Blog Aus den Bundesländern

Beitragsfreie Kitas – zwei Beispiele aus Baden-Württemberg

Schild vor einem Kindergarten (Symbolfoto)
In Baden-Württemberg kämpft ein Aktionsbündnis dafür, die Kita-Betreuung flächendecken beitragsfrei zu stellen. Wie es funktionieren kann, zeigen die Beispiele Künzelsau und Heilbronn. Ein Beitrag von Christoph Eberlein (SGK Baden-Württemberg) und Tanja Sagasser-Beil (SPD-Gemeinderatsfraktion Heilbronn).

Kitagebührenfreiheit in Künzelsau – einzigartig in Baden-Württemberg

Unseres Wissens (Berichtigungen sind willkommen!) bietet neben Heilbronn aktuell nur die Stadt Künzelsau im Hohenlohekreis eine gebührenfreie Kita an. Nachdem bereits seit 2007 Eltern für Kinder ab dem dritten Lebensjahr keine Gebühren mehr zahlen mussten, ist seit Beginn des Jahres 2019 eine komplett gebührenfreie Betreuung der städtischen Kinder ab einem Alter von einem Jahr garantiert. Das ist (bislang) einzigartig in Baden-Württemberg!

Die vollständige Gebührenfreiheit ist natürlich mit finanziellen und planerischen Herausforderungen für die 15.000 Einwohner zählende Stadt am Kocher verbunden. Die Summe der entgangenen Gebühren beträgt rund 310.000 Euro pro Jahr. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Kindergartenplätzen weiter gestiegen. Zum 1. Januar 2020 bietet die Stadt insgesamt 645 Plätze in 14 Kindergärten und vier Krippengruppen an. 94 pädagogische Fachkräfte und 25 Vertretungskräfte betreuen die Kinder, berichtete die „Heilbronner Stimme“.

Um den gestiegenen Personalanforderungen begegnen zu können, hat die Stadt ein Stufenmodell verabschiedet, mit dem Vertretungskräfte weitergebildet und gefördert werden. Über das Förderprogramm des Bundes „Fachkräfteoffensive“ hat die Stadt 7 PiA‘s zum Ausbildungsstart 2019 eingestellt. Obwohl das Programm ausläuft, will die Stadt Künzelsau dennoch bis zu sechs weitere PiA‘s einstellen. PiA bedeutet „Praxisintegrierte Ausbildung“ und gibt es seit 2012 in Baden-Württemberg. Es handelt sich dabei um ein duales Ausbildungsmodell, das Menschen im Blick hat, die nicht zuerst eine Erzieher/innenausbildung im Blick gehabt hatten, sich aber später dafür interessieren. PiA dauert drei Jahre und ist eine Verbindung aus praktischer Tätigkeit in Einrichtungen und theoretischem Unterricht. PiA ist eine Möglichkeit, dem Fachkräftemangel im Erziehungsbereich zu begegnen. (Christoph Eberlein)

Heilbronn: Die Beitragsfreiheit hat sich bewährt

Heilbronn hat schon vor über zehn Jahren als bundesweit erste Großstadt beschlossen, die Gebühren für den Besuch des Regelkindergartens abzuschaffen. Seit 1.1.2008 zahlen Eltern für Kinder ab drei Jahren keine Elternbeiträge mehr – und das unabhängig von der Anzahl der täglichen Betreuungsstunden. Freie und kirchliche Träger bekommen die Gebührenausfälle von der Stadt erstattet. Nach wie vor bezahlt werden muss das Essen im Rahmen der Ganztagsbetreuung, hier gibt es aber für einkommensschwache Familien Zuschüsse, sodass deren Essen nur ein Euro pro Tag kostet.

Besuchsquote gestiegen
Seitdem der Besuch des Kindergartens in Heilbronn kostenlos ist, hat sich die ohnehin bereits hohe Besuchsquote noch einmal auf jetzt 97 Prozent gesteigert. Ganz wichtig ist dabei, dass deutlich weniger Kinder erst mit vier oder fünf Jahren in den Kindergarten kommen und dass sie auch länger bleiben. Der gebührenfreie Kindergarten ist außerdem ein Standortvorteil: Wenn Familien mit kleinen Kindern oder Kinderwunsch in die Region Heilbronn ziehen, ist der kostenlose Kindergartenbesuch ein Argument, sich für die Stadt zu entscheiden. Auch deswegen entwickelt sich die Einwohnerzahl in Heilbronn nach oben.

Beitragsfreiheit und Qualitätsoffensive
In der Diskussion im Vorfeld der Gemeinderatsentscheidung kam damals schnell die Befürchtung auf, dass der Verzicht auf Gebühren zu einer Minderung der Betreuungsqualität führen könne. Um diesen Ängsten zu begegnen, wurde zeitgleich mit dem Beschluss, die Gebühren abzuschaffen, eine Qualitätsoffensive aufgelegt, die Maßnahmen zur Verbesserung des Betreuungsschlüssels, Mittel zur Umsetzung des Orientierungsplans und Geld für bauliche Veränderungen für Ganztagsangebote enthielt. Die Botschaft war klar: Wir entlasten die Familien und setzen gleichzeitig die Standards nach oben!

Zum Geld: 2008 belief sich der reine Gebührenausfall auf 2,4 Millionen Euro im Jahr, mittlerweile sind es rund vier Millionen, durch mehr Kinder und längere Betreuungszeiten (Zahlen aus dem Mai 2019). Eine Zahl, die auf den ersten Blick hoch aussehen mag – setzt man sie jedoch ins Verhältnis zum Haushaltsvolumen der Stadt von 470 Millionen, relativiert sich dieser Eindruck schnell. Es geht hier um Prioritätensetzung!

Das Aufstellen eines Haushalts ist immer das Abwägen zwischen einzelnen Maßnahmen und das Bilden von Schwerpunkten, das weiß jeder Kommunalpolitiker und jede Kommunalpolitikerin. Es lohnt sich, in seiner Kommune einmal nachzufragen, wie hoch die Gebührenausfälle zum Beispiel für das letzte Kindergartenjahr wären, sollte man dieses kostenfrei stellen.

Diese Summe ist meistens deutlich niedriger, als man sie geschätzt hat. Und schon erscheint die Frage, ob der kommunale Haushalt Einnahmeausfälle in dieser Höhe verkraften würde, in einem ganz anderen Licht.

Auch Kitas beitragsfrei?
Das erklärte Ziel der Heilbronner SPD ist es, auch die Gebühren für die U3-Betreuung abzuschaffen. Im Rahmen der Beratungen zum letzten Doppelhaushalt haben wir prüfen lassen, was dies kosten würde und mussten feststellen, dass wir das als Stadt bei aller politischen Prioritätensetzung nicht werden schultern können. Daher gilt umso mehr, dass beim Thema Beitragsfreiheit das Land in der Pflicht ist, so, wie es viele andere Bundesländer bereits vorgemacht haben. (Tanja Sagasser-Beil)

 

Die Beiträge wurden zuerst im Landes-SGK EXTRA Baden-Württemberg der DEMO veröffentlicht und erscheinen hier mit freundlicher Genehmigung der SGK Baden-Württemberg.