Kommunalwahlkampf in Nordrhein-Westfalen

Grüne in NRW: Keine Lust auf progressive Politik

25. September 2020
Rathaus in Mühlheim an der Ruhr
Am Sonntag sind in vielen Städten in Nordrhein-Westfalen Stichwahlen. Doch statt aussichtsreiche SPD-Kandidat*innen zu unterstützen, setzen die Grünen neuerdings auf die Zusammenarbeit mit der CDU. Diese machtpolitische Option ist ihnen offenbar wichtiger als progressive Politik.

Es hätte so schön sein können. Am Sonntag sind Stichwahlen in Nordrhein-Westfalen. Dann entscheidet sich in vielen Städten und Gemeinden des Bundeslandes, wer als (Ober-)Bürgermeister*in in den kommenden Jahren die politische Linie vorgibt. Mit einer gut aufgestellten SPD und den erstarkten Grünen wäre das die Möglichkeit gewesen, für eine progressive Politik zu sorgen.

Die SPD geht in Vorleistung

Zumal das Kalkül der schwarz-gelben Landesregierung nicht aufgegangen ist. Mit der Abschaffung der Stichwahl wollten Laschet & Co. mehr konservativen Parteifreund*innen den Weg in die Rathäuser ebnen. Schon im Dezember hatte das Landesverfassungsgericht diese Entscheidung für verfassungswidrig erklärt. Pech für Laschets CDU! Doch es gibt ja noch die Grünen, denen an Rhein und Ruhr die Zusammenarbeit mit den Konservativen wichtiger scheint, als fortschrittliche politische Inhalte umzusetzen.

Dabei ist die SPD schon zwei Tage nach dem ersten Wahlgang in Vorleistung getreten. Beispielsweise in Bonn, wo es die sozialdemokratische Oberbürgermeisterkandidatin nicht in die Stichwahl geschafft hat. Die Bonner SPD unterstützt nun Katja Dörner von den Grünen, um für einen ökologischen Wandel und eine soziale Wende in der Stadt zu sorgen. Dörner hat dadurch gute Chancen, die erste grüne Oberbürgermeisterin Deutschlands zu werden.

Absurde Erklärung der Grünen

Eigentlich sollte das eine Steilvorlage für die Umweltpartei sein, andernorts aussichtsreiche SPD-Kandidat*innen zu unterstützen. Doch das scheint nicht im Sinne der Grünen zu sein, die lieber auf Kuschelkurs mit der Union gehen. In der CDU-Hochburg Mönchengladbach, wo mit Felix Heinrichs ein Sozialdemokrat aussichtsreich im Rennen liegt, wollen die Grünen keine Wahlempfehlung abgeben. Gleiches gilt für die Landeshauptstadt Düsseldorf. In Dortmund sprechen sie sich gar für den Konservativen Andreas Hollstein aus.

Am absurdesten klingt die Erklärung der Grünen in Mülheim an der Ruhr. Dort ist für die SPD Monika Griefahn in der Stichwahl, frühere niedersächsische Umweltministerin und Mitbegründerin von Greenpeace in Deutschland. Gegen sie kandidiert Marc Buchholz von der CDU. Offiziell wollen die Grünen keine Wahlempfehlung abgeben, möchten aber ihren Wähler*innen aufzeigen, dass ein CDU-Oberbürgermeister die beste „machtpolitische Option“ sei.

Folgen die Wähler*innen?

Genau darum geht es den Grünen: Machtpolitik. Doch diese Strategie könnte schnell zum Bumerang werden, wenn die Wähler*innen letztlich einfach auf die Empfehlung ihrer Partei pfeifen. So wie in Hessen 2012. Obwohl prominente Grüne sich bei der Frankfurter Oberbürgermeisterwahl für CDU-Hardliner Boris Rhein aussprachen, gewann SPD-Kandidat Peter Feldmann deutlich mit mehr als 57 Prozent und ist bis heute im Amt.

Das hielt die Grünen jedoch nicht davon ab, sich gut eineinhalb Jahre später auf Landesebene gegen ein progressives Bündnis mit SPD und Linken auszusprechen und lieber Steigbügelhalter von Volker Bouffier zu werden. Ihr Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir bekam den Posten als Wirtschaftsminister und änderte seine Position in umweltpolitischen Fragen um 180 Grad. Einst protestierte er gegen die geplante Startbahn West am Frankfurter Flughafen, heute hat er keine Bedenken beim Bau eines dritten Terminals. Schon klar, die beste machtpolitische Option für ihn.

Progressive Politik oder ein Pakt mit Laschet?

Die Grünen in Nordrhein-Westfalen müssen sich entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen. Wollen sie progressive Inhalte umsetzen, für eine nachhaltige und sozial-ökologische Politik sorgen, für die sie gewählt wurden? Oder wollen sie lieber mit Laschets CDU paktieren? Die Antwort auf diese Frage dürfte auch ein Fingerzeig im Hinblick auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr sowie die Landtagswahl 2022 sein.