Blog Meine Sicht

Die Landesgrundsteuer wird zum riskanten Systemwechsel für unsere Städte und Gemeinden!

Peter Hofelich28. Dezember 2020
Peter Hofelich, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg
Bei der Grundsteuer geht Baden-Württemberg einen Sonderweg. „Grün und Schwarz setzen mit dem Landes-Grundsteuergesetz ihre Klientel-Politik fort”, kommentiert der finanzpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Peter Hofelich.

Die grün-schwarze Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben am 4. November 2020 das Landesgrundsteuergesetz verabschiedet. Vorausgegangen war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, die Grundsteuer bundesweit neu zu fassen und den Verkehrswert zu beachten. Während Finanzminister Schäuble den höchstrichterlichen Auftrag liegen ließ, hat sein Nachfolger Olaf Scholz einen Vorschlag für alle Länder vorgelegt, der nicht nur aktualisiert, sondern auch vereinfacht hätte.

Die aktuelle Landesregierung hat allerdings nun die auf ­Bundesebene vereinbarte „Öffnungsklausel“ genutzt und beschreitet mit einer ­eigenen „Landesgrundsteuer“ ­einen Sonderweg. Die SPD-Landtagsfraktion hat sich dagegen gestellt und hält das Modell dieser neuen ­„Bodenwertsteuer“ für nicht gerecht, verfassungswidrig und kommunal konfliktträchtig.

Um was geht es konkret?

Die Bodenwertsteuer, wie sie nun ab 2025 in Baden-Württemberg kommen soll, kennt zur ersten Berechnung nur noch die beiden Faktoren Grundstückswert und Grundstücksfläche. Der Wert der Immobilie, die darauf steht, spielt keine Rolle. Der Vorschlag von Olaf Scholz hatte im Kontrast dazu eine deutliche Reduktion der Berechnungsfaktoren auf fünf vorgesehen: Bodenrichtwert, Art der Immobilie, Gebäudefläche, Nettokaltmiete (bei Eigentum „fiktiv“) und Baujahr. Das Gebäude war also mit dabei. Das Land betreibt nun einen seit längerem von ­interessierterer Seite angefachten Systemwechsel, während der Vorschlag des Bundes eine dem Verfassungsgericht folgende Weiterentwicklung und Vereinfachung vorsah. Das Ergebnis ohne Sicherheit: Benachbarte Grundstücke – teure Villa neben einfachem Bestandsgebäude – werden gleich besteuert. Unterschiedliche Nutzungen – Appartementhaus neben ­Einfamilienhaus – zahlen für das Grundstück  denselben und für den einzelnen Wohnenden dann völlig unterschiedlichen Infrastrukturbeitrag, die Nutzungs­intensität der kommunalen Infrastruktur bleibt außen vor. Verletzt werden das ­„Gleichheitsprinzip“ und das „Äquivalenzprinzip“.

Wie und warum kam es dazu?

Die Finanzministerin unseres Landes hat die Debatte nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil teilnahmslos treiben lassen und lediglich vom Bundesfinanzminister einen Vorschlag verlangt, ohne diesen mitzugestalten. Für die Repräsentantin eines Bundeslandes, das Hausbesitz für kleine Einkommen und kostengünstigen Geschosswohnungsbau für heutige Erfordernisse beachten muss, ein Unding! Der grünen Fraktion ging es nur um Flächen­verteuerung, nicht um soziale Flächennutzung. Die CDU wollte – wie Bayern – mit einem reinen Flächenmodell den gut Situierten gefällig sein. Heraus kam ein „hybrides“ Modell der Bodenwertsteuer, welches das herkömmliche und in der kommunalen Kultur anerkannte Berechnungsverfahren bricht und ein ungerechtes, Streit provozierendes Verfahren an seine Stelle setzt.

Was sagt bislang die kommunale Basis?

Das wird man sehen. Die kommunalen Spitzenverbände haben den Gesetzentwurf der Landesregierung – noch vor der Beratung im Landtag! – ohne viele Geräusche durchgewunken. Sicher Anlass für kritische Rückfragen von ­sozialdemokratischen Mandatsträgern. Die kommunale Basis ist in ersten Berechnungen alarmiert. Das neue Gesetz könnte erhebliche Verteuerungen für Ein- und ­Zwei-Familienhäuser bringen, Steuer­senkungen für Gewerbe­immobilien und nur unwesentliche Verbesserungen für größere Wohneinheiten. Das Rechnen beginnt. Die Hauptfeststellung soll 2022 sein, die Einführung 2025. Der an solch profanen Themen notorisch desinteressierte Herr Kretschmann wird es kaum mehr vertreten müssen, die kommunalen Verantwortlichen aber gegenüber ihrer Bürgerschaft ­ausbaden.

Wo liegen die Fehlkonstruktionen?

Es ist zunächst das Gegenüber von teurem Eigentum und hart erspartem Häusle oder Reihenhaus, das als Ungleiches gleich behandelt wird. Für uns als SPD nicht akzeptabel. Die Lebenswirklichkeit lehnt sich auf!

Zweifel gibt es auch an der Sinnhaftigkeit: Die junge Familie, die einen Altbau mit Hausgarten im Bestand erworben hat, ist „gekniffen“. Sie zahlt deutlich mehr als die Besitzer einer „Briefmarke“ mit knappem Haus und fernöstlichem Steingarten. Beide haben in den zurückliegenden Jahrzehnten das Bild in unseren Gemeinden, insbesondere an den Rändern der Verdichtungsräume, bestimmt.

Was ist das: Grüner Triumph oder Belohnung der Verödung?

Gewerbeflächen werden aufgrund ihres viel geringeren Bodenwerts bevorzugt. Der Bodenwert sinkt durch Altlasten und Kontaminierungen zudem oft, die nicht-berücksichtigte Nutzfläche verschafft gegenüber der Wohnbebauung einen Vorteil. Gewerbeflächen werden zum Nachteil von Wohnflächen bevorzugt. Wir Sozialdemokraten sind als „Handwerks- und Industrie-Partei“ für ­Gewerbeflächen. Die Grundsteuer ist aber zur Ermöglichung der falsche Weg.

Mehr Geschosswohnungsbau ist dringend notwendig – aber doch bitte mit sozialer Differenzierung. Fünf Euro/qm sind doch was anderes als neun Euro/qm oder mehr. Soll das Luxus-Appartement kaum einen Beitrag für die kommunale Infrastrukturnutzung zahlen? Eine verdeckte grüne Wohlhabenden-Agenda! Die SPD muss da Farbe bekennen: Die Nutzung von Schulen, Kindergärten, Schwimmbädern und Büchereien hat natürlich mehr etwas mit der Zahl von Menschen und nicht von Quadratmetern zu tun. Natürlich zahlt man deshalb dafür. Wirklich interessant wird es bei einer anderen Frage: Sind CDU und Grüne wie wir dafür, dass die Grundsteuer künftig nicht auf Mieter umgelegt werden kann?

Im Koalitionsvertrag auf Bundesebene steht die Forderung nach einer Grundsteuer C. Sie wird von der CDU blockiert. Und auch Grün traut sich nicht, aus Baden-Württemberg eine Bundesratsinitiative daraus zu machen und unbebaute Grundstücke innerhalb der Bebauung einer besonderen Grundsteuer zu unterwerfen. Hier läge aber ein wesentlicher Schlüssel. Das Ärgernis ist doch nicht der ökologisch wertvolle Hausgarten im Altbestand, mit Vogelhäusern und Bobby-Cars, sondern das brachliegende Spekulationsgrundstück. Da versagt aber Kretschmann-Grün einmal mehr, Ökologisch wie sozial.

Was ist das Fazit?

Alle Modelle – neben dem Bundesrats- und dem Bodenwertmodell gibt es ja auch weitere, etwa das norddeutsche Flächen-Lage-Modell oder das reine bayrische Flächen­modell – haben Vor- und Nachteile. Der Nachteil in Baden-Württemberg ergibt sich schon aus dem Verfahren: kurz mit den kommunalen Spitzenverbänden was verabredet und dann in die einfach zu voraussehende parlamentarische Beratung. Hier muss die kommunale Öffentlichkeit alarmiert werden!
Inhaltlich ist das hiesige grün-schwarze Konstrukt schwach, weil es die Verantwortung auf die Städte und Gemeinden verlagert. Wenn in einem 1-Zonen-Modell des Hebesatzes pro Stadt oder Gemeinde keine Ausgleiche bei „ungerechten“ ­Steuersätzen möglich sind, wird der Zorn von Anwohnern über die Rathäuser hereinbrechen, wenn sie zu vergleichen beginnen. Und selbst, wenn nicht: Grün und Schwarz setzen mit dem Landes-Grundsteuergesetz ihre Klientel-Politik fort. Eine harte Abgrenzung ist nach beiden Seiten geboten!

 

Dieser Beitrag wurde zuerst im Landes-SGK EXTRA Baden-Württemberg veröffentlicht und erscheint mit freundlicher Genehmigung der SGK Baden-Württemberg.

Im Blog „Meine Sicht” schreiben wechselnde Autoren aus persönlicher Perspektive über kommunale Themen.