Deutscher Städtetag fordert Nachschlag vom Bund

Finanzierung des Neun-Euro-Tickets in der Kritik

Uwe Roth25. April 2022
Das Schnuppermonatsticket soll kommunalen Busunternehmen dauerhaft mehr Fahrgäste bringen.
Das Schnuppermonatsticket für neun Euro soll es von Juni bis August geben und kommunalen Busunternehmen dauerhaft mehr Fahrgäste bringen.
Ein Monatsticket zum Schnupperpreis von neun Euro soll den kommunalen Verkehrsunternehmen mehr Fahrgäste bringen. Der Deutsche Städtetag bezweifelt, dass die dafür vorgesehenen 2,5 Milliarden Euro vom Bund ausreichen werden. Kritik kommt auch von Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig (SPD). Er fürchtet, dass das Bundesverkehrsministerium einen Teil der Kosten auf die Bundesländer abwälzen möchte.

Von Juni bis Ende August soll der verbilligte Fahrpreis bundesweit im Nah- und Regionalverkehr gelten. So sieht es die Bundesregierung vor. Nach den Plänen des Bundesverkehrsministers Volker Wissing (FDP) will der Bund die Differenz zum Normalpreis eines Monatstickets den Bundesländern über die allgemeine Finanzierung des Nahverkehrs erstatten. Dafür sind in seinem Jahresbudget zusätzlich 3,7 Milliarden Euro vorgesehen. Davon sind 2,5 Milliarden für das Neun-Euro-Monatsticket reserviert. Dem Deutschen Städtetag ist das jedoch zu wenig: Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy schätzt, dass etwa 1,7 Milliarden Euro fehlen, damit die kommunalen Verkehrsunternehmen wieder auf die Beine kommen können.

Der Städtetag erwartet vom Bund einen Nachschlag. Die Summe von 3,7 Milliarden Euro klinge zwar nach viel Geld, sagte Dedy gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Sie reiche aber nicht, um das ermäßigte Ticket zu kompensieren und die bestehenden Lasten im öffentlichen Nahverkehr aufzulösen. „Die städtischen Verkehrsunternehmen schleppen spürbare Einnahmeverluste durch die Corona-Pandemie im Defizitrucksack. Hinzu kommen die steigenden Energiepreise, die die Nahverkehrsunternehmen mit jeder Tankfüllung und an jedem Betriebstag belasten.“

Verkehrsminister Dulig (SPD) fordert fairen Lastenausgleich

Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig hat ebenfalls Zweifel daran, dass bei den Bundesländern ausreichend Mittel ankommen werden, um das verbilligte Monatsticket voll refinanzieren zu können. Die Ankündigung des Bundes sei eindeutig gewesen, teilte der SPD-Politiker am Sonntag über sein Ministerium mit: „Je neun Euro für drei Monate – die anfallenden Kosten wollte der Bund komplett übernehmen.“ Jetzt versuche das Bundesverkehrsministerium, „diese Kosten teilweise an die Bundesländer abzuwälzen und mit dem ÖPNV-Corona-Rettungsschirm zu verrechnen“. Doch für ihn sei eindeutig: „Wer bestellt, muss auch zahlen“. Dulig erwartet, dass es für den ÖPNV-Rettungsschirm nur noch 1,2 Milliarden Euro geben soll. „Also 400 Millionen Euro weniger als zugesagt“, stellte er fest.

Die Verkehrsunternehmen und die Länder stünden bereits vor hohen finanziellen Belastungen nach der Corona-Pandemie und könnten nun nicht erneut zur Kasse gebeten werden, begründete er seinen Vorstoß. Ohne die versprochene auskömmliche Finanzierung wird die Einführung des Neun-Euro-Tickets nach seiner Überzeugung nicht funktionieren. Verkehrsminister Dulig erklärte weiter: „Den sächsischen Verkehrsunternehmen ist durch das geplante Neun-Euro-Ticket des Bundes jede Möglichkeit genommen, die Preise selbst zu gestalten oder Verkehrsleistungen den Marktbedingungen anzupassen.“ Dann müsse aber ein fairer Lastenausgleich gezahlt werden. Unbegründete Kürzungen des Bundesverkehrsministers und ein Abrücken von bestehenden Zusagen lehne er ab.

Der Deutsche Städtetag äußerte sich auch zur Sinnhaftigkeit des temporär reduzierten Monatstickets: Die Idee sei zwar klug, mit dem ermäßigten Ticket im Sinne der Klimaziele mehr Menschen für Bus und Bahn zu gewinnen, sagte  Hauptgeschäftsführer Dedy. Er betonte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur aber auch: „Wir sind allerdings skeptisch, ob das temporäre Neun-Euro-Ticket ein wirksamer Anreiz ist, langfristig vom Auto auf Busse und Bahnen umzusteigen.“

Bundesverkehrsminister weist Kritik zurück

Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat die Kritik an den Finanzplänen zum Nahverkehr zurückgewiesen. Der FDP-Politiker sagte am Montag im TV-Sender Welt, die Länder profitierten beim Nahverkehr ebenfalls von der Entlastung bei den Energiekosten. Wissing sagte, es gebe keinen Grund, das günstige Ticket im Bundesrat scheitern zu lassen. Der Bund übernehme wie zugesagt die Kosten von 2,5 Milliarden Euro und übernehme anteilig Einnahmeausfälle durch die Pandemie. Die Länder dürften sogar noch die neun Euro pro Ticket behalten, die sie einnehmen. Damit könnten sie die Verwaltungskosten bezahlen.

Kritik an den bisherigen Finanzierungsplänen wird auch innerhalb der Ampel-Koalition geäußert. Detlef Müller, SPD-Fraktionsvize im Bundestag, sieht im Neun-Euro-Ticket eine Chance für die Verkehrswende, aber auch eine Kraftanstrengung für die umsetzenden Unternehmen und Länder. „Daher muss der Bund seinen erforderlichen Anteil leisten, um das 9-Euro-Ticket zu einem nachhaltigen Erfolg zu machen.” Die bisherige Einigung von Verkehrsminister Wissing und Finanzminister Lindner werde dieser Herausforderungen nicht gerecht, weil sie zu Lasten der Unternehmen gehe. „Wir haben daher die klare Erwartung an das Bundesverkehrsministerium, dass es hier zu Nachbesserungen bei der Finanzierungskulisse kommt”, so Müller.