DKK 2019

Die Zukunft der Kommunen aus Sicht der SPD-Spitzenduos

Benedikt Dittrich22. November 2019
Unter Kommunalos: Klara Geywitz, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjan auf dem DEMO-Kommunalkongress.
Die Tour der Kandidierenden um den SPD-Vorsitz ist noch nicht zu Ende: Am Freitag besuchten Klara Geywitz, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans den Demo-Kommunalkongress in Berlin und brachten ihre Zukunftsvisionen für die lokale Ebene mit.

Investieren statt sparen, Solidarität statt Konkurrenz – allesamt Stichworte, die die beiden Duos, die sich um den Parteivorsitz der SPD bewerben, in den vergangenen Monaten häufig in den Mund genommen haben. Stichworte, die auch auf der kommunalen Ebene eine wichtige Rolle spielen.

Aus diesem Grund gaben sich Saskia Esken, Norbert Walter-Borjans (Nowabo) auf der einen Seite und auf der anderen Seite Klara Geywitz (Tandem-Partner Olaf Scholz war am Freitag auf dem europäischen Banken-Kongress in Frankfurt am Main) am Freitag ein Stelldichein beim Demo-Kommunalkongress in Berlin.

Anders als bei der parteieigenen Tour mit 23 Regionalkonferenzen und den Auftritten in Rundfunk und Fernsehen ging es dieses Mal nur um ein Thema: Kommunalpolitik. Ideen und Visionen hatten beide Duos mitgebracht, ein Thema überragte aber alles: Die finanzielle Ausstattung der lokalen Ebene.

Denn um die steht es nicht gut: Viele Kommunen sind hoch verschuldet, haben schon große Mühe ihren Pflichtaufgaben nachzukommen, während von Bund und Ländern – so der Eindruck – viele Aufgaben auf die unterste Verwaltungsebene abgewälzt werden. Denn wenn Kitas und Schulen den Nachwuchs länger betreuen sollen, es bessere Angebote im öffentlichen Nahverkehr geben soll, laufen diese Kosten zunächst in den Städten und Gemeinden auf.

Schuldenberg als größter Brocken

Deswegen plädierten beide Duos auch dafür, die finanzielle Lage der Kommunen wieder deutlich zu verbessern, damit sie mehr als ihrer Pflicht nachkommen können. Hochverschuldete Gemeinden sollten dauerhaft entschuldet werden.

Als Möglichkeit dafür umschrieb Norbert Walter-Borjans eine bessere Lastenverteilung der Gemeinden untereinander: „Die Solidarität untereinander wird gefragt sein.“ Diese Solidarität verteidigten beide Duos auch gegenüber einem Bürgermeister aus Nordrhein-Westfalen, der sich auf dem Kongress gegen diese Solidarität aussprach. Sowohl Geywitz als auch Nowabo begründeten die Ungleichheiten mit Verwerfungen durch den Strukturwandel, die ausgeglichen werden müssten. Der Bürgermeister aus NRW hatte anderen Gemeinden eine schlechte Haushaltspolitik unterstellt – eine Meinung, die die Parteivorsitz-Kandidierenden nicht teilten.

Ein Viertel der Kommunen am unteren und oberen Ende der Skala, also diejenigen, die besonders reich oder arm sind in Deutschland, seien immer dieselben, so Nowabo. Das dürfe nicht so bleiben. Aus Sicht von Saskia Esken ist das eine vorbeugende Sozialpolitik, denn freiwillige Leistungen wie Jugend- und Sozialarbeit und die Unterstützung von ehrenamtlich Aktiven seien die ersten Leistungen, die hinten über fielen.

Damit Altlasten dieses Problem nicht noch verstärken, sollten Kommunen wirksam entschuldet werden. „Wir müssen aber nicht nur den Berg abtragen“, plädierte Nowabo für einen Strukturwandel bei der Finanzpolitik. Das grundlegende Problem seien fehlende Steuereinnahmen.

Der Verkauf des „Tafelsilbers“, also des kommunalen Eigentums, sei deswegen keine langfristige Lösung. Stattdessen sprachen sich Nowabo und Saskia Esken für ein Jahrzehnt der Investition aus – am Ende des Tages auch über Kredite, also eine Abkehr von Schuldenbremse und schwarzer Null.

Eine gesamtdeutsche Solidarität unter den Kommunen forderte auch Klara Geywitz als ostdeutsche Politikerin. Die Altschulden seien ein „Anschlag auf die kommunale Selbstverwaltung“. Deswegen müssten die Gemeinden dauerhaft entlastet und entschuldet werden. „Altschulden sind nicht nur irgendeine abstrakte Nummer“, erklärte die Brandenburgerin, 2.500 Kommunen in ganz Deutschland seien in Milliardenhöhe verschuldet.

„Das ist die nächste große Schlacht, die die SPD zu schlagen hat.“

Kurswechsel im Wohnungsbau

Dabei werden die Aufgaben, die auf die Kommunen zukommen, nicht kleiner: „Alle haben auf ihre Art ein Problem mit dem Thema Wohnen“, meinte beispielsweise Norbert Walter-Borjans in seinem Vortrag. Er forderte eine Rekommunalisierung des Wohnungsbaus und die Sicherung städtischer Grundstücke. Aus seiner Sicht ein Problem der Politik der vergangenen Jahrzehnte, in denen städtische Grundstücke verkauft wurden, viele zuvor kommunale Institutionen privatisiert wurden. Ein Irrweg, wie Nowabo zusammenfasst. „Eine Politik, die wir als SPD zum Teil mit verantwortet haben“, ergänzte er auch auf die Frage eines Kongress-Teilnehmers.

Ein Irrweg, auf den auch Geywitz einging und dabei auf den notwendigen Bau von jährlich 100.000 Sozialwohnungen verwies. Ein Weg, den aus ihrer Sicht Mitstreiter Olaf Scholz als erster Bürgermeister von Hamburg bereits vor Jahren eingeschlagen hatte. Parallel dazu müsse man aber die Entwicklung der Bodenpreise in den Griff bekommen.

Gleichberechtigung und Teilhabe bis in die Spitze

Klara Geywitz nahm aber auch die anwesenden Kommunalpolitiker mit in die Verantwortung: „Wo seid ihr?“, fragte sie in die Runde und äußerte einen Wunsch: Mehr „Kommunalos“ müssten sich in der SPD stark machen – ob als Kandidierende für den Parteivorstand oder als Delegierte auf Parteitagen. „Bringt euren Sachverstand in die Diskussionen in der Bundespartei ein!“

Im gleichen Zusammenhang plädierte Geywitz auch für eine Gleichberechtigung in den Parlamenten. „Da ist noch ein großes Pfund zu heben“, erklärte sie mit Blick auf die Frauenquote in den Fraktionen. „Geht vor Ort auf die Frauen zu“, forderte sie die anwesenden Lokalpolitiker auf. Als pragmatische Lösung, um den Weg in die Kommunalpolitik zu ebnen, schlug sie vor, dass Gemeindevertreter die Betreuung von Kindern während der Ratsversammlungen abrechnen könnten.

Saskia Esken nutzte hingegen ihrerseits ihre Redezeit, um für einen staatlich getragenen Netzausbau zu plädieren und die Bürger bei den Entscheidungen vor Ort besser einzubeziehen – auch um Widerstände gegen politische Entscheidungen abzubauen. „Das geht aber nicht ohne Aufwand“, erklärte Esken, dafür sei zusätzliches Personal nötig und das koste eben Geld, kam sie auf die grundsätzliche Frage der Finanzierung zurück.