Aus den Bundesländern

Hybridsitzungen für den Gemeinderat – Herausforderung oder Chance?

Svenja Bille-Liebner 03. August 2021
Blick auf das Passauer Rathaus
Seit März 2021 erlaubt die bayrische Gemeindeordnung hybride Sitzungsformen. Ein Fazit der bisherigen Erfahrungen zieht Svenja Bille-Liebner, Geschäftsführerin der SGK Bayern

Im März 2021 trat in Bayern eine Änderung der Gemeindeordnung in Kraft, die den Kommunen die Zulassung von sogenannten Hybridsitzungen ermöglicht. Die Kommunen haben in der Folge die Möglichkeit, die Sitzungsteilnahme durch Ton-Bild-Übertragung in ihren Geschäftsordnungen zu regeln. Für das Jahr 2021 besteht eine Sonderregelung, nach der auch der Beschluss mit einer Zweidrittelmehrheit des jeweiligen Stadt- bzw. Gemeinderates ausreicht, um Hybridsitzungen möglich zu machen.

In einer Umfrage unter den sozialdemokratischen (Ober-)Bürgermeisterinnen und (Ober-)Bürgermeistern in Bayern gaben jedoch nur 8,1 Prozent an, bereits eine Hybridsitzung abgehalten bzw. in Kürze eine audiovisuelle Sitzung geplant zu haben. In einigen Kommunen steht die entsprechende Entscheidung noch bevor. Dies liegt auch daran, dass erst am 29. April 2021 die Anwendungshinweise zu den Regelungen einer Sitzungsteilnahme durch Ton-Bild-Übertragung des Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration veröffentlicht wurden, auf die viele Verwaltungen noch gewartet haben.

Ein großer Unterschied lässt sich zwischen großen Städten und kleineren Gemeinden und Märkten feststellen. Während die kleinen Kommunen vor allem die schlechte Internetverbindung und die – mit der notwendigen technischen Aufrüstung verbundenen – Kosten als Hinderungsgrund für die Einführung von Hybridsitzungen anführen, versuchen die großen Städte die Möglichkeit schnell umzusetzen. Hier sorgt auch der Mangel an ausreichend großen Räumlichkeiten für große Gremiensitzungen unter Einhaltung von Hygieneregelungen für Handlungsdruck.

In Kommen aller Größenordnungen wird jedoch der Verlust an direktem menschlichem Austausch und damit an der möglichen Schwächung der politischen Diskussion befürchtet. Große Skepsis wird auch beim Thema Beschlussfassung laut, hier führt vor allem die Unberechenbarkeit der Internetverbindungen im ländlichen Raum zu Unsicherheit. „Woher wissen wir, ob ein Ratsmitglied absichtlich nicht abgestimmt hat oder gerade einfach das Internet zu lahm ist?

Und wie gehen wir damit um, wenn ein betroffenes Ratsmitglied die gefällte Entscheidung anficht?“ – diese und ähnliche Fragen stellen sich momentan viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Bayern.

Trotz aller Kritik werden auch positive Erwartungen an die hybride Sitzungsform geäußert. So hofft ein Bürgermeister, dass mit dieser Möglichkeit das kommunale Ehrenamt auch für Menschen attraktiver wird, deren Teilnahme bisher erschwert war. Als Beispiel könnten hier Menschen mit einer Bewegungseinschränkung oder Personen genannt werden, die aufgrund von Kinderbetreuung abends nur selten an einer Präsenzsitzung teilnehmen können. Das Gleiche gilt für ehrenamtliche Ratsmitglieder, die beispielsweise durch Dienstreisen häufig an der Sitzungsteilnahme gehindert sind.

Vor allem in überörtlichen Gremien wie Bezirkstagssitzungen oder Zweckverbänden könnte die audiovisuelle Sitzungsform durch wegfallende Fahrten zu Zeit- und Kostenersparnissen führen – dies hätte auch einen positiven umweltpolitischen Effekt.

Die Entwicklungen stehen in Bayern noch ganz am Anfang und erst im Laufe der Zeit wird sich zeigen, ob die Möglichkeit von hybriden Sitzungen den kommunalen Alltag revolutionieren wird oder das neue Sitzungsformat eher eine Ausnahme bleibt.

Die Statements unserer Bürgermeisterinnen und Bürgermeister lauteten beispielsweise:

„Für mich entwertet es das Mandat des Stadtrates; die Stadtratsarbeit lebt vom direkten Kontakt, von der persönlichen Diskussion.“

„Ich habe große Bedenken, wie Datenschutz und nichtöffentliche Sitzungen unter einen Hut gebracht werden (brisante nichtöffentliche Themen; wer ist hinter der Kamera noch im Raum und hört zu, usw.). Auch für die Verwaltung ist es ein großer Aufwand, personell und finanziell.“

„Die Hybridsitzungen ermöglichen Sitzungen, ohne die Hygienevorschriften zu verletzen. Der Stadtrat muss sich nicht mehr durch einen sogenannten Krisensenat vertreten lassen. Für die Zukunft ist es möglich, auch bei längerer Krankheit, bei Ortsabwesenheit oder während Dienst- oder Urlaubsreisen an Sitzungen teilzunehmen.“

„Das Angebot ist gerade zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt grundsätzlich sinnvoll.“