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Anna Walther: „Ich rate Frauen zu mehr Mut”

Tanja Sagasser-Beil17. November 2021
Seit Juni Bürgermeisterin in Schönaich: Anna Walther
Im Mai wurde Anna Walther zur Bürgermeisterin von Schönaich gewählt. Im Interview spricht sie über ihre ersten Monate im Amt, die Stärken von Frauen in der Kommunalpolitik und familiengerechte Verwaltung.

Das Gespräch führte Tanja Sagasser-Beil, Landesgeschäftsführerin der SGK Baden-Württemberg.

Liebe Anna, im Mai hast du mit einem beeindruckenden ­Ergebnis die Bürgermeisterwahl in Schönaich gewonnen. Seit Ende Juni bist du im Amt. Nimm unseren Leser:innen bitte ein bisschen mit, wie es dir in dieser Zeit ergangen ist. Welche Dinge dich besonders herausgefordert haben und welche Erlebnisse ­besonders prägend waren.

Anna Walther: Seit Ende Juni darf ich das schönste Amt der Welt – das Bürgermeisteramt – bekleiden. Mein Alltag ist von zahlreichen bereichernden, aber auch herausfordernden Gesprächen geprägt. Ich bin dankbar für die Möglichkeit unterschiedlichste Sichtweisen kennenlernen zu dürfen und diese Erkenntnisse in die Weiterentwicklung der Gemeinde einfließen zu lassen.

Der Beginn meiner Amtszeit fiel in die Zeit der anhaltenden Corona-Pandemie. Diese ist und bleibt eine große Herausforderung nicht nur für Schönaich. Wir sehnen uns nach der Zeit, wenn es endlich wieder möglich sein wird, eine Veranstaltung ohne großes Kopfzerbrechen, Abwägen und penible Vorbereitungen, inklusive eines Hygienekonzeptes, durchführen zu können. Wir wollen, dass die Kinder wieder unbeschwert und zuverlässig die Schulen besuchen können. Die Normalität kehrt zwar nach und nach zurück, aber der Weg in eine „Corona-freie“ Zeit ist noch lang.

Ein schönes und prägendes Erlebnis war meine erste Gemeinderatsklausur an meinem 99sten und 100sten Tag im Amt, die ich ganz unter das Motto des Kennenlernens gestellt habe. Über den sehr guten Verlauf der Klausur habe ich mich sehr gefreut, denn ein starkes Team im Sitzungssaal ist die Grundlage für eine positive Entwicklung der Gemeinde.

Mittlerweile bist du im Amt angekommen. Was sind die größten Herausforderungen, vor denen die Gemeinde Schönaich steht und welche besonderen Projekte hast du dir für deine Amtszeit vorgenommen? Der Weg zurück aus der Pandemie zur Normalität wird eine Herausforderung sein. Schaffen es die Vereine, dem Mitgliederschwund entgegenzuwirken? Erstarken die Betriebe wieder? Holen die Kinder die verlorenen Monate in der Klassengemeinschaft nach?

Die besonderen Projekte für meine Amtszeit sind unter anderem die Suche nach einem neuen Standort der Diakonie- und Sozialstation Schönbuch, das Schaffen einer Ortsmitte, der Bau eines Mehrgenerationenhauses und bezahlbarer Wohnraum. All diese Projekte sind ein Teil des übergeordneten Ortsentwicklungskonzeptes, an dem wir gerade arbeiten. Dieses Konzept soll als Grundlage für eine durchdachte Entwicklung Schönaichs dienen.

Es kandidieren leider wenig Frauen für Bürgermeisterposten. Wie war der Entscheidungsprozess bei dir und was rätst du anderen (jungen) Frauen, die mit dem Gedanken einer Kandidatur spielen?

Der Entscheidungsprozess für eine Bürgermeisterkandidatur begann im Juni 2019, als ich die operative Leitung im Stab des Oberbürgermeisters von Sindelfingen übernehmen durfte. Diese Aufgabe gewährte mir Einblicke in das vielfältige und verantwortungsvolle Arbeitsgebiet ­eines Stadtoberhauptes. Entscheiden, Gestalten, Weiterentwickeln, Kommunizieren – das waren die Gründe für meine Kandidatur.

Ich rate Frauen zu mehr Mut bei der Entscheidung zu einer Kandidatur. Das Bürgermeisteramt bedeutet Arbeit mit Menschen und Frauen können sehr gut mit Menschen arbeiten: Zuhören, sprechen, ermutigen, Konflikte lösen, gestalten, gemeinsam mit der Verwaltung und dem Gremium Entscheidungen treffen. Und wenn (Selbst-)Zweifel überhandnehmen sollten, gibt es einen tollen Satz, den ich einst gehört habe: „Say yes and be scared later!“ Also, nur Mut!

Du hast eine Amtsleiterstelle in deiner Stadtverwaltung als zwei Teilzeitstellen ­ausgeschrieben, sodass zwei Personen sich d­iese Stelle teilen können. ­Eine großartige Chance z. B. für Eltern, die Familie und Beruf vereinbaren und trotzdem eine Führungsfunktion anstreben. Das ist bisher in öffentlichen ­Verwaltungen nicht einfach. Du bist selbst Mutter von zwei Kindern. Sind es auch eigene Erfahrungen, die dich zu ­dieser progressiven ­Entscheidung ­bewogen haben?

Wir sollten versuchen Dinge zu ermöglichen, die bis dato noch nicht denkbar waren. Mutig voranschreiten und hoffen, dass das Angebot angenommen wird. Menschen, die in Teilzeit eine verantwortungsvolle Führungsposition übernehmen wollen, sollten diese Möglichkeit auch bekommen. Das „Entweder-oder“ ist nicht progressiv und zukunftsweisend.

Und als Mutter zweier Kinder habe ich selbst die Erfahrung machen dürfen, wie viel mehr ich eigentlich in der Lage bin an einem Tag zu schaffen, auch wenn ich mal total müde oder angeschlagen bin. Eltern müssen gut organisiert sein und das zeigt sich auch im Berufsleben. Ich weiß also ganz genau, dass Eltern, die sich bei uns bewerben, auch auf stressige Situationen bestens vorbereitet sind.

Liebe Anna, wir danken für dieses Gespräch!

 

Dieser Beitrag stammt aus dem Landes-SGK EXTRA Baden-Württemberg der DEMO-Printausgabe. Er erscheint hier mit freundlicher Genehmigung der SGK Baden-Württemberg.