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Wie kommunale Partnerschaften für Demokratie funktionieren

Florian Görner15. September 2021
Florian Görner
Rassismus, religiöser Fanatismus und Verschwörungserzählungen belasten das gesellschaftliche Miteinander. Kommunale „Partnerschaften für Demokratie” können ein Gegenmittel gegen Hass und Gewalt sein. Florian Görner erklärt, wie sie funktionieren.

Demokratiefeindliche Einstellungen, Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus, Verschwörungswahn, religiöser Fanatismus und andere Formen der Menschenfeindlichkeit führen immer öfter zu Straftaten und körperlicher Gewalt, nicht zuletzt auch gegen aktive Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker. Das Bundes­kriminalamt (BKA) hat, in einer im Mai veröffentlichten Statistik für das Jahr 2020 festgestellt, dass die Zahl ­politisch motivierter Straftaten gegenüber dem Vorjahr um fast neun Prozent gestiegen ist. Bei den politisch motivierten Gewaltstraftaten lag die Zahl sogar um fast 19 Prozent über dem Wert von 2019. Sicherlich hat dies auch etwas mit der Corona-Pandemie und den dazugehörigen Protesten gegen die Eindämmungsmaßnahmen zu tun, aber auch in den Jahren davor stiegen die Zahlen meist kontinuierlich an. Der Ton wird nicht nur in den ­sozialen Medien rauer und die Menschen lassen sich zunehmend spalten und gegeneinander aufhetzen.

Vielfältige Arbeit für demokratische Kultur

Vor diesem Hintergrund wird die präventive Arbeit gegen menschenfeindliche Einstellungen und für eine ­demokratische Kultur immer wichtiger. Eines der wichtigsten Instrumente dafür sind die über 300 kommunalen Partnerschaften für Demokratie (PfD), die das Bundesfamilienministerium im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ fördert.

Die PfD sind Netzwerke auf kommunaler Ebene, die engagierte Vereine, Initiativen und Einzelpersonen dabei unterstützen, Aktivitäten gegen Gewalt und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit durchzuführen und ein demokratisches und vielfältiges Gemeinwesen zu entwickeln. Zentrales Instrument dafür ist die finanzielle und ideelle Förderung von Projekten, die diesen Zielen dienen. Dies können unterschiedliche Vorhaben sein – beispielsweise Fortbildungen zu Verschwörungstheorien, Diskussionsrunden, Lesungen, Theaterprojekte, interkulturelles Kochen, Fußballturniere oder Konzerte für Respekt, lokale Geschichtsarbeit und Gedenktage, Antirassismustrainings, aber auch Bürgerdialoge, Projekte zur Entwicklung einer aktiven Dorfgemeinschaft oder Projekte zur Akquise von jungen Menschen oder Menschen mit Migrationshintergrund für das Ehrenamt.

Daneben realisiert die PfD auch eigene Vorhaben, startet Kampagnen oder organisiert Fortbildungen. Die wichtigste Aufgabe ist aber das Knüpfen und Pflegen eines lokalen Netzwerkes aus unterschiedlichen Akteuren und Gruppen, die sich der PfD und ihrer Ziele verbunden fühlen und mit ihr zur Erreichung dieser kooperieren.

Zahl beteiligter Kommunen steigt

In Brandenburg gibt es derzeit insgesamt 19 Partnerschaften für Demokratie. Sie sind oft auf Ebene der Landkreise eingerichtet, werden aber zunehmend auch von kommunalen Verbünden wie im Hohen Fläming oder von einzelnen Kommunen wie z. B. Bernau oder Spremberg getragen. Die Anzahl steigt stetig, denn nach wie vor erklären sich Brandenburger Kommunen dazu bereit, eine PfD beim Bundesfamilienministerium zu beantragen. Sie erhalten derzeit bis zu 125.000 Euro vom Bund und müssen dafür bis zu 14.000 Euro Eigenanteil oder Drittmittel bereithalten und eine halbe Stelle in der Kommunalverwaltung einplanen, die die PfD als sog. interne Fach- und Koordinierungsstelle verwaltet.

Meist wird dies von Stabsstellen wie z. B. der Gleichstellungs-, Integrations- oder Fördermittelbeauftragten oder von Mitarbeitenden im Jugendamt übernommen. Die halbe Stelle muss dabei nicht bei einer Person allein liegen. Gleichzeitig wird ein Teil der vom Bund bewilligten Mittel dazu genutzt, eine externe Fach- und Koordinierungsstelle einzurichten, die i. d. R. bei einem freien Träger angesiedelt ist. Oft sind dies Kreis- oder Stadtjugendringe oder Jugendhilfeträger.

Wichtige Expertise

Die meisten Fach- und Koordinierungsstellen in Brandenburg werden vom „Brandenburgischen Institut für Gemeinwesenberatung“ (demos) getragen. Dieses ist auch für die mobilen Beratungsteams zuständig und kann so wichtige Expertise bündeln. Die externen Fach- und Koordinierungsstellen übernehmen die Beratung von Projektträgern, machen Öffentlichkeitsarbeit, vermitteln Wissen bei Fortbildungen, organisieren die eigenen Vorhaben der PfD, pflegen das lokale zivilgesellschaftliche Netzwerk und knüpfen neue Kontakte, um die Vielfalt von Akteuren auszubauen, die mit der PfD zusammenarbeiten wollen. Nicht zuletzt füllen sie auch eine wichtige Mittlerposition zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft, wenn beide Seiten jeweils unterschiedliche Vorstellungen bei der Projektarbeit und der Ausrichtung der PfD entwickeln.

Denn offene Beteiligung und demokratische Teilhabemöglichkeiten aller Bürgerinnen und Bürger kennzeichnen die Arbeit einer PfD auf allen Ebenen. So werden in jährlichen öffentlichen Demokratiekonferenzen Förderschwerpunkte, Ziele und Bedarfe als lokale Strategie herausgearbeitet, die die PfD im Anschluss in Angriff nimmt. Diese werden dann z. B. Bestandteil der Bewertungs­kriterien für die Projektförderung der PfD sowie auch die Arbeitsschwerpunkte bei der Planung von eigenen Aktionen. Sogar die Anträge an das Bundesministerium für die Weiter­förderung der PfD werden in einem offenen Beteiligungsprozess gemeinsam ­herausgearbeitet und nicht etwa am Schreibtisch entwickelt. Die konkrete Ausgestaltung dieser Strategie obliegt dem Begleitausschuss, der mindestens zur Hälfte mit Akteuren aus der Zivilgesellschaft, also Mitgliedern von Vereinen und Initiativen oder aktiven Einzelpersonen besetzt werden muss. Hier erfolgt auch die Auswahl der ­Förderprojekte nach den offen aus­gearbeiteten ­Kriterien.

Kinder- und Jugendbeteiligung

Außerdem wird innerhalb einer jeden PfD ein pflichtiges Budget für Kinder- und Jugendbeteiligung eingeräumt, über das allein die Kinder- und Jugendlichen eines Jugendforums entscheiden, das entweder eigens für die PfD eingerichtet wurde oder das bereits in den jeweiligen Kommunen existiert. Dies können z. B. Jugendparlamente, Jugendbudgets oder andere Formen der Kinder- und Jugend­beteiligung sein. So konnten in sämtlichen Brandenburger Landkreisen und Kommunen, die eine PfD eingerichtet haben, wichtige Beiträge zur Umsetzung des §18a Kommunalverfassung geleistet werden. Dies gelang in erster Linie dadurch, dass durch die externen Fach- und Koordinierungsstellen Wissen, Kontakte und auch Organisationstalent in die Verwaltungen geflossen sind, um die Kommunen bei der Umsetzung der Kinder- und Jugendbeteiligung zu unterstützen. Nicht zuletzt bietet die PfD mit dem oben genannten Budget auch die Möglichkeit, die Ideen und Wünsche von Jugendlichen, die in den Jugendbeteiligungsstrukturen erarbeitet wurden, zu finanzieren.

Auch Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker sind in den PfD dazu eingeladen, sich z. B. in den ­Begleitausschüssen zu engagieren, an den Demokratiekonferenzen teilzunehmen oder am besten über Vereine und Initiativen, denen sie angehören, Projekte zu beantragen und durchzuführen. Viele PfD halten in regelmäßigen Abständen Berichte in den kommunalen Gremien und oft wird die Weiterführung der PfD in den Kommunalparlamenten zur Abstimmung gestellt, wo dann mit den Gegenstimmen von einschlägigen rechtspopulistischen Parteien zu rechnen ist. Eine wichtige Unterstützungsleistung, die Mitglieder demokratischer Parteien und Wählervereinigungen in kommunalen Gremien daher leisten können, ist, dass sie ihre lokale PfD vor den Angriffen von Mitgliedern der kommunalen Gremien verteidigen, die die PfD am liebsten aus ideologischen Gründen wieder abschaffen wollen. Nicht selten stellen diese nämlich Anfragen oder Anträge, die die PfD in ihrer Arbeit behindern sollen, indem sie ihnen z. B. wahrheitswidrig eine antidemokratische oder parteiliche Förderpraxis unterstellen und somit das Image der PfD in der Zivilgesellschaft untergraben.

Verwaltungsaufwand für Demokratie-Partnerschaften lässt sich reduzieren

Des Weiteren können interessierte Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker dafür sorgen, dass weitere PfD entstehen und weiße ­Flecken auf der Landkarte geschlossen werden. Nicht selten und nicht ganz unberechtigt haben gerade ­kleinere Kommunen Angst vor dem Verwaltungsaufwand bei der Projektförderung und in der Zusammenarbeit mit dem Bund. Diese kann z. B. durch Kooperation mit anderen Kommunen gemindert werden, aber auch durch effiziente und passgenaue Verfahren. Schließlich wird die genaue Ausgestaltung der PfD den Trägerkommunen und dem lokalen Netzwerk überlassen, denn der Bund macht nur Vorgaben hinsichtlich der Ergebnisse und nur sehr wenige bei den konkreten Abläufen, sodass sich jede PfD anders und für die Trägerverwaltung passend aufstellen kann.

In Zeiten wie diesen ist die präventive Arbeit für ein demokratisches und offenes Gemeinwesen wichtiger denn je und hat jede Unterstützung verdient.

 

Der Autor ist langjähriges SGK-Mitglied und selbst als externer Koordinator der PfD „Hoher Fläming“ tätig. Diese PfD wurde bereits im Jahr 2007 als sog. ­„Lokaler Aktionsplan“ gegründet. ­Damals schlossen sich die Stadt Bad ­Belzig, das Amt Brück, das Amt ­Niemegk, die Stadt Treuenbrietzen sowie die ­Gemeinde Wiesenburg/Mark zusammen, um mit Unterstützung des Landkreises ­Potsdam-Mittelmark für eine demokratische Kultur und gegen Menschenfeindlichkeit zu kämpfen.

Dieser Text ist zuerst im Landes-SGK Brandenburg der DEMO erschienen und wird hier mit freundlicher Genehmigung der SGK Brandenburg veröffentlicht.