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Gute Ideen für die Zukunft der Lausitz gefragt

Christian Großmann 16. September 2019
Christian Großmann
In der Klimadebatte können die realen Probleme der Menschen nicht einfach weggelächelt werden. Das meint der Vorsitzende der SGK Brandenburg Christian Großmann. In der Kohleregion Lausitz arbeiten Bürgerinnen und Bürger an einer Strategie für den Strukturwandel.

Das Thema des Klimawandels bestimmt weiter große Teile der öffentlichen Diskussion und bleibt in aller Munde. Auch ich hatte mich ja schon vor geraumer Zeit an dieser Stelle (gemeint ist die Brandenburg-Ausgabe der DEMO, d. Red.) mit den Fragen der Erderwärmung beschäftigt. Wie sehr diese Fragen die Menschen in unserem Land bewegen, belegen nicht zuletzt auch die jüngsten Wahlergebnisse; sie zeigen aber auch das Spaltungspotenzial, welches für unsere Gesellschaft in dieser Frage liegt.

Schließlich legten gerade die Parteien in der Wählergunst zu, die entweder explizit für stärkere Anstrengungen bei der CO2-Reduzierung und dem Kohleausstieg sind oder die den menschengemachten Klimawandel negieren und ein „Weiter so“ propagieren. Und es zeigt sich auch, dass Parteien, die zu diesem Thema kaum wahrnehmbar sind oder nicht kompetent erscheinen, weniger Zuspruch erfahren.

Viel Symbolpolitik bei Klimafragen

Allerdings ist die heiße Luft, die in der gesamten Klimadebatte mitunter erzeugt wird, schon beachtlich. Denn viele Beiträge der letzten Zeit fallen doch eher unter die Rubrik der symbolischen Politik. Der Vorschlag des bayerischen Ministerpräsidenten Söder nach Verankerung des Klimaschutzes im Grundgesetz spart noch keine Tonne CO2 ein. Und Papier ist geduldig, wie man beispielsweise an dem grundgesetzlichen Auftrag zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in der gesamten Bundesrepublik sieht.

In anderen Bereichen erinnert die Diskussion mitunter an Zahlenmystik, wenn sich besonders eifrige AktivistInnen mit immer kleineren Zahlen für das schnellstmögliche Austrittsjahr über-, nein unterbieten. Da beschleicht mich dann schon der Verdacht, dass der Bezug zur realen Welt, die doch bewahrt werden soll, mitunter aus dem Blick gerät.

Die reale Welt zeigt sich am deutlichsten in den Städten und Gemeinden; nicht umsonst sind die kommunalpolitisch Aktiven auch am dichtesten an den Themen der Menschen vor Ort dran. Und genau dort werden aus den abstrakten Zahlen der „großen“ Politik konkrete Eingriffe in die Lebenswelten von ganz normalen Menschen aus Fleisch und Blut.

Probleme Weglächeln hilft nicht

Das Postulat vom globalen Denken und lokalen Handeln erfährt damit eine gewisse Sinnumkehrung: So fordert die Klimadiskussion um die globale Erwärmung und den weltweiten CO2-Ausstoß einschneidende Handlungen in einzelnen Regionen ein. Aber was macht das mit der Region, was macht der damit einhergehende regionale Strukturwandel mit den betroffenen Menschen? Welche sozialen, psychischen und wirtschaftlichen Rückwirkungen müssen sie bewältigen und wie gelingt dies am besten? Das sind die Fragen, die hinter der abstrakten Diskussion um die Jahreszahl 2020, 2030 oder 2038 stehen. Und das sind die Fragen, auf die alle politisch Aktiven befriedigende Antworten geben müssen, wenn Sie den betroffenen Menschen ihre Ängste nehmen wollen.

Wer auf der kommunalen Ebene Verantwortung trägt, hat eines sehr schnell gelernt: im direkten Umgang mit den Menschen hilft das permanente „Weglächeln“ von echten Problemen überhaupt nichts. Da sind klare Antworten gefragt.

Mit dem Kohleausstieg müssen neue Jobs entstehen

Mit der sogenannten Kohlekommission wurde der Versuch gestartet, die mit einem Kohleausstieg verbundenen Chancen und Risiken für die betroffenen Regionen, etwa der Lausitz – unter Beteiligung von kommunalen Vertretern – zu diskutieren und abzuwägen. Als Ergebnis standen am Ende 40 Milliarden Euro an Strukturhilfen und der schrittweise Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bis 2038.

Nun sind gute Ideen für die richtigen Lösungen gefragt. Denn die Zusage von Haushaltsmitteln ist zwar wichtig und notwendig; sie löst aber noch keines der anstehenden Probleme.

Der Gewerkschafter Stefan Körzell, selbst Mitglied der Kohlekommission, hat es in der Süddeutschen Zeitung auf den Punkt gebracht: „Die nächste Generation will auch ihre Familien ernähren, ohne die Region verlassen zu müssen.“ Das aber gehe nur, so Körzell, wenn etwa in der strukturschwachen Lausitz auch neue industrielle Jobs entstünden. „Jetzt muss es darum gehen, rechtzeitig neue Firmen anzusiedeln, die gute und zukunftssichere Arbeitsplätze schaffen“.

Ideen aus der Lausitz für die Lausitz

In der Zwischenzeit sind schon zahlreiche Ideen auf den Markt geworfen worden – mal zielführender, mal weniger zielführend. Die Länder Brandenburg und Sachsen haben Projekte an den Bund gemeldet sowie Ansatzpunkte für ein Leitbild erstellt. Danach soll sich die Lausitz zu einer „modernen und dauerhaften Industrie-, Innovations-, Energie- und Gesundheitsregion“ entwickeln.

Nach meiner Wahrnehmung kamen die meisten Vorschläge von außen, soll heißen, dass Menschen außerhalb der Lausitz Ideen für die Region entworfen haben. Weniger dagegen sind von den Betroffenen selber. Letzteres wird aber zwingend notwendig sein, damit auch ihre Interessen in den Prozess mit einfließen können.

Vielleicht sind die Lausitzerinnen und Lausitzer von der Debatte schon frustriert und erschöpft genug – schließlich ist der Strukturwandel dort bereits seit vielen Jahren im Gange. Zu DDR-Zeiten gab die Braunkohle mehr als 70.000 Menschen Arbeit. Heute sind es noch um die 8.500.

Trauer, Stolz und Zuversicht

Aber es gibt auch positive Ansätze: So gestaltet die von den betroffenen Kreisen und der Stadt Cottbus getragene Zukunftswerkstatt Lausitz beispielsweise die Bürgerbeteiligung und einen Leitbildprozess. Auf Grundlage von Analysen der gegenwärtigen Stärken, Schwächen, Potenziale und Risiken und den Vorstellungen und Wünschen der Lausitzerinnen und Lausitzer soll so ein umfassendes Strategiepapier als Grundlage für die regionale Entwicklung der Lausitz entstehen. Unter er Überschrift „Lausitzer Macher“ werden gute Beispiele öffentlich benannt und als Denkanstoß zur Nachahmung empfohlen. Also mehr gute Ideen aus der Lausitz für die Lausitz.

Im Dezember 2018 hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das letzte in Deutschland geförderte Stück Steinkohle von den Kumpeln des Bergwerks Prosper-Haniel in Bottrop entgegengenommen. An diesem Abend ging für das Revier an Rhein und Ruhr eine Epoche zu Ende. Seine Eindrücke von diesem Ereignis und dem Selbstverständnis der Menschen, die er dort getroffen hat, hat er mit den folgenden Worten zusammengefasst: „Da waren Trauer und Wehmut, aber da war auch Zuversicht und ein riesengroßer Stolz: Wir lassen uns nicht unterkriegen, weil wir beisammen bleiben! Das war für mich der Kern dieses bewegenden Abends: Wir packen diesen Wandel, weil wir es zusammen tun – mit der Solidarität einer ganzen Gesellschaft.“

Wie an Rhein und Ruhr, so auch an Spree und Neiße.

 

Dieser Text ist zuerst im Brandenburg-Extra der DEMO erschienen und wird hier mit freundlicher Genehmigung der SGK Brandenburg veröffentlicht.