Bremer Bürgerschaft

Der Zugewandte

17. Juli 2019
Die Bremer SPD hat Andreas Bovenschulte auf ihrem Landesparteitag mit großer Mehrheit zum Bürgermeisterkandidaten bestimmt.
Bremens designierter Bürgermeister Andreas Bovenschulte legt Wert aufs Mitnehmen der Menschen in den Stadtteilen und Quartieren. Ein Portrait.

Die Bremer SPD hat Andreas Bovenschulte auf ihrem Landesparteitag mit großer Mehrheit zum Bürgermeisterkandidaten bestimmt. Damit soll ein Mann die Nachfolge von Carsten Sieling antreten, der nicht nur tief im Kommunalen verwurzelt ist, sondern auch konkrete Vorstellungen davon hat, wie Politik vor Ort auszusehen hat: Andreas Bovenschulte legt Wert darauf, die Menschen in den Stadtteilen und Quartieren Bremens mitzunehmen und ihnen zuzuhören.

Nicht zu übersehen

Zu übersehen ist der Mann nicht. Mit seinen gut zwei Metern Gardemaß wirkt Andreas Bovenschulte wie eine Art Leuchtturm. Ein bisschen erinnert er an Henning Scherff. Doch Bremens noch immer beliebter der Ex-Bürgermeister ist schlank, Bovenschulte breitschultriger. Vor allem aber liegt eine Generation Politikverständnis zwischen Scherff und Bovenschulte. Letzterer soll es richten – die Delegierten des SPD-Landesparteitages wählten den 53-Jährigen am 6. Juli mit 95,9 Prozent zum Kandidaten für den Bürgermeister und Nachfolger von Carsten Sieling.

Der hatte am 1. Juli nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen mit den Grünen und den Linken erklärt, nicht wieder zu kandidieren. Sieling übernahm damit die politische Verantwortung für das historisch schlechte Abschneiden der Unterweser-Sozialdemokraten bei der Bürgerschaftswahl am 26. Mai. Laut Statistischem Landesamt fuhr die SPD nur 24,9 Prozent der Stimmen ein – macht gegenüber 2015 ein Minus von 7,9 Prozent. Erstmals wurde die CDU mit 26,7 Prozent stärkste Kraft im kleinsten Bundesland.

Auftrag: Sozialdemokraten wieder aufrichten

Nun also kommt Andreas Bovenschulte. Er ist nicht nur aufgrund seiner Körperstatur so etwas wie ein Leuchtturm, sondern auch im übertragenen Sinne. Er soll die Sozialdemokraten wieder aufrichten.  Wie er das bewerkstelligen möchte, weiß er längst. Bovenschulte, promovierter Jurist, erwartet von den Mandatsträgern seiner Partei, dass sie viel mehr als in den vergangenen Jahren in den Stadtteilen und Quartieren Bremens und Bremerhavens präsent sind.

Politik ist ihn für ihn nämlich viel mehr als in den Gremien zu tagen. Politik hat für Bovenschulte vor allem mit Menschen zu tun. Die Funktionsträger der SPD müssten zuhören. Nur so lässt sich nach Überzeugung des Bürgermeisters in spe verlorengegangenes Vertrauen zurückgewinnen.

Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben

Das beste Beispiel dafür sieht Bovenschulte im Klimaschutz. Ihn hat sich die künftige rot-grün-rote Landesregierung auf die Fahnen geschrieben. Klimaschutzvorbehalt für alle Projekte und Ausgaben  des Landes inklusive. Bovenschulte aber hat auf dem Landesparteitag klargemacht: „Wenn wir die Menschen nicht mitnehmen, wenn wir ihnen nicht klarmachen, dass das alltägliche Leben vereinbar ist mit dem Klimaschutz, werden wir uns gesellschaftlich mit den Maßnahmen nicht durchsetzen.“

Mit seinem Credo hinaus in die Stadtteile und Quartiere zu ziehen, outet sich Bovenschulte als sozialdemokratischer Kommunaler allererster Güte. Dass davon etwas in ihm steckt, hatte er schon in seiner Zeit als Landesvorsitzender der Bremer SPD von 2010 bis 2013 durchblicken lassen. Damals startete Bovenschulte auf der politischen Ebene die Re-Kommunalisierung. Seine Ideen stellte er unter anderem beim DEMO-Kommunalkongress vor. An der neuen Bremer Stadtreinigung ist die Stadtgemeinde inzwischen mit 49 Prozent beteiligt.

Kommunales von der Pike auf gelernt

Wie Kommunales geht, hat Bovenschulte von de Pike auf gelernt: Bis 2013 war er Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters, von 2013 bis Mai 2019 Bürgermeister der Gemeinde Weyhe südlich von Bremen. „Die letzten fünf Jahre als Bürgermeister waren noch einmal eine richtige Lehrzeit“, sagte Bovenschulte bei SPD-Landesparteitag in seiner mit viel Applaus bedachten Bewerbungsrede. Jeden Tag seien die Menschen mit ihren Sorgen zu ihm gekommen. Er habe sich mit seinen Mitarbeitern jeden Tag immer beraten müssen: Was ist das Problem, wie kann die Lösung aussehen?

Diese Nähe zueinander hält Menschen naturgemäß mit beiden Beinen auf den Boden – was der werdende Bürgermeister zweifelsohne geblieben ist. Wer mit ihm persönlich zu tun hat oder ihm in Veranstaltungen zu tun hat, verspürt denn auch eine gehörige Portion Empathie und Bescheidenheit dort, wo sie angebracht ist. So etwa vor einigen Wochen im Bremer Presse-Club: Bovenschulte diskutierte mit Journalisten über seine Ideen eines öffentlich geförderten Lokaljournalismus. Er ließ durchblicken, dass er durchaus einiges dazugelernt habe.

Weiter Unterstützung für den Kommunalverbund

Was Otto Normalverbraucher bewegt, sorgt speziell bei Bovenschulte nicht nur für Bodenhaftung. Er schaut ebenso bewusst über den Tellerrand – zum Beispiel als Vorsitzender des Kommunalverbund Niedersachsen-Bremen. Er hat wesentlichen Anteil daran, dass der Verbund eine Untersuchung über die Wohnungsbedarfe der Region in Auftrag gegeben hat. Wie es in Sachen Kommunalverbund für ihn weitergeht, „müssen die Gremien entscheiden“, sagt er gegenüber dem VORWÄRTS. Und: „Ich werde den Kommunalverbund weiterhin unterstützen.“

Im Vordergrund steht für den 53-jährigen Zwei-Meter-Juristen nun, dass der rot-grün-rote Senat seine Arbeit aufnehmen kann, der nach den Sommerferien im August von der Bürgerschaft gewählt werden soll. Wie er sich die Arbeit der neuen Landesregierung vorstellt, ist ihm auch schon klar. Gegenüber dem VORWÄRTS betont Bovenschulte den Teamgeist, wie er es auch auf dem Landesparteitag getan hat: „Ich will nicht der Bürgermeister einer Wettbewerbskoalition sein. Ich will der Bürgermeister einer Koalition sein, die sich auf ein gemeinsames Programm verständigt hat. Das ist der einzige und vernünftige Weg.“ Und er schreibt den Sozialdemokraten ins Stammbuch: „Dieser Koalitionsvertrag ist eine Riesenchance für die SPD. Aber die müssen wir auch nutzen, denn eine weitere werden wir nicht mehr kriegen.“

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