Blog Im Brennglas

Wie Bürger von E-Government profitieren können

Marian Schreier10. März 2016
Marian Schreier: Der SPD-Politiker ist mit 26 Jahren Deutschlands jüngster Bürgermeister in der Stadt Tengen in Baden-Württemberg.
Marian Schreier: Der SPD-Politiker ist mit 26 Jahren Deutschlands jüngster Bürgermeister in der Stadt Tengen in Baden-Württemberg.
Mehr individuelle Beratung? Mehr Angebote für Anregungen und Beschwerden? Die digitale Verwaltung macht's möglich. Voraussetzungen für ein funktionierendes E-Government sind die Bereitschaft, alte Strukturen zu überdenken, und das Engagement der Verwaltungsspitze.

Es gibt kaum einen gesellschaftlichen Bereich, der so stark mit Papier in Verbindung gebracht wird wie die öffentliche Verwaltung. Und es gibt kaum einen Bereich, in dem die Digitalisierung so große Potenziale birgt. Momentan bleiben diese Chancen aber noch weitestgehend ungenutzt, wie erst kürzlich eine im Auftrag des Normenkontrollrats erstellte Studie zur E-Government in Deutschland festgestellt hat. Dabei sind es nicht nur die großen Städte, die von der Digitalisierung profitieren können, sondern auch kleine Gemeinden - auch und gerade im ländlichen Raum.

E-Government: bürgerfreundlich und inidividuell

In erster Linie kann das, was unter dem Oberbegriff „E-Government“ verhandelt wird, dazu beitragen, einen bürgerfreundlichen und individuellen Service anzubieten. Dies beginnt mit der Erreichbarkeit: Verwaltungsdienstleistungen können nicht nur während der üblichen Geschäftszeiten erledigt werden, sondern rund um die Uhr bequem von zuhause. Gerade in ländlichen Gemeinden mit oft eingeschränkten Busverbindungen ein nicht zu vernachlässigender Vorteil, der angesichts einer alternden und damit weniger mobilen Bevölkerung weiter an Bedeutung gewinnen wird. Neben der Erreichbarkeit kann E-Government auch die Benutzerfreundlichkeit erhöhen. Für gewöhnlich zeichnen sich Verwaltungsdienstleistungen dadurch aus, dass man sie nur wenige Male und in unregelmäßigen Abständen nutzt – wie zum Beispiel das An- und Ummelden eines Autos oder das Beantragen des Kindergelds.

Das heißt Routine, die sich über einen regelmäßigen Gebrauch einstellen würde, ist kaum vorhanden, was eine erneute Nutzung mühsam und zeitaufwendig macht. Digitale Lösungen können einige Hürden abbauen, beispielsweise durch ausführliche Anleitungen oder Plausibilitätsprüfungen, also einer Überprüfung, ob das Formular vollständig und nicht widersprüchlich ausgefüllt wurde. Noch einfacher wird es, wenn die Beantragung über Benutzerkonten erfolgen kann, in denen die Stammdaten, wie Name und Adresse, schon hinterlegt sind.

Mit digitalen Services Ressourcen sparen

Doch die Digitalisierung bringt nicht nur Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für die Verwaltung selbst. Denn: Richtig eingesetzte digitale Services sparen Ressourcen, zuvorderst Zeit und Geld. Beispiel Meldebescheinigung: Diese wird u.a. zur Vorlage bei Behörden wie Banken und manchmal auch beim Abschluss von Verträgen benötigt. Die klassische Beantragung erfolgt persönlich im Rathaus, eine Online-Bestellung spart also für beide Seiten Zeit. Die Zeitersparnis sollte jedoch nicht für Personalreduzierungen eingesetzt werden. Im Gegenteil: Mit der gewonnenen Zeit könnte die individuelle Beratung bei komplexen Verwaltungsangeboten ausgebaut werden.

Eine weitere Ressourcenersparnis liegt in der Digitalisierung des Geschäftsverkehrs zwischen Verwaltungen. Der Großteil der Kommunikation in einer Verwaltung spielt sich zwischen Fachbehörden ab. Beispielsweise beim Baugesuch: Das nicht nur vom Baurechtsamt, sondern auch vom Naturschutz- oder dem Straßenverkehrsamt beurteilt werden muss. Erhebliche Effizienzsteigerungen sind hier möglich, wenn der Antrag allen Fachbehörden nach Eingang digital vorliegt und alle beteiligten Stellen den Bearbeitungsstand der anderen Behörden einsehen können.

Alte Strukturen überdenken

Schließlich kann die öffentliche Verwaltung durch digitale Angebote auf Ressourcen zugreifen, die bislang häufig ungenutzt bleiben. Dies gilt insbesondere für das Wissen und die Kompetenz der Bürgerschaft. Dazu zählen vergleichsweise einfache Lösungen wie ein digitales Anregungs- und Beschwerdemanagement, über das BürgerInnen auf Mängel im öffentlichen Raum, z.B. Schlaglöcher, aufmerksam machen können. In Tengen haben wir das gerade erst eingeführt. Bis hin zu umfassenden digitalen Beteiligungsangeboten, wie beispielsweise die Entwicklung der Digitalen Agenda Wien.

Auf dem Weg zu einer digitalen Verwaltung sind noch viele Hürden zu nehmen: Es braucht mehr gemeinsame Standards und weniger Insellösungen, rechtliche Rahmenbedingungen, die der Digitalisierung Rechnung tragen, das heißt weniger Formerfordernisse wie persönliches Erscheinen oder Schriftform. Und vor allen Dingen einen Kulturwandel: E-Government ist weniger eine technische, sondern vielmehr eine organisatorische und kulturelle Herausforderung für die Verwaltung. Denn: Die technische Infrastruktur ist vergleichsweise schnell aufgebaut, schwieriger ist es, die digitalen Angebote auch in der Verwaltungsstruktur abzubilden.

Im Falle des digitalen Anregungs- und Beschwerdemanagements ging es u.a. darum, wer in der Verwaltung die Meldungen entgegennimmt, wie sie an die zuständigen Stellen verteilt werden, wer die Bearbeitung kontrolliert und schließlich wer den BürgerInnen Rückmeldung über den Bearbeitungsfortschritt gibt. Dabei ist es notwendig, Prozesse auch entgegen der üblichen Geschäftsverteilung in der Verwaltung Ämter- und Fachbereichsübergreifend zu organisieren. Deshalb braucht es für die Digitalisierung der Verwaltung die Bereitschaft, alte Strukturen zu überdenken und wichtiger noch: das Engagement und die Unterstützung der Verwaltungsspitze.

 

Der Blogbeitrag wurde mit freundlicher Genehmigung von vorwärts.de übernommen.