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Wie auf kommunaler Ebene Menschenrechte geschützt werden können

Bärbel Kofler30. Oktober 2020
Dr. Bärbel Kofler
In Deutschland gibt es bereits mehr als 180 Fair-Trade-Towns. Sie wirken als Vorbild und tragen dazu bei, das Angebot an nachhaltigen Produkten zu steigern. Ein Beitrag von Bärbel Kofler, Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung und Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion.

Jedes Jahr im September findet die Faire Woche statt, eine Aktionswoche zur Förderung des Fairen Handels. In vielen Städten, Gemeinden und Kommunen geht es in diesem Jahr bei den Veranstaltungen unter dem Motto „Fair statt mehr“ um das 12. UN-Nachhaltigkeitsziel: Nachhaltiger Konsum und Produktion. Was heißt das für jeden von uns?

Viele Produkte unseres täglichen Bedarfs kommen aus Ländern des globalen Südens. Das beginnt morgens mit der Tasse Kaffee oder Tee, geht weiter über die Banane in der Mittagspause und den Orangensaft und Schokoriegel am Nachmittag. Hinzu kommen unsere Kleidung und Rohstoffe für unsere Handys und Autos. Unter welchen Bedingungen diese Güter und Waren aber angebaut oder produziert wurden, wissen viele Verbraucher*innen häufig nicht oder können sich noch nicht darauf verlassen, dass es klare und verbindliche Regeln zur Achtung der Menschenrechte entlang der Lieferketten gibt. Und das hat seinen Preis. Oft arbeiten Menschen im globalen Süden unter unwürdigen Bedingungen oder erhalten für ihre Produkte so niedrige Preise, dass nicht einmal die Herstellungskosten gedeckt sind. Die Existenz von unzähligen Kleinbauern- und Arbeiterfamilien ist bedroht. Für sie setzt sich der Faire Handel ein. Er leistet ganz konkret einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung und fördert gleichzeitig das Gemeinwesen vor Ort.

181 deutsche Fairtrade-Towns

Kreise, Städte und Gemeinden können die Ziele des Fairen Handels unterstützen, indem sie fair gehandelte Produkte einkaufen und auf Güter verzichten, die durch ausbeuterische Kinderarbeit oder unter Verletzung sozialer und ökologischer Mindeststandards hergestellt werden. In den inzwischen 181 bundesweiten Fair­trade-Towns machen sich Engagierte aus Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft gemeinsam lokal für den fairen Handel stark. In meinem bayerischen Wahlkreis unterstütze ich schon seit vielen Jahren die dortigen Weltläden und bin gerne Kundin des Fairen Handels.

Kommunen als Hebel

Als öffentliche Auftraggeber besitzen Kommunen darüber hinaus ein enormes wirtschaftliches Potenzial. Durch die Stärkung von Nachhaltigkeitsaspekten in der öffentlichen Beschaffung können Kommunen nicht nur ihre Funktion als Vorbild wahrnehmen, sondern auch als wichtiger Hebel für die Steigerung des Angebots nachhaltiger Produkte wirken. Auch in der Agenda 2030 wird nachhaltige öffentliche Beschaffung explizit als Instrument zur Erreichung nachhaltiger Entwicklung genannt.

Eigentlich gäbe es dieses Jahr zum 50. Jubiläum des Fairen Handels in Deutschland Grund zur Freude. Wie der Verband Forum Fairer Handel auf seiner Jahrespressekonferenz Anfang September berichtete, gaben die Verbraucher*innen in Deutschland im Geschäftsjahr 2019 1,85 Milliarden Euro für Produkte aus Fairem Handel aus. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem Zuwachs von neun Prozent. Innerhalb der letzten sieben Jahre hat sich der Umsatz im Fairen Handel fast verdreifacht. Im Durchschnitt gaben die Verbraucher*innen in Deutschland pro Kopf 22,23 Euro für faire Lebensmittel und Handwerksprodukte aus.

Problematische Lieferketten

Aber die Prognose für 2020 gibt leider Anlass zur Sorge und offenbart einen grundlegenden Missstand im Welthandel: Unternehmen, die sich solidarisch mit ihren Partnern zeigen und Mensch und Umwelt in ihrem Wirtschaften achten, haben im bestehenden Wirtschaftssystem Nachteile. Die Covid-19-Krise hat gezeigt, dass viele globale Lieferketten weder krisenfest noch fair oder nachhaltig sind. Freiwillige Maßnahmen der Vergangenheit wie beispielsweise die Selbstverpflichtungen von Unternehmen reichen nicht aus, um die Arbeits- und Produktionsbedingungen nachhaltig zu verändern.

Was wir brauchen, ist ein Lieferkettengesetz, das Unternehmen verbindlich verpflichtet, Arbeits- und Menschenrechte entlang der globalen Kette zu schützen. Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass es auch immer mehr Unternehmen gibt, die gesetzliche Regelungen befürworten. Das berühmte „level-playing-field“ kann nur gelingen, wenn es für alle gilt und nicht diejenigen Nachteile haben, die bereits eine Menge tun für menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in ihren eigenen Unternehmen.

Neben der Notwendigkeit eines Lieferkettengesetzes brauchen wir auch eine Neuausrichtung der internationalen Handelspolitik. Das ist für uns in der SPD ein zentrales Instrument, um Globalisierung zu gestalten. Denn Handelspolitik berührt den Alltag vieler Menschen – in Deutschland und weltweit. Wir wollen ein faires und demokratisches Handelssystem, das auf fairen multilateralen Regeln basiert und alle Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt.

Sozial, ökologisch, gerecht

Ein faires und demokratisches Handelsregime bedeutet: Auf unseren Märkten werden Güter gehandelt, die unter gerechten sozialen und ökologischen Bedingungen sowie unter Wahrung der Menschenrechte erzeugt wurden. Die Entwicklungschancen der Handelspartner aus dem globalen Süden sind gewahrt und werden verbessert. Durch Handel werden Rechte gestärkt und nicht untergraben. Was es also braucht, ist eine neue gestaltungsfähige Handelspolitik, die wieder Vertrauen aufbaut, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stärkt und ­Gerechtigkeit durchsetzt.

 

Dieser Beitrag wurde zuerst im Landes-SGK EXTRA Bayern der DEMO veröffentlicht und erscheint hier mit freundlicher Genehmigung der SGK Bayern.