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Für Kommunen steht bei der Europawahl viel auf dem Spiel

Matthieu Hornung 10. Mai 2019
EU-Regionalpolitik stellt sicher, dass auch die Akteure vor Ort eingebunden sind.
Vor dem Hintergrund eines in den letzten Jahren wieder zunehmenden Entwicklungsgefälles zwischen den Regionen Europas sind die Zielsetzungen der EU-Kohäsionspolitik aktueller denn je, so Matthieu Hornung, Fraktionsreferent der SPE im Ausschuss der Regionen.

Die EU ist nicht nur in Brüssel, sie ist häufig in unserer unmittelbaren Nachbarschaft anzutreffen.Am sichtbarsten sind natürlich EU-geförderte Infrastrukturprojekte, aber die EU-Regionalpolitik steht auch für die rund 15 Millionen Menschen, die jedes Jahr an tausenden Projekten teilnehmen, die vom europäischen Sozialfonds (ESF) europaweit kofinanziert werden, für modernisierte Wasserversorgungssysteme für 15 Millionen Bürger oder die Förderung von 141.145 Existenzgründungen. In unseren Kommunen sind auch beim Ausbildungsplatz für Lernbehinderte, beim Hochwasserschutz oder der energetischen Sanierung des Rathauses oft EU-Gelder involviert.

Politische Zielsetzung der EU-Regionalpolitik ist es, den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt (im Brüsseler Jargon auch als „Kohäsion“ bezeichnet) zu stärken. Vor dem Hintergrund eines in den letzten Jahren wieder zunehmenden Entwicklungsgefälles zwischen den Regionen Europas ist diese Zielsetzung aktueller denn je. Darüber hinaus ist die EU-Regionalpolitik in einer Zeit anhaltender Haushaltskonsolidierung als wichtigstes EU-Investitionsinstrument unerlässlich geworden. Ohne die Kohäsionspolitik wären dringend benötigte öffentliche Investitionen in den weniger entwickelten Mitgliedstaaten während der Krise um weitere 45 Prozent eingebrochen. Beim Zusammenhalt geht es aber nicht nur darum, die Regionen, die vom Binnenmarkt weniger profitieren, „mitzunehmen“ oder ein am Bruttoinlandsprodukt gemessenes Gefälle zwischen Regionen zu kompensieren. Es geht auch darum, überall in Europa Jobs zu schaffen und zu helfen, Herausforderungen wie den Klimawandel, den demographischen Wandel oder die Flüchtlingsintegration anzugehen.

Fokus auf den ärmsten Regionen

Natürlich liegt der Fokus dabei auf den ärmsten Regionen Europas. Dennoch gibt es auch in Deutschland viele Regionen, die vor Herausforderungen von europäischer Dimension in Hinblick auf den Zusammenhalt stehen. Die EU Regionalpolitik basiert dabei auf europaweiten und grenzüberschreitenden Strategien und stellt durch das vorgeschriebene „Partnerschaftsprinzip“ sicher, dass die Akteure vor Ort eingebunden sind.

Das Europäische Parlament und der EU-Ministerrat haben vor den Europawahlen vom 26. Mai 2019 leider noch keine Einigung über die Regionalpolitikprogramme für die neue Förderperiode 2021–2027 erzielen können. Diese Programme – Europäische Struktur- und Investitionsfonds (ESIF) – umfassen insbesondere den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), den Europäischen Sozialfonds (ESF) und den Kohäsionsfonds. Eine starke regionalpolitische Komponente haben außerdem der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und der Europäische Meeres- und Fischereifonds (EMFF).

Kohäsionsallianz

Im Vorfeld der Verhandlungen für die neue Förderperiode hat der EU-Ausschuss der Regionen (AdR) die „Kohäsionsallianz“ (#CohesionAlliance) ins Leben gerufen. 12.000 einzelne Unterzeichner, 121 Regionen, 135 Städte und Landkreise, 50 regionale und lokale Gebietskörperschaften, 40 Mitglieder des Europäischen Parlaments und 35 EU-Branchenverbände haben sich dieser Allianz angeschlossen, die dafür wirbt, dass die EU-Regionalpolitik im Rahmen des EU-Haushalts nach 2020 auch weiterhin eine tragende Säule für die Zukunft der EU bleibt.

Viele der konkreten Forderungen der Allianz sind bereits vom Europäischen Parlament (EP), unter anderem dank des Einsatzes der Ko-Berichterstatterin zur Dachverordnung der ESIF, der sächsischen Sozialdemokratin Constanze Krehl, aufgriffen worden. So widersetzen sich AdR, „Kohäsionsallianz“ und EP der von der Kommission vorgeschlagenen Kürzung der Mittelzuweisungen für die EU-Regionalpolitik um zehn Prozent.

Weitere Knackpunkte

Weitere Knackpunkte der Debatten sind die Aufrechterhaltung des Partnerschaftsprinzips, d.h. die Einbindung der lokalen Akteure in die Programmierung der Regionalfonds, sowie die Forderung, dass Förderung für regionale Projekte zur Bekämpfung von Armut und Jugendarbeitslosigkeit oder zur Integration von Geflüchteten schneller und unbürokratischer beantragt werden kann. Schließlich setzen sich die europäischen Sozialdemokraten in den verschiedenen Gremien dafür ein, 30 Prozent der gesamten Fördermittel für den Kampf gegen den Klimawandel bereit zu stellen (statt bisher 20 Prozent).

Ob sich diese Forderungen durchsetzen lassen, hängt natürlich vom Ausgang der Europawahl und dem Ergebnis der europafreundlichen politischen Kräfte ab. Auch für die deutschen Kommunen und Länder und für die EU-Regionalpolitik steht also bei der Europawahl sehr viel auf dem Spiel.

Weitere Infos:
#cohesionalliance: http://www.cohesionalliance.eu/
Portal des Europäischen Parlaments „Das tut die EU für mich“: https://what-europe-does-for-me.eu/de/portal