Blog Meine Sicht

Familie und Ehrenamt – Der ganz normale Wahnsinn?

Katharina Zacharias15. Mai 2019
Katharina Zacharias
Katharina Zacharias (rechts) stellt in Oschersleben ihre Petition für die Wiedereinführung eines kinderärztlichen Notdienstes im Landkreis Börde vor.
Als Mutter hat Katharina Zacharias viel um die Ohren. Dennoch kandidiert sie für den Haldenslebener Stadtrat und den Kreistag. Ein Gastbeitrag über den Spagat zwischen Familie und Ehrenamt.

Katharina Zacharias lebt seit zwei Jahren in Haldensleben im Landkreis Börde. Ihr Alltag besteht in den letzten drei Jahren vor allem aus ihren Kindern, die sie rund um die Uhr fordern und viele persönliche Einschnitte verlangen. Die gelernte Köchin ist aktuell zu Hause, da ihr zweiter Sohn noch nicht in die Krippe geht. Zacharias hat viel um die Ohren. Dennoch hat sie sich entschieden, für den Stadtrat und den Kreistag zu kandidieren.

Es ist Montagabend. Treffen des Ortsvereins in Haldensleben. Während die anderen schon wild am Diskutieren sind, pikse ich mit einer Hand Würstchen für meinen im Moment sehr kleinlauten Dreijährigen auf, während ich mit der anderen Hand unaufhörlich Brei in den weit aufgerissenen Schnabel meines neun Monate alten Sohnes schaufle. Das Treffen heute ist wichtig. Es geht um die Vorbereitung der Kommunalwahl. Ich kandidiere sowohl für den Kreistag als auch für den Stadtrat. Da mein Mann wie so oft spontan länger Dienst hat, blieb mir nur die Wahl, diesen wichtigen Termin zu verpassen oder meine Kinder einfach mitzunehmen.

So sieht mein alltäglicher Spagat zwischen Familienleben und politischem Engagement aus. Wir sind Wahl-Haldensleber. Mein Mann ist Oberstabsgefreiter im Gefechtsübungszentrum in Letzlingen. So verschlug es uns vor gut zwei Jahren in die Börde. Weit weg von allem. Allem Vertrauten, Freunden und Familie. Kurzum weit weg von jeglicher Unterstützung. Das macht es mir nicht unbedingt leichter, mich aktiv einzubringen. Aber zum Glück ist es nicht so meine Art, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen.

Lust auf Veränderungen

„Sei du selbst die Veränderung, die du dir für diese Welt wünschst.“, sagte Gandhi einmal. Daran versuche ich mich jeden Tag zu orientieren. Ich weiß, es klingt ein bisschen pathetisch. So, als hätte ich es extra hierfür herausgesucht. Doch in Wahrheit spukt mir dieser Spruch schon seit  Jahren durch den Kopf. Er ist der Grund dafür, dass ich mit meinen Söhnen regelmäßig Müll sammeln gehe, weshalb ich eine Petition für die Wiedereinführung eines kinderärztlichen Notdienstes in unserem Landkreis gestartet habe. Deshalb kandidiere ich auch für den Stadtrat. Ich möchte dabei helfen, die Stadt zum Positiven zu verändern, damit sich gerade auch junge Familien hier wohlfühlen können. Ich möchte meinen unverbrauchten Blick auf die Dinge einbringen, genauso wie meine Beharrlichkeit und ein Stück weit auch meine Naivität, an einfache Lösungen für kompliziert anmutende Probleme zu glauben.

Das Veränderung nicht immer leicht ist, ist uns allen spätestens in den letzten eineinhalb Jahren klar geworden. Und egal, wie sehr man sie sich auch herbeisehnt; wenn sie dann kommt, kann sie beinahe schmerzhaft sein. Sich von vertrauten und liebgewonnenen Dingen zu trennen, ist keine leichte Übung. Dabei ist es egal, ob man seine Wohnung ausmistet oder dem Wahlkampf neues Leben einhauchen möchte.

Den langweiligen Standardwahlkampf durchbrechen

Mit geradezu ritueller Genauigkeit wird dieser in manchen Ortsvereinen vorbereitet. Der Flyer der letzten Jahre wird quasi recycelt. Das Foto wird durch ein neues, am gleichen Ort, in gleicher Pose aufgenommenes Bild ersetzt. Die Themen werden um ein oder zwei aktuelle Punkte ergänzt. Und das Design? Um Himmelswillen! Das ist doch perfekt! Oder? So läuft der Wahlkampf vielerorts wie ein Uhrwerk. Absolut berechenbar werden die Stände immer am gleichen Ort und zur gleichen Zeit aufgebaut. Die Anzeigen werden immer in der gleichen Zeitung an der gleichen Stelle geschaltet. Das hat sich bewährt. So ist man zuverlässig. Und auch wenn das alles wahr sein mag, hat es doch einen ganz entscheidenden Nachteil: Es ist furchtbar langweilig!

Kreativität statt Kulis

Die große Schwierigkeit in der aktuellen Situation ist meiner Meinung nach, die Menschen wieder für Politik zu begeistern. Sie überhaupt erstmal wieder dafür zu interessieren. Mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Und so leid es mir tut, ich glaube einfach nicht daran, dass das gelingt, indem man den Leuten in der Fußgängerzone Kulis schenkt. Ich bin der festen Überzeugung, dass Wahlkampf kreativ sein darf. Ruhig auch mal spontan. Was haben wir denn im Moment noch zu verlieren? Ohne Mut zur Veränderung wird sich unsere Lage nicht verbessern. Ganz gleich ob im Bundestag oder im Stadtrat.

Was mich nun also umtreibt, ist die Frage, wie kreativer Wahlkampf aussehen kann. Ich sage ja nicht, dass man alles bisher Dagewesene einstampfen muss. Aber es effektiv zu ergänzen, sollte doch das Ziel sein. Ich für meinen Teil bin eher der Typ für den Straßenwahlkampf. Die Menschen direkt ansprechen. Präsenz zeigen. Selbst von Tür zu Tür gehen, könnte ich mir gut vorstellen. Man wäre doch eh einmal unterwegs, um Flyer zu verteilen. Warum ihn also den Leuten nicht einfach direkt in die Hand drücken, statt ihn nur in den Briefkasten zu werfen?! Warum nicht mal Ostereier statt Kulis verschenken? Der psychologische Effekt von Give-aways ist hierbei entscheidend. Worauf soll besonders Wert gelegt werden? Möchte man die Wiedererkennung  steigern, ist der Kuli die logische Wahl. Ich persönlich setze eher auf das menschliche Bedürfnis, sich für ein Geschenk revanchieren zu wollen und da sind Kulis nun mal gänzlich ungeeignet.

Während ich mir darüber den Kopf zerbreche, zieht mich mein Kleiner an den Haaren. Er hat vor kurzem gelernt, aufzustehen und hält sich an allem fest, was er zu greifen bekommt. Im Zweifelsfalle eben auch an meinen Haaren. Augenblicklich fängt der Große an, sich lautstark darüber zu beschweren, dass das blöde Puzzleteil nicht passen will. Ich helfe ihm dabei, das Teil in die richtige Position zu bringen und gleichzeitig versuche ich krampfhaft, die wichtigsten Gedanken festzuhalten. Der ganz normale Wahnsinn eben.

 

Im Blog „Meine Sicht” schreiben wechselnde Autoren aus persönlicher Perspektive über kommunale Themen.
Dieser Beitrag wurde zuerst auf www.vornewech.de veröffentlicht, der Online-Zeitung der SPD Sachsen-Anhalt.