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Wie das Dilemma hoher Straßenausbau-Beiträge gelöst werden kann

SGK Rheinland-Pfalz04. November 2020
Straßenausbau kann teuer werden.
Mit wiederkehrenden Beiträgen wird die Finanzierung künftig gerechter werden. Die Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz hat beschlossen: Hohe Einmalbeiträge sollen der Vergangenheit angehören, Kosten auf viele Schultern verteilt und über Jahre gestreckt werden. Ein Gastbeitrag der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) Rheinland-Pfalz.

Die Freude über die Sanierung der Ortsstraße vor der eigenen Haustür hat dann ein Ende, wenn die Beitragsbescheide für den Ausbau ins Haus flattern. Das betrifft überall dort Anliegerinnen und Anlieger in Gemeinden, wo noch über Einmalbeiträge abgerechnet wird. Nicht selten sind in solchen Fällen Summen in vier- oder gar fünfstelliger Höhe zu begleichen. Das bringt oft Bürgerinnen und Bürger in existenzielle Nöte. Die Ampelkoalition hat reagiert und einen Gesetzentwurf im Landtag eingebracht, der eine Umstellung auf wiederkehrende Beiträge vorsieht und die ­Kosten für den Straßenausbau auf mehrere Schultern verteilt und über Jahre streckt. Den Vorteil dieser Systemumstellung hat die SPD-Landtagsfraktion zusammengefasst.

Aufgabe der Kommunen

Städte und Gemeinden planen und finanzieren den kommunalen Straßenbau in eigener Verantwortung. Wenn eine Gemeindestraße saniert werden muss, werden die Kosten durch die Gemeinde sowie die Anliegerinnen und Anlieger gemeinsam getragen.

Im Kommunalabgabengesetz ist bisher geregelt, dass Gemeinden zur Finanzierung des kommunalen Straßenbaus entweder einmalige oder wiederkehrende Beiträge erheben sollen. Ob Einmalbeiträge oder wiederkehrende Beiträge erhoben werden, legen die kommunalen Räte in ihren Satzungen fest. Wenn eine Straße saniert wurde, übernimmt die Gemeinde ihren Anteil an den Kosten. Für den anderen Teil erhebt die Kommune Beiträge von den Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümern im jeweiligen Abrechnungsgebiet. Bei den Einmalbeiträgen ist das die ausgebaute Straße, bei den wiederkehrenden Beiträgen eine größere Abrechnungseinheit mit mehreren Straßen.

Gemeindestraßen zu sanieren ist Aufgabe der Kommunen. Bisher werden Anliegerinnen und Anlieger an den Kosten des kommunalen Straßenbaus durch die Erhebung von einmaligen oder wiederkehrenden Straßenausbaubeiträgen beteiligt. Mit dem Gesetz, im April vom Landtag beschlossen, wird die Finanzierung des kommunalen Straßenbaus in ganz Rheinland-Pfalz gerechter werden. Hohe Einmalbeiträge sollen künftig der Vergangenheit angehören.

Stattdessen sollen wiederkehrende Beiträge überall in Rheinland-Pfalz zur Regel werden. Das bedeutet: Die Kosten der Sanierung werden in Zukunft nicht nur von den Anliegerinnen und Anliegern einer Straße beglichen, sondern von allen Anliegern eines größeren Gebiets. Die Kosten werden so auf viele Schultern und viele Jahre verteilt. Die individuellen Beitragszahlungen werden so überschaubar und besser planbar. Im Übrigen sind „Unterhaltungsmaßnahmen“ an den Straßen nicht beitragsfähig, eine stete Pflege und Reparatur sollte Motivation ­einer jeden Gemeinde sein, um teure Ausbaumaßnahmen möglichst selten durchführen zu müssen.

Kosten gleichmäßig verteilt

Bei einmaligen Straßenausbaubeiträgen können hohen Belastungen für die Beitragszahlenden entstehen. Um dies künftig zu vermeiden, sollen wiederkehrende Beiträge zur Regel werden. Die Kosten für den Ausbau werden dabei gleichmäßig auf einen größeren Kreis von Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern in einem Abrechnungsgebiet umgelegt. Die wiederkehrenden Beiträge fallen pro Jahr so deutlich niedriger aus, die ­finanzielle Belastung für den einzelnen Beitragszahler bleibt dadurch gering. Nach und nach ist jede Straße einmal dran. Die Vorteile der ausgebauten Straßen kommen allen Beitragszahlern im Abrechnungsgebiet zugute. Hinzu kommt: Weil Kommunen bei den überschaubaren, wiederkehrenden Beiträgen weniger Rechtsstreitigkeiten und Kritik fürchten müssen, werden Ausbaumaßnahmen in den Gemeinden künftig seltener verschleppt werden.

Vom Wechsel auf wiederkehrende Beiträge profitieren fast alle Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer. Eine Ausnahme sind sehr kleine Gemeinden mit nur einer Straße. In solchen Fällen sind auszubauende Straße und Abrechnungsgebiet identisch. Für die Beitragspflichtigen macht es in diesem Fall keinen Unterschied, ob einmalig oder wiederkehrend erhoben wird.

Keine Komplett-Abschaffung

Das System der Straßenausbaubeiträge hat sich in Rheinland-Pfalz bewährt und findet die Unterstützung der rheinland-pfälzischen Kommunen. Eine komplette Abschaffung der Ausbaubeiträge ist weder gerecht noch zweckmäßig: Von der Erneuerung einer kommunalen Straße profitieren in erster Linie die Eigentümerinnen und Eigentümer, weil oftmals der Wert ihres Grundstücks steigt. Es ist daher nur gerecht, wenn die Eigentümerinnen und Eigentümer über wiederkehrende Beiträge an den Ausbaukosten beteiligt werden.

Ohne Ausbaubeiträge müssten die Kosten von der Allgemeinheit, also von allen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, gestemmt werden – auch von Mieterinnen und Mietern, die selbst nicht von der Wertsteigerung einer Immobilie profitieren. Hinzu kommt, dass in anderen Ländern, die sich von den Ausbaubeiträgen verabschiedet haben, in der Folge die Grundsteuer oder die Grunderwerbssteuer erhöht wurde. Da hier auch die Anlieger von sogenannten „klassifizierten“ Straßen (Kreis-, Landes- und Bundesstraßen) erfasst werden, erhöht sich deutlich die Solidargemeinschaft, was ebenfalls Auswirkungen auf die Belastung jedes Einzelnen hat. Nach dem ­Kommunalabgabengesetz dürfen ­Anliegerinnen und Anlieger nur an der Grunderneuerung einer bestehenden Straße beteiligt werden, also nicht für die Sanierung eines jeden Schlagloches.

Etwa 40 Prozent der Gemeinden haben in den vergangenen Jahren bereits auf wiederkehrende Beiträge umgestellt. Spätestens bis zum 1. Januar 2024 sollen es dann nahezu 100 Prozent der Gemeinden sein. Spätestens am 1. Januar 2024 sollen alle Kommunen in Rheinland-Pfalz ­ihre kommunalen Satzungen geändert und auf die wiederkehrenden Beiträge umgestellt haben.

Der Zeitraum für die Systemumstellung ist großzügig gesetzt, weil die Voraussetzungen in den Kommunen zum Teil sehr unterschiedlich sind. Viele Kommunen in Rheinland-Pfalz haben sich bereits auf den Weg gemacht und sind dabei, auf wiederkehrende Beiträge umzustellen. In diesen Fällen ist mit einer Umstellung deutlich vor dem 1. Januar 2024 zu rechnen. Andere Kommunen schaffen nun erst die Voraussetzung in ihren kommunalen Satzungen und legen Abrechnungseinheiten fest. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Gemeinden, die bereits auf wiederkehrende Beiträge umgestellt haben, dafür nicht mehrere Jahre benötigt haben. Weil die Festlegung der ­Abrechnungseinheiten in manchen Gemeinden eine komplizierte Aufgabe ist, erhalten die Kommunen dennoch ausreichend Zeit für die Umsetzung. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Zustand der Straßen in einer Gemeinde sehr unterschiedlich ist und etwa Neubau­gebiete und Gebiete mit alten Straßen nebeneinander liegen. Weil es bei der Festlegung der Abrechnungsgebiete gerecht zugehen soll, muss zudem jeweils geprüft werden, ob einer Grundstückseigentümerin oder einem Grundstückseigentümer durch eine Ausbaumaßnahme im Abrechnungsgebiet ein Vorteil entsteht.

Berechnung der Beiträge

Bei wiederkehrenden Ausbaubeiträgen werden mehrere Straßen zu einer Abrechnungseinheit zusammengefasst. Die Anliegerinnen und Anlieger in einem Abrechnungsgebiet bilden gemeinsam eine solidarische Abrechnungsgemeinschaft. Muss ­eine Straße erneuert werden, werden die Sanierungskosten nicht nur auf die Anlieger der betroffenen Straße, sondern auf alle Anlieger der Abrechnungseinheit verteilt. Weil jede Straße über die Jahre einmal dran ist, profitieren alle Anliegerinnen und Anlieger, die individuelle Belastung bleibt dabei gering. Es gilt: Je größer die ­Abrechnungseinheit, desto größer die Anzahl der zahlenden Anliegerinnen und Anlieger und desto geringer der wiederkehrende individuelle Beitrag.

Wie die Abrechnungsgebiete gebildet werden, hängt von den örtlichen Gegebenheiten in der Gemeinde ab. Je nach der Situation vor Ort kann es notwendig sein, dass mehrere Abrechnungsgebiete gebildet werden oder dass das Abrechnungsgebiet das gesamte Gemeindegebiet umfasst.

Hat eine Gemeinde erst kürzlich hohe Einmalbeiträge erhoben, wird man dann doppelt zur Kasse gebeten? Nein. Beim Wechsel von Einmalbeiträgen zu wiederkehrenden Beiträgen können die Kommunen eine Verschonungsregel anwenden. Wer gerade erst Einmalbeiträge gezahlt hat, kann bis zu 20 Jahre von der Zahlung wiederkehrender Beiträge verschont werden. Genaueres wird in den kommunalen Satzungen fest­gelegt. Die Gesamtkosten der durchgeführten Ausbaumaßnahmen werden während der Verschonungszeit auf die restlichen Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer in einem Abrechnungsgebiet verteilt. Weil die Kosten aber weiterhin auf eine Vielzahl von Beitragszahlern umgelegt und über viele Jahre gestreckt werden, bleiben die jährlichen Beträge dennoch überschaubar. Die Gemeinden müssen durch die Systemumstellung nicht mit finanziellen Einbußen rechnen. Über mehrere Jahre betrachtet nimmt die Kommune in der Summe nicht weniger Beiträge von den Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümern ein. Abgerechnet werden weiterhin nur die konkreten Kosten des Straßenbaus. Der Neubau (erstmalige Herstellung) von Straßen wird nicht mit den Ausbaubeiträgen finanziert.

Straßenausbaubeiträge sind nicht zu verwechseln mit den sogenannten Erschließungsbeiträgen. Diese werden etwa dann fällig, wenn ein Wohngebiet neu erschlossen wird und dort eine Straße, ein Weg oder ein Platz neu geplant und gebaut werden. Im Gegensatz dazu geht es bei den Ausbaubeiträgen darum, bestehende Straßen grundständig zu sanieren.

Kann mit wiederkehrenden Beiträgen ein Polster für zukünftige Straßenbaumaßnahmen aufgebaut werden? Nein. Wiederkehrende Beiträge werden nur für anstehende Ausbaumaßnahmen innerhalb der Abrechnungseinheit erhoben. Sie werden nicht zur Bildung von Rücklagen für zukünftige Maßnahmen erhoben.

Unterstützung zugesagt

Weil die Systemumstellung mit einem erhöhten Verwaltungsaufwand verbunden ist, erhalten die Kommunen, die auf wiederkehrende Beiträge umstellen, eine Unterstützung in Höhe von 5 Euro je Einwohner der Abrechnungseinheit. Zudem sollen für drei Jahre bis zu zwei Stellen beim Gemeinde- und Städtebund oder beim Städtetag finanziert werden. Diese Personen unterstützen die Gemeinden beim Systemwechsel, beraten sie juristisch und bieten gegebenenfalls Fortbildungen an. Die Beratung kann beispielsweise zur Aufstellung der Abrechnungseinheiten und der korrekten Anwendung der Verschonungsregelungen erfolgen.

Für Kommunen, die bereits auf das wiederkehrende Beitragssystem umgestellt haben, bleibt alles beim Alten. Die kommunalen Satzungen müssen nicht angepasst werden und haben weiterhin Gültigkeit. Alle Kommunen, die nach dem 1. Februar 2020 beschließen, ihre Satzungen auf die wiederkehrende Erhebung von Ausbaubeiträgen umzustellen, profitieren von der Förderung. Somit werden auch diejenigen Gemeinden unterstützt, die bereits die ersten Schritte zur Umstellung gemacht haben. Sie erhalten zur Unterstützung 5 Euro pro Einwohnerin und Einwohner im Abrechnungsgebiet. Die Satzungen müssen außerdem spätestens zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.

 

Dieser Beitrag wurde zuerst im Landes-SGK EXTRA Rheinland-Pfalz der DEMO veröffentlicht.