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Wer bezahlt die Straße?

Rachil Rowald11. Juli 2018
Bauarbeiten an einer Straße
Bauarbeiten an einer Straße (Symbolbild)
Alle wollen Auto fahren. Aber wenn es um die Kosten für die Straße geht, wird es kontrovers. Rachil Rowald, Geschäftsführerin der SGK Brandenburg, erklärt die Debatte um Straßenbaubeiträge und wirft auch einen Blick auf andere Bundesländer.

Hintergrund: Das Thema Straßenbaubeiträge ist in Brandenburg nicht neu, es hat eine Vorgeschichte und wird von einer umfassenden Rechtsprechung begleitet. Aber die Diskussion hat gegenwärtig noch einmal an Fahrt aufgenommen. Nicht zuletzt durch entsprechende Kampagnen, die landauf und landab für eine Abschaffung werben. Im Ergebnis brachte ein Landtagsabgeordneter der Freien Wähler einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Abschaffung von Straßenbaubeiträgen in den Landtag Brandenburg ein. Im Mai wurde nun nicht nur dieser Entwurf, sondern auch ein Antrag der Regierungsfraktionen SPD und Linke, der zusammen mit Bündnis 90/Die Grünen, beschlossen worden war, beraten.

Debatte mit Extrembeispielen

Verfolgt man die Diskussionen über Straßenbaubeiträge, also die Beiträge, die Anlieger zu zahlen haben, wenn das kommunale Straßennetz erweitert wird, dann wird eines besonders auffällig: Es wird oftmals mit extremen Beispielen argumentiert. Auf der einen Seite mit dem vermögenden Villenbesitzer, dessen Grundstückswert mit Zahlungen aller anderen Bürgerinnen und Bürger gesteigert werden soll und auf der anderen Seite die Großmutter, die Gefahr läuft ihr Häuschen zu verlieren, oder Geringverdiener, die durch den Beitrag ins gesellschaftliche Aus gezwungen werden. Auf der einen Seite die Kommune, die ihre Straßen absichtlich verkommen lasse bis eine Reparatur nicht mehr möglich sei oder die zum „Luxusausbau“ über das notwendige Maß hinaus tendiere, auf der anderen Seite die Gemeinde in prekärer Lage, die auf Vorauszahlungen der Anlieger angewiesen sei, weil sie die Mittel selber nicht aufbringen könne. Es mag sicher solche Fälle geben, die meisten liegen vermutlich jedoch irgendwo dazwischen. Diese vermeintlichen oder echten Fallbeispiele haben jedoch, bewusst oder unbewusst, dazu beigetragen, dass entsprechende Debatten nicht selten emotional geführt werden.

Fast alle Bundesländer diskutieren über Straßenbaubeiträge

Es lohnt sich deshalb vielleicht einen Blick darauf zu werfen, worum es wirklich geht. Denn die Straßenbaubeiträge werden nicht nur in Brandenburg, sondern in fast allen Bundesländern intensiv diskutiert. Zum Teil wurden in jüngster Zeit entsprechende Gesetzesänderungen mit divergierenden Inhalten und Zielrichtungen vorgenommen. Debattiert wurden und werden sie jedoch nicht nur von den Landesgesetzgebern, in parteilich unterschiedlicher Zusammensetzung, und von betroffenen Anliegern und Kommunen, sondern nicht selten auch von Vereinigungen und Stiftungen, deren Mitgliederzahl sich manchmal zu einem nicht unerheblichen Anteil aus Grundbesitzern zusammensetzt.

Unter anderem ist immer wieder die Rede von den Sandpisten in Brandenburg. Da gilt es zu unterscheiden, denn streng genommen geht es bei ihnen um die Erschließung von Straßen, die tatsächlich höhere Investitionen erfordern als der Ausbau bereits vorhandener Straßen, Wege und Plätze. Erschließungsmaßnahmen unterfallen jedoch dem Baugesetzbuch des Bundes, wonach die Kommunen einen Anteil der Erschließungskosten auf die Anwohner umlegen. Die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau vorhandener Straßen (Straßenbaubeiträge) regelt hingegen das Kommunalabgabengesetz des Landes (in Brandenburg §8 des Brandenburgischen Kommunalabgabengesetzes).

Die Varianten

Wie unterscheiden sich nun Erschließungskosten von den Straßenbaubeiträgen?

1. Erschließungskosten
Einfach ist es bei Bauvorhaben in einem Neubaugebiet. Werden dort Straßen, Wege und Plätze neu hergestellt, geschieht dies auf der Rechtsgrundlage des Baugesetzbuch des Bundes (§§127 ff. BauGB). Diese Kosten müssen nur für die erstmalige Herstellung bezahlt werden. Die Höhe kann dabei bis zu 90 Prozent der Kosten der Maßnahme betragen. Die Kostenverteilung hat dabei durchaus einen logischen Hintergrund: Erschließungen bringen sowohl der Kommune als auch den Grundstückseigentümern Vorteile. Zum einen wird die Infrastruktur verbessert, zum anderen steigt aber jedes Grundstück in seinem Wert, wenn es erschlossen und erreichbar ist. Das Baugesetzbuch des Bundes ist allerdings über den Landesgesetzgeber nicht zu verändern. Dafür braucht es den Bundesgesetzgeber.

2. Straßenbaubeiträge
Liegt ein Grundstück innerhalb eines bebauten Gemeindegebietes an einer vorhandenen Straße und ist es erforderlich, dass diese Straße erneuert, verbessert oder erweitert werden muss, dann kommen die Straßenbaubeiträge ins Spiel. Kommune sowie Bürgerinnen und Bürger wünschen sich dann oftmals die Einrichtung von Parkstreifen, einer Straßenbeleuchtung oder eines Rad- oder Gehweges. Oder die Straße soll verbreitert oder anderweitig umgestaltet werden. Das sind Maßnahmen, die bei einer normalen Straße in etwa alle 25 Jahre (nach Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg) und bei wenig befahrenen Straßen in Wohngebieten lediglich alle 40 Jahre fällig werden. Gehwegen werden nicht weniger als 20 Jahre zugebilligt und Beleuchtungseinrichtungen mindestens 30 Jahre.

Nicht darunter fallen übrigens Maßnahmen der einfachen Instandhaltung, also die laufende Unterhaltung, um den bestehenden Gebrauch zu erhalten (vgl. §8 Absatz 2 Satz 1 des Brandenburgischen Kommunalabgabengesetzes). Eine entsprechende Rechtsprechung zeigt jedoch, dass die Abgrenzung nicht immer ganz unumstritten ist.

Straßenbau und Grundstückswert

Einen Teil der Kosten macht die Kommune für diese Verbesserungen oder Erweiterungen dann, nach der von der Gemeinde verabschiedeten Satzung und den Regeln des Kommunalabgabengesetzes des Landes bei den Anliegern geltend, wobei auch der erlangte Vorteil für die Anwohner eine Rolle spielt. Begründet wird dieser Beitrag damit, dass der Wert der Grundstücke durch die neue oder reparierte Straße steigt bzw. erhalten wird. Deshalb sind die Beiträge auch an das Grundstück gebunden und werden erst durch einen Beitragsbescheid „persönlich“.

Gibt das Kommunalabgabengesetz vor, dass sie erhoben werden sollen, ist dies verbindlich. Steht hingegen im Gesetz, die Gemeinde „könne“ die Beiträge erheben, kann sie davon absehen. In Brandenburg findet sich in §8 Absatz 1 des Kommunalabgabengesetzes erst einmal beides. Nach Satz 1 können grundsätzlich Beiträge erhoben werden, für den Straßenbau wird jedoch in Satz 2 verbindlich angeordnet, dass dafür Beiträge erhoben werden sollen und damit legt das Gesetz eine Beitragserhebungspflicht fest.

Entscheidung vor Ort und wenn man dürfte, wie man möchte

Dabei sind die Diskussionen nicht selten von den politischen Verhältnissen vor Ort und in den Landesparlamenten geprägt. Wie vertrackt die Situation sein kann, zeigt das Beispiel einer Stadt aus Schleswig-Holstein. Das Land hatte den Kommunen mit einer Kann-Regelung freigestellt, ob sie Beiträge erheben wollen oder nicht.

In einer mittelgroßen Gemeinde hatten die Stadtverordneten in einer letzten Sitzung vor den Kommunalwahlen einen Beschluss gekippt, den sie erst eine Sitzung zuvor gefasst hatten. Grundsätzlich waren sich zwar alle einig, dass in Zukunft keine Beiträge mehr gezahlt werden sollten. Allerdings sollte dies an unterschiedliche Bedingungen geknüpft werden. So wollten SPD, Linke und Grüne, dass die Beiträge zwar nicht abgeschafft, in der Höhe aber abgesenkt werden und auf 20 Jahre verteilbar sein sollten. Der Antrag war jedoch gefasst worden, als zwei der CDU-Stadtverordneten fehlten. Die waren beim nächsten Mal nun wieder da. Die CDU wollte stattdessen die Straßenbaubeitragssatzung ganz kippen. Übrigens aber auch nicht ganz „kostenlos“ für die Bürgerinnen und Bürger, denn sie wollte nun im Gegenzug die Grundsteuer A und B um 30 Prozentpunkte erhöhen, um das Haushaltsminus, das durch die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge entstehen würde, auszugleichen. Da der Vorschlag keine Mehrheit fand, erlangte die ursprüngliche Satzung wieder Geltung und die Anlieger wurden weiterhin an den Kosten für die Sanierung ihrer Straßen beteiligt.

Dieses Beispiel zeigt recht deutlich, warum es so schwierig ist, einen Königsweg zu finden, der allen Beteiligten gerecht werden kann. Dabei stellen sich den jeweiligen Landesgesetzgebern eine ganze Reihe von Fragen.

Soll- oder Kann-Regelung und die Finanzierung

Derzeit zeichnet sich ab, dass in den Bundesländern zwei Aspekte hervorgehoben werden: eine grundsätzliche Abschaffung, mit einer nachfolgenden Debatte über eine anderweitige Finanzierung, und das Stellen der Erhebung in das Ermessen der Kommunen, wie eben in Schleswig-Holstein.

Oder die Verankerung einer Kann-Regelung in den Landeskommunalabgabegesetzen, die die verbindlichen Soll-Regelungen ersetzen soll. Den Kommunen stünde es dann frei, die Kosten auf die Anlieger wenigstens teilweise umzulegen.

Werden jedoch die Beiträge teilweise oder zur Gänze abgeschafft, stellt sich dann jedoch die Frage, wie die Arbeiten finanziert werden. Diskutiert werden Steuererhöhungen, eine Finanzierung durch Landesmittel in verschiedenen Formen, aber durchaus auch die so genannten wiederkehrenden Beiträge, wenn also statt einer einmaligen Zahlung die Kosten auf alle oder viele Anlieger einer Gemeinde umgelegt werden. Die Beiträge wären dann geringer, es würden aber die zahlen, die nicht direkt von einer Verbesserung profitieren.

Andere Länder – andere Regelungen

Zum Teil entsteht derzeit der Eindruck, Gesetzesinitiativen seien Entscheidungen der jüngeren Vergangenheit und seien zudem das Ergebnis entsprechender Kampagnen. Tatsächlich haben die Entscheidungen in den drei meistgenannten Bundesländern, Berlin, Hamburg und Baden-Württemberg, mit den Kampagnen nichts zu tun und die Abschaffung der Straßenbaubeiträge hatte dort ganz eigene Gründe, die sich eben nicht einfach übertragen lassen.

Tatsächlich wurde in Berlin die Straßenbaubeitragssatzung, nur wenige Jahre alt, bereits im Jahr 2012 wieder aufgehoben. Die Anlieger sollten nicht mehr an den Ausbaukosten der Straßen beteiligt und damit finanziell entlastet werden. In den Jahren 2008 bis 2011 betrugen die Einnahmen aus dem Straßenausbaubeitragsgesetz allerdings auch nur ca. 624.000 Euro und dies auch nur in wenigen Bezirken, aus denen Beiträge an die Bezirksämter zu entrichten waren. Begründet wurde die Abschaffung nicht zuletzt mit der fehlenden Akzeptanz durch die Bevölkerung.

In Hamburg hat man sich zu einer Abschaffung im Jahr 2016 entschlossen. Zur Streichung der entsprechenden Vorschriften zur Kostentragung bei Umbaumaßnahmen hatten sich die zuständigen Behörden entschlossen, weil sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen aus den Ausbaubeiträgen und deren Erhebungsaufwand als unwirtschaftlich erwiesen hatte. So hätten auf der einen Seite in den Jahren 2011 bis 2015 Ausbaubeiträge von durchschnittlich rund 184.000 Euro pro Jahr gestanden, denen aber Personal­ und Sachkosten für die Abrechnung der Ausbaubeiträge von rund 160.000 Euro pro Jahr und weitere jährliche Kosten von ca. 125.000 Euro im Zusammenhang mit der Erhebung von Ausbaubeiträgen, zum Beispiel für die Beauftragung von Ingenieurbüros, bei der Abgabe von Stellungnahmen zu Baumaßnahmen oder bei der Einlegung von Widersprüchen gegen Festsetzungsbescheide bzw. Klagen vor dem Verwaltungsgericht, gegenüber standen.

Dabei muss man aber auch im Blick behalten, dass es in Berlin und Hamburg, beides Stadtstaaten, nur wenige Straßen gibt, bei denen sich nicht die Frage stellt, ob der Nutzen für die Allgemeinheit den für die Anlieger nicht ohnehin überwiegt, nicht zuletzt bei der erheblichen Anzahl von Durchgangsstraßen. Die Akzeptanz kann dann sehr sinken, wenn in einer Straße 30 Grundstückseigentümer betroffen sind, mit insgesamt 20 Kraftfahrzeugen, durch deren Straße aber täglich 20.000 Autos fahren, während die Parkplätze von Fremdparkern zugestellt werden.

Im vielzitierten Baden-Württemberg werden hingegen bereits seit Jahrzehnten keine entsprechenden Beiträge erhoben. Das stand auch im Zusammenhang mit den Kommunalfinanzen im Land. Nur ergänzend sei erwähnt, dass die Finanzlage der Kommunen in Baden-Württemberg seit Jahren überaus stabil ist und dass sie sowohl bei den Investitionen als auch bei den Steuereinnahmen im bundesdeutschen Vergleich weit vorne liegen. Auch Kassenkredite sind nahezu unbekannt. Es ist fraglich, wie übertragbar diese Finanzsituation ist.

Zudem ist zu beachten, dass sich dafür der endgültige Ausbau nach dem Baugesetzbuch des Bundes über einen langen Zeitraum erstrecken kann. Endgültig ist der Ausbau erst, wenn die Anlage den in der Satzung und dem Ausbauprogramm der zuständigen Gemeinde festgelegten Merkmalen entspricht. Deshalb führten Maßnahmen nach dem Baugesetzbuch in Baden-Württemberg schon auch einmal dazu, dass die „erstmalige endgültige Herstellung“ so lange herausgezögert wurde, bis der Bürgermeister einer kleineren Gemeinde seine Amtszeit beendet hatte und sich mit der Geltendmachung nicht mehr auseinandersetzen musste.

Auf die Entwicklung in Bayern wird derzeit gerne aus den Reihen der Union verwiesen. Interessanterweise schrei­ben sich sowohl die CSU als auch zahlreiche Gruppen, Verbände und Bürgerinitiativen und insbesondere die Freien Wähler ein etwaiges Entgegenkommen den Bürgern gegenüber derzeit auf die Fahne, auch wenn sie kaum jemals kooperiert haben dürften. Aber gut, im Herbst sind Landtagswahlen. So starteten die Freien Wähler eine Unterschriftensammlung für die Zulassung eines Volksbegehrens zur Abschaffung der Straßenbaubeiträge. Knapp 190.000 Unterschriften wurden dann dem Bayerischen Innenministerium übergeben. Ein entsprechendes Volksbegehren wurde auf den 13. bis 26. Juli 2018 terminiert.

Nun steht jedoch eine Änderung an. Denn an sich waren sich wohl CSU, SPD und Grüne bereits einig das Gesetz ohnehin anzupassen, wollten jedoch – zeitlich nun zusammentreffend mit dem Volksbegehren – eine umfassende Evaluation vornehmen.

Das Ergebnis: Die CSU-Fraktion beschloss, die Straßenausbaubeiträge in Bayern abzuschaffen. Das hat in der derzeitigen Lage einige Gemeinden so verwirrt, dass sie wegen der unklaren Rechtslage erst einmal auf weitere Bescheide verzichten und auch laufende Gerichtsverfahren werden angeblich nicht fortgeführt. Zudem stellen sich im Freistaat viele Kommunen sowie Bürgerinnen und Bürger Fragen nach gezahlten Vorausleistungen, Halb­abrechnungen und der Bestandskraft bereits erlassener Bescheide.

Der Gesetzesvorschlag sieht vor, dass das Kommunalabgabengesetz geändert wird und die Ausbaubeiträge (rückwirkend) zum 01.01.2018 abgeschafft werden. Damit entfiele die Rechtsgrundlage für die Erhebung der Straßenausbaubeiträge zu diesem Stichtag. Es kommt also auf das Datum des Erlasses an: Bescheide nach dem 31. Dezember 2017 wären aufzuheben und erhobene Beiträge müssten ab dem 01.05.2019 zurückerstattet. werden. Vorauszahlungen sollten jedoch einbehalten werden dürfen, wenn die Straße bis zum 31. Dezember 2024 technisch fertiggestellt wird – ein Glück für den, dessen Straße noch nicht berücksichtigt wurde. Und auch die Stichtagsregelung begegnet durchaus rechtlichen Bedenken, nicht zuletzt, weil es dann auf die Abrechnung durch die Gemeinde ankommt und wann welcher Bescheid erlassen wurde.

In Hessen wurde sehr deutlich, dass eine Partei in einem Bundesland nicht grundsätzlich dieselbe Meinung haben muss wie dieselbe Partei in einem anderen Bundesland oder auf Bundesebene. In Hessen gab es bereits einen längeren politischen Streit darüber, wie nun mit den Beiträgen umgegangen werden soll. Dort waren die Städte und Gemeinden verpflichtet, die Anlieger an den Kosten für die Sanierung von Straßen zu beteiligen. Mit Stand vom Mai dieses Jahres erhoben nur 32 Kommunen, also in etwa acht Prozent aller Kommunen, keine Beiträge. Dazu gehörten jedoch in erster Linie die finanzstarken Standpunkte Frankfurt, Eschborn und Wiesbaden.

In diesem Kontext hatte eine hessische Kleinstadt, wirtschaftlich schlecht gestellt und mit knapp 10.000 Einwohnern, auf eine Straßenbeitragssatzung verzichtet, um ihre Bürgerinnen und Bürger von den Beiträgen zu verschonen. Die waren der Stadt vermutlich dankbar, der Landrat hingegen nicht. Er verlangte, mit Blick auf die (noch) bestehende und verbindliche Soll-Regelung des hessischen Kommunalabgabengesetzes, als kommunale Aufsichtsbehörde von der Kommune den Erlass einer entsprechenden Straßensatzung. Ähnlich erging es Kommunen in Thüringen. Die Gerichte gaben dem Landrat Recht. Auch in Brandenburg hätte die Kommunalaufsicht nach den §§12 ff. der Brandenburger Kommunalverfassung das Recht, den Mangel entsprechender Satzungen, bis hin zur Ersatzvornahme, zu sanktionieren.

Zu Beginn dieses Jahres wurde nun eine Gesetzesänderung durch die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen sowie die oppositionelle FDP auf den Weg gebracht und im Mai im Parlament beschlossen. Hieß es vorher noch, die Kommunen „sollen“ die Kosten auch auf die Anlieger umlegen, nicht zuletzt, wenn sie in einer defizitären Haushaltslage sind, heißt es nun: sie „können“. Die FDP hatte übrigens nur ein paar Jahre zuvor die Soll-Regelung vertreten, konnte sich jetzt aber wohl mit einer Kann-Regelung – aus politischen oder sachlichen Gründen – anfreunden.

Zu beachten ist aber auch in Hessen, wie in den anderen Bundesländern auch, dass es immer um die grundlegende Sanierung von Straßen gehen muss, nicht aber um Ausbesserungen von Schlaglöchern. Denn das wäre Teil der Instandhaltungspflicht, die die Kommunen selbst leisten müssen. Für die, die auch zuvor belastet waren, Eigentümer in finanzschwachen Kommunen und im ländlichen Raum, dürfte sich deshalb im Ergebnis wenig ändern. Allerdings besteht nun auch die Möglichkeit, die Laufzeit für eine Ratenzahlung auf bis zu 20 Jahre zu erweitern. Das verringert zumindest die monatliche Belastung.

Die SPD, in der Opposition, legte dem Hessischen Landtag während des Gesetzgebungsverfahrens einen eigenen Gesetzentwurf zur vollständigen Abschaffung der Straßenausbaubeiträge vor. Wegen des Sanierungsstaus an den kommunalen Straßen befürchtete man hohe Kosten für die Bürgerinnen und Bürger. Die für die Sanierung der Straßen notwendigen Finanzmittel sollten den Kommunen dafür mit einer Investitionspauschale aus Landesmitteln zur Verfügung gestellt werden. Die Summe sollte dabei höher liegen als die rund 40 Mil­lionen, die die Kommunen aus den Straßenausbaubeiträgen erhielten. Diese parlamentarische Initiative fand keine Mehrheit. Aus der kommunalen Ebene war jedoch zu hören, dass man wohl auch mit wiederkehrenden Beträgen für Anliegergemeinschaften hätte leben können.

Wiederkehrende Beiträge

Grundsätzlich werden Straßenbaubeiträge einmalig und bezogen auf eine bestimmte Baumaßnahme erhoben. In einigen Bundesländern erlauben die Landeskommunalabgabengesetze den Gemeinden jedoch wiederkehrende Beiträge zu erheben. Dabei legt die Gemeinde die umlagefähigen Straßenbaukosten auf alle oder viele Grundstückseigentümer der Gemeinde um, die dann zahlen, unabhängig davon ob ihr Eigentum dann auch an der betroffenen Straße liegt. Im Ergebnis senkt das die Belastung zwar erheblich, dürfte aber auch die auf den Plan rufen, die dann bei entsprechenden Maßnahmen nicht zeitnah berücksichtigt werden und deren Immobilie dann eben keine Wertsteigerung erfährt.

So können in Rheinland-Pfalz Kommunen einmalige Beiträge für den Ausbau einer einzelnen Verkehrsanlage, also beispielsweise einer ganz bestimmten Straße, erheben. Bei der wiederkehrenden Beitragserhebung werden dagegen alle Verkehrsanlagen eines bestimmten Gebiets oder einer Ortsgemeinde zusammengefasst und als eine einzige Anlage betrachtet. Das bedeutet für die Beitragspflichtigen einen Unterschied sowohl bei der Höhe als auch bei der Häufigkeit der Beiträge. Die Kommunen müssen sich dabei in jedem Fall an den Kosten beteiligen, weil ihnen letztlich die Verbesserung des kommunalen Straßennetzes ebenfalls zugute kommt. Bei Anlagen, die auch dem Durchgangsverkehr dienen oder im Zusammenhang mit öffentlichen Einrichtungen oder Nahversorgungsgebieten stehen, wird der Gemeindeanteil daher höher sein als bei reinen Anliegerstraßen. Er soll für wiederkehrende Straßenbeiträge mindestens 20 Prozent betragen.

Und Brandenburg?

Den Weg der Aufklärung wird nun auch Brandenburg gehen. Das gegenwärtige Kommunalabgabengesetz des Landes sieht grundsätzlich eine Erhebung für die Herstellung, Erweiterung und Verbesserung nach §8 des Brandenburgischen Kommunalabgabengesetzes verbindlich vor.

Wie oben bereits erwähnt, fand ein Antrag und ein Gesetzentwurf Eingang in das parlamentarische Verfahren, in dem die Abschaffung der Straßenbaubeiträge gefordert wurde. Sowohl die Koalitionsfraktionen von SPD und Die Linke, gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen, als auch die CDU-Fraktion legten eigene Anträge vor. Im Ergebnis wurde der Antrag der Regierungsfraktionen, dem sich Bündnis 90/Die Grünen angeschlossen hatten, angenommen (Landtagsdrucksache 6/8796).

Vorausgegangen waren der Debatte Kampagnen, aber auch Diskussionen in den kommunalen Gremien. Die führten jedoch oftmals zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Von Resolutionen, die eine stärkere Mitbestimmung der Anwohner forderten, bis hin zur Erkenntnis, dass man auch keine Lösung habe. Auf der einen Seite die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, auf der anderen Seite die Interessen der Kommune, und dabei insbesondere seiner Vertreter, an einer gesamtkommunalen Gestaltung und an stabilen Kommunalfinanzen.

In dem Antrag wurde nun beschlossen:

„…dass die Landesregierung aufgefordert wird, dem Landtag bis zum November 2018 einen Bericht zuzuleiten, der im bundesweiten Vergleich die Entwicklung bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen und deren Auswirkungen sowie die Erhebung von Erschließungsbeiträgen nach dem Baugesetzbuch darstellt. Dabei soll auch die Höhe der Einnahmen der Kommunen im Land Brandenburg und der dazu erforderliche Aufwand überschlägig dargestellt werden, um bewerten zu können, welche Auswirkungen eine Veränderung der derzeit bestehenden rechtlichen Lage bei der Erhebung von Beiträgen bei den dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wegen und Plätzen hätte.“

Zudem sollen Vorschläge für eine verbesserte Beteiligung von Anliegern bei Straßenausbaumaßnahmen und für eine Verzinsungsregelung, mit der ein variabler Zinssatz im Kommunalabgabengesetz vorgesehen wird, der sich an der allgemeinen Zinsentwicklung orientiert, vorgelegt werden. Letzteres auch, weil Zweifel an einer Zinshöhe, die weder den Lebens- noch den Finanzmarktverhältnissen entspricht, durchaus angebracht sind und die Gesamtsumme, gerade bei langfristigen Ratenzahlungen, durchaus ins Gewicht fallen kann.

Gibt es eine Lösung, die es jedem recht machen kann?

Der Antrag läuft nun darauf hinaus, dass erst einmal geprüft wird, ob sich die Wege anderer Bundesländer bewährt haben, wie es um die Grundlagen in Brandenburg bestellt ist und welche Auswirkungen etwaige Änderungen hätten. Wäre es wirklich besser gewesen, wenn man sofort eine Lösung gesetzlich verankert hätte, statt erst einmal zu prüfen, was für Brandenburg das Beste ist?

Bei Einführung einer Kann-Regelung besteht die Gefahr, dass man es sich in den „reichen“ Kommunen leisten kann Konflikte mit den Anliegern zu scheuen und auf Beiträge zu verzichten, während die Hauptverantwortlichen in den ärmeren Kommunen das eben nicht können. Das muss zwangsläufig zu Ungleichheiten zwischen den Bürgerinnen und Bürgern, je nach Betroffenheit, aber auch zwischen den Kommunen führen. So kann es einfach auch passieren, dass direkte Nachbarn unterschiedlich behandelt werden, einfach weil Gemeinden sehr dicht beieinander liegen und eine Kommune nicht erhebt, die andere aber schon – weil die eine es sich leisten kann, die andere aber nicht. Was aber macht das mit dem Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit?

Abhängig von den, auch politischen, Gegebenheiten vor Ort ist es dann eine Herausforderung für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Übrigens haben (Stand März 2018) nur sechs Prozent der Gemeinden in Schleswig-Holstein die Beiträge dann auch wirklich abgeschafft. Die Empörung ist wohl geblieben, sie hat nur ihre Zielrichtung geändert.

Gleichzeitig bestünde die Gefahr ­einer stark steigenden Erwartungshaltung der Anlieger und eines ebenfalls steigenden Erwartungsdruckes an die Gemeindevertreter sowie divergierender Entscheidungen, je nachdem, ob eine Gemeinde gerade gut da steht oder nicht. Warum diese Straße und nicht die eigene? Oder warum nicht jetzt, sondern erst später?

Und dies, obwohl es immer die Möglichkeiten der Ratenzahlung, der Stundung und des Erlasses gibt. So kann, laut §12 c des Kommunalabgabengesetzes des Landes Brandenburg, im Einzelfall eine unbillige Härte angenommen werden und die Beiträge können ganz oder teilweise gestundet oder erlassen werden. Dem Vernehmen nach wird davon nicht ganz so stark Gebrauch gemacht, wie man meinen könnte.

Und bei einer Abschaffung stellt sich eben nicht nur die Frage nach einer adäquaten Stichtagsregelung, sondern auch nach der Finanzierung. Und sicherlich muss man sich auch Gedanken um die Auswirkungen der strikten Konnexität machen und darum, dass Straßen dann gar nicht mehr so gerade noch in Ordnung sind, wenn es keinen eigenen finanziellen Beitrag mehr gibt. So etwas kann die eigene Wahrnehmung ja durchaus auch verzerren, unabhängig von der Frage, ob man dann eine Anliegergemeinschaft gründen möchte, um die Kosten auf vertraglicher Grundlage zu übernehmen (vgl. §8 Absatz 1 Satz 3 des Brandenburgischen Kommunal­abgabengesetzes).

Nicht nur eine vollständige Kostenübernahme durch das Land hätte seine Schattenseiten, blickt man auf die Aspekte einer auskömmlichen Finanzierung. Letztlich würden dann doch die Bürger zahlen müssen, dann nur in anderer Höhe und auf anderem Wege und es würde sich dann auch die Frage stellen, was das für die Einflussnahme des Landes auf die Kommunen bedeutet. Laufen die Kommunen bei einer „Kostenübernahme durch das Land“ nicht auch Gefahr, ihre ­autonome Finanzierungsquelle zu verlieren, um dann auf eine Gegenleistung angewiesen zu sein und damit auch erhöht rechenschaftspflichtig zu werden? Wären Pauschalzuweisungen der richtige Weg? Wie ist das umsetzbar, ohne neue Ungerechtigkeiten hervorzurufen? Und wie steht es dann mit der Finanzierung anderer Maßnahmen?

Wiederkehrende Beiträge könnten hingegen dazu führen, dass eine Kommune Geld auch von den Anwohnern erheben müsste, deren Straße seit 20 Jahren nicht gemacht wurde oder zu der Situation, dass Geringverdiener die Wertsteigerung eines vermögenderen Eigentümers mitfinanzieren.

Einer Steuerfinanzierung fehlt es ohnehin an einer praktikablen Zweckbindung und an einer regional konzentrierten Verwendung und auch an Transparenz gegenüber dem Bürger dürfte es fehlen. Sie sind, anders als Beiträge und Gebühren, nicht auf eine Gegenleistung ausgerichtet und fließen in den Haushalt. Bei der Grundsteuer käme hinzu, dass diese derzeit auf Bundesebene neu verhandelt wird.

Und bei allem muss man im Blick behalten, wie oft Baubeiträge gezahlt werden müssen und dass ohnehin Unterschiede danach gemacht werden, inwieweit dem Anwohner die Maßnahme zugute kommt.

Und nicht zuletzt stellen sich auch Fragen, ob nicht „Alt-Anwohner“ über Gebühr benachteiligt werden, die eben ihre Beiträge schon bezahlt haben. Oder wie es um Rückerstattungen bereits gezahlter Beiträge steht. Und was ist mit den ärmeren und kleineren Kommunen, die auf Vorausleistungen angewiesen sind?

Das alles ist in die Überlegungen einzubeziehen und abzuwägen. Vielleicht ist es ja wirklich manchmal besser, es wird anständig geprüft, bevor man eine Lösung findet.