Meine Sicht

Direkte Demokratie im digitalen Raum

Simon Strohmenger 11. Oktober 2019
Der digitale Raum bietet die einzigartige Möglichkeit einer breiten Interaktion – zum Beispiel unter Einsatz der Open-Source-Software Consul.
Digitalisierung macht auch vor der Bürgerbeteiligung nicht Halt Allerdings bleiben sowohl Bayern, als auch ganz Deutschland hinter den Möglichkeiten, welche die Digitalisierung in diesem Bereich bietet. Ein Beispiel dafür ist die Open-Source-Plattform Open-Source-Plattform „Consul“ der spanischen Hauptstadt Madrid. Ein Blogbeitrag von Simon Strohmenger von „Mehr Demokratie e.V.“

Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie gehören auf kommunaler Ebene in Bayern mittlerweile zum politischen Alltag. Davon zeugen unzählige Bürgerbeteiligungsprozesse und die durchschnittlich 120 Bürgerentscheide, die jährlich im Freistaat stattfinden. Dennoch hinken wir bei digitaler Partizipation sowohl in Bayern als auch in Deutschland hinterher bzw. schöpfen die Möglichkeiten nicht aus, welche die Digitalisierung auch in diesem Bereich bietet.

Konventionelle Beteiligungsprozesse stoßen oft an ihre Grenzen, da nicht selten die immer Gleichen und leider oft zu wenige teilnehmen, bzw. die wenigsten Instrumente für die große Masse ausgelegt sind. Zu einem sinnvollen Prozess, an dessen Ende bestenfalls eine Abstimmung steht, gehört jedoch eine breite und frühzeitige Einbeziehung möglichst aller Bürger*innen.

Beispiel einer Demokratie-Software

Dabei bietet der digitale Raum die einzigartige Möglichkeit einer breiten Interaktion – auch mit Menschen, die bisher aufgrund fehlender Mobilität, zeitlicher Gründe oder fehlendem Zugang kaum beteiligt werden konnten. Zwar sind Partizipationsplattformen kein Allheilmittel – die Seele der Demokratie ist und bleibt das persönliche Gespräch – aber der digitale Raum kann diese sinnvoll ergänzen. Das beste Beispiel, wie sinnvoll eine derartige Ergänzung sein kann, lieferte die spanische Hauptstadt Madrid mit der Entwicklung der Open-Source-Plattform „Consul“.  

Consul wurde 2015 als Demokratie-Software entwickelt, welche die Bürger*innen ermächtigt, die Geschicke ihrer Stadt selbst mitzugestalten. Sie können Gesetzesideen einbringen, über die städtische Mittelverwendung abstimmen oder über drängende Probleme in ihren Vierteln diskutieren. Dabei wurde unter anderem über autofreie Innenstädte, die Kosten des öffentlichen Nahverkehrs, die Energieversorgung, den Ausbau von Radwegen, soziale Treffpunkte und die Begrünung der Stadt diskutiert und abgestimmt.
Mit Consul als Ergänzung zu den konventionellen Beteiligungsprozessen und als Plattform, auf der alle Ergebnisse zusammenlaufen, konnte eine neue Dimension politischer Aktivierung erreicht werden. Mittlerweile sind hunderttausende Madrilenen bei „Decide Madrid“ (der madrilenischen Consul-Version) registriert und nutzen diese regelmäßig.

Consul stützt sich auf fünf Säulen:

1. Debatten – Diskussionsplattform, die nicht zu einer direkten Entscheidungsfindung führt, sondern der Stadt einen Einblick in die öffentliche Meinung und den Bürger*innen die Möglichkeit gibt, sich untereinander auszutauschen und ihre Erfahrungen einzubringen.

2. Vorschläge – Bürger*innen können Ideen für neue Maßnahmen oder Aktionspläne einbringen und unterstützen, welche in die Zuständigkeit der Stadtverwaltung fallen. Erreichen sie ein gewisses Quorum, wird darüber abgestimmt.

3. Abstimmungen – Es kann sowohl über Vorschläge von Bürger*innen als auch von Institutionen abgestimmt werden. Außerdem ist es möglich, das gesamte Stadtgebiet oder nur bestimmte Bezirke einzuschließen.

4. Bürgerhaushalte – Bürger*innen können Ausgabenvorschläge für Teile des städtischen Budgets machen, um Projekte in der Stadt umzusetzen. Die Vorschläge mit den meisten Stimmen werden umgesetzt.

5. Kollaborative Gesetzgebung – Bürger*innen können sich aktiv an der Ausarbeitung von Gesetzen und Aktionsplänen beteiligen. Gesetzestexte können kommentiert und diskutiert werden.  

Consul ist jedoch nicht auf die oben genannten fünf Säulen festgelegt, sondern kann durch die modulare Bauweise relativ einfach an die jeweiligen Bedürfnisse einer Kommune angepasst werden (Instrumente können per Mausklick hinzugefügt oder weggelassen werden).
Dementsprechend bildeten sich je nach Stadt verschiedene Consul-Variationen heraus, die einander zwar gleichen, sich aber auch durch lokale Besonderheiten unterscheiden. Die Basis ist jedoch der Open-Source-Code, der allen interessierten Städten frei und kostenlos zur Verfügung steht und der von allen Beteiligten (Städte, Universitäten, IT-Expert*innen) stetig weiter entwickelt wird.

Hoher Sicherheitsstandard

Der damit einhergehende hohe Sicherheitsstandart, die Nutzerfreundlichkeit sowie die freie Verfügbarkeit und die Anpassbarkeit auf die jeweiligen Stadt-Bedürfnisse haben dazu geführt, dass die Consul-Community auf knapp 100 Städte und mehr als 100 Millionen Nutzer*innen angewachsen ist. Unter anderem Metropolen wie New York, Buenos Aires oder Turin haben sich angeschlossen und nutzen Consul, um ihr Miteinander mithilfe von modernen Technologien offener, transparenter und partizipativer zu gestalten.

Der Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung der Bayern SGK und ist zuerst im DEMO-Landesteil Bayern erschienen.