Internationaler Frauentag – Serie zu „100 Jahre Frauenwahlrecht“

Frauen Mut machen – Das eigene Rollenverständnis leben

Monika Müller07. März 2018
Monika Müller ist zur neuen Sozialdezernentin in Wolfsburg gewählt worden. Bislang war sie Bürgermeisterin in Pforzheim.
Die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts in Deutschland am 12. November 1918 ist der Aufruf an das Deutsche Volk vom Rat der Volksbeauftragten. Am 30. November 1918 trat in Deutschland das Reichswahlgesetz mit dem allgemeinen aktiven und passiven Wahlrecht für Frauen in Kraft. Damit konnten Frauen am 19. Januar 1919 zum ersten Mal reichsweit wählen. Was verbinden Frauen 100 Jahre später mit diesem Erfolg? Und wie lässt ich ihre politische Beteiligung – auch auf kommunaler Ebene – steigern? Zum Auftakt der Serie in der DEMO erzählt Bürgermeisterin Monika Müller (SPD) über ihre Erfahrungen.

Politik in Deutschland ist auch hundert Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts noch immer männlich dominiert – Männer machen von ihrem aktiven Wahlrecht reger Gebrauch als Frauen, sind eher zu Kandidaturen für politische Ämter bereit und besetzten in den Entscheidungsgremien von Bund und Ländern ebenso wie in den Städten und Gemeinden mehrheitlich die vorhandenen Sitze.

Hier sind neben allen Akteuren im Bereich der politischen Bildung – genannt seien beispielsweise Schulen oder Jugendarbeit – vor allem die Parteien und ihre Organisationen gefragt: Aufgabe der Parteien ist es, Frauen und Mädchen frühzeitig an Politik zu binden, ihnen Mentoren oder Mentorinnen zur Seite zu stellen und Verantwortungsübernahme von Frauen nicht nur zuzulassen, sondern einzufordern.

Netzwerke und Austausch

Dazu müssen natürlich die Rahmenbedingungen stimmen. Vereinbarkeit von Familie und Mandat, Abbau der männlich geprägten Repräsentationskultur oder Einführung von Teilzeit oder Jobsharing auch in Führungspositionen sind nur einige Stellschrauben, die es zu bewegen gilt. Netzwerke und Austausch unter Frauen sind zu etablieren und zu unterstützen, auch die Frage von Quotenregelungen ist immer wieder zu prüfen. Frauenförderung sollte als Selbstverständlichkeit und nicht als Randthema begriffen werden.

Entscheidend für die Politik für und von Frauen ist aber vor allem, welches Verständnis Frauen selbst in ein Mandat mitbringen und wie sie dieses Bild  dann leben. Allein die Möglichkeit des passiven Frauenwahlrechts – sich also als Frau für ein Amt aufstellen zu lassen – ist für sich genommen noch keine Garantie für eine irgendwie andere, weibliche Prägung von Politik. Vielmehr kommt es darauf an, wie Frauen ihr Amt ausfüllen, welche Schwerpunkte sie setzen und ob sie bereit sind, das Thema „Politik für Frauen und Mädchen“ zu besetzen.

Männer setzen auf Themen, die Einfluß versprechen

Noch immer ist es gerade in der Kommunalpolitik so, dass Männer meist die entscheidenden Positionen innehaben, während Frauen sich in politischer Verantwortung gerne mit eher weichen Themen beschäftigen oder beschäftigen lassen. Soziales, Jugend oder Bildung werden von Frauen übernommen, die sich dann um den gesellschaftlichen Reparaturbetrieb und Themen wie Kinderarmut, Integration oder Bildungs­benachteiligung kümmern. Themen also, in denen es immer um Defizite geht, die kaum pressewirksame Erfolge versprechen und nie wirklich als „Ziel erreicht“ abgehakt werden können.

Hingegen setzen sich Männer auch und gerade auf kommunaler Ebene eher für Themen ein, mit denen Einfluss, zahlreiche Pressefotos und Wählerstimmen zu gewinnen sind: Verkehr, Bauen, ­Finanzen oder Zukunftsthemen wie Energie und Digitalisierung. Hier lassen sich Leuchttürme feiern und vorzeigen. Spatenstiche oder Einweihungsfeierlichkeiten lassen sich gut öffentlich verkaufen.

Mehr Mut zur Macht

Es kommt also darauf an, sich nicht nur wählen zu lassen, sondern auch Erfolg versprechende Themen zu besetzen; um Einfluss innerhalb der Stadtgesellschaft zu erhalten und auch mit Blick auf eine mögliche Wiederwahl. Frauen müssen in politischer Verantwortung mehr Mut auch zur Übernahme von Politikfeldern haben, die eine gewisse Machtoption versprechen und sich nicht stets in die Rolle der „Kümmererin“ drängen lassen.

Zugleich ist es aus meiner Sicht für die politische und persönliche Entwicklung wichtig, sein eigenes Rollenverständnis zu leben, auch in der eher männlich geprägten Rathauspolitik. Frauen sollten sich an diese Politik nicht überanpassen und männliche Repräsentationszeiten gar noch übertreffen, sondern ihren eigenen Weg gehen. Kinder und Familie müssen möglich sein – in allen politischen Führungspositionen. Dafür sollten sich weder Männer noch Frauen rechtfertigen müssen und das auch gar nicht erst versuchen.

Frauen sollten Wahlmöglichkeiten nutzen

„Und was ist mit Ihren drei armen Kindern?“ wurde ich zu Beginn meiner Bürgermeisterlaufbahn immer wieder gefragt. Ich habe darauf stets geantwortet, dass ich mich über das Interesse am Wohl meiner Kinder freue, weil es mir auch mehr als alles andere am Herzen liegt. Mehr muss dazu nicht gesagt werden, finde ich.
Politisch interessierten Frauen Mut machen, darum geht es. Dazu gehört auch, ehrlich einzuräumen, dass politische Ämter viel Zeit binden und für die Familie belastend sein können. Aber andererseits eben auch unglaublich bereichern sind, denn nur durch Verantwortungsübernahme können Frauen die Gesellschaft prägen, für ihre Kinder eine gute Zukunft sichern und sich für ihre Ideen einsetzen – und diese auch umsetzen. Frauen haben die Wahl und sollten sie nutzen – auch und in Zukunft noch mehr dafür, sich selbst wählen zu lassen.