf Asyl missachteten und gegen gemeinsame europäische Prinzipien verstießen.

Seehofer will weiter europäische Lösung

Am Freitag hat Bundesinnenminister Horst Seehofer mitgeteilt, wie viele Flüchtlinge gemeinsam mit anderen EU-Staaten aufgenommen werden sollen: Deutschland wird demnach 100 bis 150 Menschen aufnehmen, Frankreich in etwa im selben Umfang. Zudem sei die Bundesregierung „mit weiteren Ländern im Gespräch“, sagte Seehofer. Die Niederlande etwa hätten angeboten, 50 Geflüchtete aufzunehmen. Die Aufnahme solle möglichst schnell erfolgen, so der Bundesinnenminister. Die Soforthilfe sowie die Umsiedlung der 400 Minderjährigen sei aber nur „ein erster Schritt“, versicherte Seehofer. Schnell sollen weitere folgen.

 

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