Mobilität

Bus per App bestellen und für 1,50 Euro fahren

Christian Scharpf26. Mai 2023
Drehscheibe Nordbahnhof Ingolstadt: Die Rufbusse der Marke VGI-Flexi ermöglichen einen Lückenschluss zwischen städtischer und regionaler Nachfrage.
Der Verkehrsverbund in der Region Ingolstadt setzt auf günstige Rufbusse, um den ÖPNV zu stärken. Ein Gastbeitrag von Oberbürgermeister Christian Scharpf.

Anm. d. Red: Der Autor dieses Beitrags, Ingolstadts Oberbürgermeister Dr. Christian Scharpf (SPD), ist auch Vorsitzender im Zweckverband „Verkehrsverbund Großraum Ingolstadt“ (VGI)

Mitten im Herzen Bayerns kommt die Verkehrswende in rasantem Tempo voran: Mit Hochdruck treibt der Verkehrsverbund Großraum Ingolstadt (VGI) vielfältige alternative Mobilitätslösungen voran. Vor allem flexible On-Demand-Angebote ermöglichen einen innovativen, fahrgastfreundlichen und nachhaltigen ÖPNV. Getragen wird der Verkehrsverbund, der zum 1. April 2023 als Anstalt öffentlichen Rechts AöR gegründet wurde, von den Landkreisen Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen an der Ilm sowie der Großstadt Ingolstadt. Gemeinsam entwickeln die Gebietskörperschaften weitere Initiativen: So sollen nach dem Start von Pilotprojekten in der ländlichen Region nun auch Rufbusse im Stadtgebiet an den Start gehen. Den Anfang macht demnächst der VGI-Flexi Klinikum Ingolstadt.

OB Christian Scharpf, SPD. Foto: Ritchie Herbert

Als bedeutender Automobilstandort ist Ingolstadt traditionell geprägt durch den mobilen Individualverkehr. Die Verkehrsdichte in der Donaustadt ist deutlich größer als in anderen bayerischen Großstädten. Entsprechend ist der Anteil des ÖPNV am Gesamtverkehrsaufkommen im Vergleich zu anderen Großstädten weit unterdurchschnittlich. Seit 2020 wurden deshalb die öffentlichen Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr verdoppelt. Die Budgetsteigerung ist auf Dauer angelegt und basiert unter anderem auf dem ÖPNV-Förderprogramm „VGI newMIND“, für das der VGI den Zuschlag erhalten hat.

Erste Pilotprojekte on Demand

Diese Finanzspritze war auch die Initialzündung für erste Pilotprojekte mit Rufbussen, die zunächst im ländlichen Raum erprobt wurden. Bereits im Jahr 2020 hatte der Landkreis Eichstätt in Begleitung der DB Regio Bus ein Nahverkehrskonzept entwickelt, das neben dem klassischen Linienverkehr auch bedarfsgesteuerte Verkehrsmittel mit einbeziehen sollte. Nach dem positiven Förderbescheid für das „VGI newMIND“-Projektvorhaben durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr wurde nach passenden Partnern gesucht, mit denen das Vorhaben auf die Straße gebracht werden konnte. Im Juni 2022 fiel der Startschuss des ersten VGI-Flexi-Service in Beilngries. Genau wie in Denkendorf, das Anfang 2023 in die VGI-Flexi-Plattform integriert wurde, ist die Firma Hengl Reisen das ausführende Verkehrsunternehmen.

Padam Mobility, ein Siemens Mobility-Tochterunternehmen, ist für die Bereitstellung der On-Demand-Lösung verantwortlich. Das von Padam Mobility entwickelte System erlaubt es, Fahrtenwünsche intelligent zu bündeln, sodass Fahrten dynamisch an die vorliegenden Buchungen angepasst werden und keiner festen Linie folgen. Dadurch werden unnötige Kilometer vermieden und Fahrgäste benötigen einen deutlich kürzeren Zeitraum für ihre gewünschte Strecke.

Ein Nahverkehrsangebot, das allen Bürgerinnen und Bürgern größtmögliche Freiheiten bietet und für alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen zugänglich ist, stellt ein wichtiges Gut dar. Die Herausforderungen, mit denen ländlich geprägte Gebiete konfrontiert sind, liegen dabei auf der Hand. Aufgrund der zeitweise geringeren Nachfrage und sehr diversen Mobilitätsbedürfnissen ist es nahezu unmöglich, auch an dünn besiedelten Orten einen hochfrequentierten Busdienst anzubieten. Trotzdem ist das Ziel, den öffentlichen Nahverkehr in den Regionen zu stärken und so den individuellen Autoverkehr zu reduzieren. Ein gut genutzter ÖPNV verringert nicht nur die Umweltbelastung durch Privatfahrzeuge, sondern erleichtert zudem den Zugang zu wichtigen Einrichtungen wie Supermärkten oder Arztpraxen.

Neue Freiheiten für Menschen ohne eigenes Auto

Das Servicemodell des VGI-Flexi wurde in allen Gebieten im Vorfeld genauestens geplant. Dabei war von großer Bedeutung, nicht nur wichtige Anlaufstellen des alltäglichen Lebens zugänglicher zu machen, sondern auch das vorhandene ÖPNV-Angebot in der Region mit einzubeziehen. Insbesondere für Menschen ohne eigenes Auto, Berufspendler, Jugendliche und ältere Menschen ermöglicht dieses Angebot ganz neue Freiheiten. Zudem ist es unschlagbar günstig. Fahrgäste ab 14 Jahren zahlen lediglich 1,50 Euro pro Fahrt. Auch die im öffentlichen Nahverkehr üblichen Abokarten sowie das Deutschlandticket sind gültig.

Die Ausweitung des ÖPNV hin zu einem für alle nutzbaren Netz ist vielen Kommunen ein wichtiges Anliegen. Die Kosten können aber oft nicht von den Gemeinden allein geschultert werden. In den drei Landkreisen Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen a.d. Ilm sowie der Stadt Ingolstadt war die Gründung eines Verkehrsverbundes im Jahre 2018 der Schlüssel zu einem ganzheitlichen regionalen Mobilitätskonzept. Anstatt voneinander getrennte On-Demand-Systeme einzusetzen, werden die unterschiedlichen VGI-Flexi-Services auf einer Plattform vereint. So haben die Nutzer nicht nur die Möglichkeit, verschiedene Bediengebiete über eine einzige App auszuwählen, auch Support und Instandhaltungskosten werden zwischen den Regionen aufgeteilt. Auf diese Weise kann das Angebot wirtschaftlich tragbarer gestaltet werden, einer langfristigen und nachhaltigen Etablierung in der Region steht nichts mehr im Weg.

VGI-Flexi Klinikum am Start

Im nächsten konkreten Schritt wird daher der VGI-Flexi Klinikum Ingolstadt an den Start gehen. Als eines der größten kommunalen Krankenhäuser in Bayern ist das Klinikum eine zentrale Versorgungseinrichtung in der Mitte des Freistaats. Mehr als 3.800 Beschäftigte pendeln täglich zur Arbeit in den 21 Kliniken und Instituten. Eine Herausforderung ist dabei der Schichtwechsel in den Randverkehrszeiten, da die regulären Buslinien spät abends oder im frühen Morgen nur schwer mit den individuellen Dienstplänen abgestimmt werden können.

Mit dem geplanten Rufbus bieten wir vielen Fahrgästen aus Ingolstadt und Umgebung eine ergänzende Bedienung im ÖPNV. Das neue Angebot ist nicht nur digital und günstig, sondern ermöglicht einen Lückenschluss zwischen städtischer und regionaler Nachfrage. Der Ausbau des Rufbus-Systems in der Großstadt liegt auch organisatorisch nahe: Die Leitstelle des VGI ist am Nordbahnhof Ingolstadt angesiedelt; dort werden die Flexi-Verkehre gesteuert. In der Zentrale laufen auch die Planungen für weitere On-Demand-Angebote in Ingolstadt, die zum Beispiel den Audi Campus im Süden erschließen sollen. Vorsprung durch Technik, das bekannte Motto des Autobauers, gilt eben auch für den ÖPNV in der bayerischen Großstadt.